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Kritik der WocheWir haben ja nicht ewig Zeit

In der Aula der Oldenburger Universität sitzen zehn junge Filmemacher nebst Anhang, dazu zwei Dutzend Versprengte. Auf der Leinwand sind drei türkische Kinder zu sehen, die in ihrem Dorf ein tarantinoeskes Gangsterepos drehen. Als Kamera muss die Überwachungsanlage der örtlichen Fabrik herhalten – ein Beweis, dass sich wahre Kreativität auch von den schwierigsten Bedingungen nicht aufhalten lässt.

Die Ausgangslage beim „Spontan getan“-Wettbewerb war da nur graduell besser. Zwei Tage gaben die Organisatoren des Kurzfilmfestivals „Zwergwerk“ den zehn Wettbewerbteilnehmern Zeit, einen maximal fünfminütigen Film fertig zu stellen: am Donnerstag wurde das Motto bekannt gegeben, am Sonntag war Deadline. Zwei Stunden vor der Premiere. Seit fünf Jahren veranstalten filmbegeisterte Studenten das Festival an der Oldenburger Universität.

Die Befürchtung, dass das Thema „Aussteiger“ die jungen RegisseurInnen zu Pathosexzessen treiben würde, bewahrheitete sich nicht. Bis auf die vier Minuten Harte-Männer-Kitsch und einer allzu bedeutungsschwangeren Collage war das Programm frei von existenzialistischem Ballast.

Carlotta Schulte-Ostermanns Animationsfilm „Aussteiger“ malt eine prächtige Hippiephantasie. Eine Welt angefüllt mit Schmetterlingen, bunten Blumen und verträumten Backpfeifengesichtern – die allerdings, wie wir am Ende sehen, von einem maschinell betriebenen Räderwerk am Laufen gehalten wird. Wo noch die schönste Idylle von der selben Maschinerie betrieben wird wie das große Ganze, dem man entkommen möchte, ist es mit der Selbstbefreiung schnell Essig.

Die Unmöglichkeit des radikalen Bruchs mit sozialen Zwängen und die Komik, die entsteht, wenn Anspruch und Wirklichkeit unter lautem Getöse aufeinander prallen, trieb die meisten der Beiträge um. Der schönste wurde von der Jury erfreulicherweise zum Sieger des Wettbewerbs gekürt: „Ich mach‘s wie Robbie Williams“ von David Hugendick und Finn-Ole Heinrich. Der innere Monolog eines Spendensammlers, der mit der Sammelbüchse, einer Ziege im Schlepptau und Robbie Williams‘ „Feel“ im Ohr in der Oldenburger Innenstadt herumsteht und darüber sinniert, wie es wäre, endlich alles hinter sich zu lassen. „Ich brauch nur noch ‘ne Band“ – in der letzten Szene sieht man den in Hochwasserhosen und Pullunder durch die Szenerie hühnernden Protagonisten arhythmisch, aber begeistert zu den Klängen einer Oldenburger Straßenkapelle tanzen. Die komischste und berührendste Szene des Wettbewerbs.

Auch der nahe liegende Weltschmerz hatte Platz im Programm. „Morgen nicht hier“ ließ offen, ob die Flucht aus der von den Regisseuren Amon Thein und Markus Wulf in einer einzigen dreiminütigen Sequenz geschickt inszenierten bürgerlichen Vorhölle geglückt ist oder nicht; ob sich der Protagonist also eskapistischerweise in Luft ausgelöst oder schlicht Selbstmord begangen hat. Das Ende bleibt ambivalent – ganz anders als das kleine Oldenburger Filmfestival selbst, das auch dieses Jahr wieder wunderbare Filme zeigte. Benjamin Moldenhauer

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