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Untersuchung offenbartGeheimknäste in 66 Uno-Staaten

Laut Uno-Bericht werden tausende von Menschen weltweit illegal gefangen gehalten und gefoltert. Im UN-Menschenrechtsrat wollen viele davon nichts wissen.

In UNO-Staaten keine Seltenheit: Gefangenschaft und Folter. Bild: dpa

GENF taz | In mindestens 66 der 192 UNO-Staaten wurden seit den Anschlägen vom 11. September 2001 unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung mehrere tausend Personen illegal in geheimen Gefängnissen inhaftiert und dort oftmals gefoltert. Das belegt der erste globale Untersuchungsbericht zu Geheimgefängnissen, der am Donnerstagabend im UNO-Menschenrechtsrat in Genf diskutiert wurde.

Unter den 66 Ländern befinden sich drei ständige Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates, China, Russland und USA, sowie Afghanistan, Indien, Pakistan und zahlreiche afrikanische Staaten. Aus Europa stehen Polen, Rumänien, Bosnien-Herzegowina und Litauen auf der Liste.

Manfred Nowak, UNO-Sonderberichterstatter für Folter und einer der vier Autoren des Berichtes, sieht damit sogar den Tatbestand des "Verbrechens gegen die Menschheit" erfüllt. Das Ausmaß ist vielleicht sogar noch größer als der Bericht enthüllt. Denn von den 192 befragten UNO-Staaten antworteten lediglich 44.

Davon räumte kein einziger die Existenz von Geheimgefängnissen ein. Die Autoren des Berichtes waren daher bei ihren Recherchen vielfach auf regierungsunabhängige Quellen angewiesen. Viele Länder verweigerten den Zutritt.

In der Debatte des Menschenrechtsrates bestritten China, Russland, Pakistan, Sri Lanka, Syrien sowie Algerien und weitere afrikanische Staaten die Existenz von Geheimgefängnissen auf ihrem Territorium. Den vier Autoren des Berichts warfen sie unsaubere Recherche und die Überschreitung ihres Mandates vor. Sie hätten "ohne Auftrag des Menschenrechtsrates" einen gemeinsamen Bericht verfasst.

Mit diesem formalen Vorwurf hatten Pakistan und andere Länder im März verlangt, dass die ursprünglich schon damals vorgesehene Beratung des Bericht wieder von der Tagesordnung genommen wird. Der belgische Präsident des Menschenrechtsrates gab diesem Ansinnen nach. Der Bericht wurde auf die Juni-Sitzung verschoben.

Zwischenzeitlich verlangten Russland und Pakistan vergeblich, den Bericht auch von der Webseite der UNO entfernen zu lassen und seine Behandlung endgültig abzusagen. Dieser Versuch der Zensur scheiterte am Widerspruch unabhängiger Menschenrechtsorganisationen.

Uneingeschränkte Anerkennung erhielten die Autoren des Berichts in der Debatte nur von ganz wenigen Staaten, wie Schweden, Kanada und Südafrika. Die Botschafterin der USA unterstrich zwar die Ankündigungen von Präsident Barack Obama zur Schließung des Haftlagers Guantánamo, das nie ein geheimes Gefängnis war.

Doch zum Haftlager Bagram in Afghanistan sowie zu anderen ehemals geheimen Gefängnissen der USA in Drittländern und den dort praktizierten Verhör- und Foltermethoden sagte sie kein Wort.

Die Autoren des UNO-Berichts empfehlen, sämtliche Geheimgefängnisse unverzüglich zu schließen und die bisherigen Opfer illegaler Haft und Folter zu entschädigen. Dass sich der Menschenrechtsrat ihre Empfehlungen zu eigen macht, ist nach der Ratsdebatte eher unrealistisch.

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15 Kommentare

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  • DS
    Das Selbst

    Man könnte fast sagen das wirtschaftliche Ziel der Nationalsozialisten also Autarkie wäre am Erstrebenswerteseten. Jedoch allein der Gedanke daran erzeugt ein schlechtes Gewissen.

  • DS
    Das Selbst

    Die Welt/der Mensch war immer schon so. Es ging immer nur um Macht und Reichtum, warum sollte das seit dem 1900 anders sein? Weil die Nazis und Kommunisten so brutal waren oder die Amis mit der A-Bombe, usw? Ein Witz das wir das überhaubt glauben. Meiner Meinung nach gibt es nur 3 Sorten von Menschen: Wölfe, Schafe und Idioten. Leider folgen die Letzten meist den Ersten weil sie glauben mehr zu bekommen als die Schafe, die es auch ernst meinen, ihnen geben würden.

    Ich glaube nicht daran das sich der Mensch jemals ändern wird, wieso auch? Es geht denen am besten die am meisten darauf achten. Es kann nur allen besser gehen wenn alle nur darauf achten. Die Geburt des Kapitalismus!

  • DG
    Dirk Gober

    @Plagiator mit dem Pseudonym "Qdirk gober:"

     

    "erstens wird die hamas garantiert nicht geschont oder ähnliches. da wird schon einiges unternommen!"

    Zum Beispiel?

     

     

    "und zweitens, willst du uno-staaten also mit einer terroristischen vereinigung gleichsetzen?

    wie dumm ist das denn?"

    Sehr jämmerlicher Versuch, von der Hamas abzulenken. Die Palästinenser betrachten das Gebilde, in dem sie leben, als Staat und Pro-Islam-Propagandisten sind in erster Reihe, wenn es darum geht, diesem Gebilde UND der Hamas Rechte von Staaten einzuräumen.

    Wie dumm das also wirklich ist, versuchen Sie am besten selbst zu beurteilen.

     

    "das an beide sparten nicht die selbe erwartungshaltung gelten kann sollte doch wirklich ausser frage stehen!"

    Warum sollten die Erwartungen anders sein? Sollte ein "Verein" mehr "Freiheiten" bei der Mißachtung von Menschenrechten haben als ein Staat?

    Ansonsten siehe vor. Abschnitt.

     

     

    Schade, früher stand Links für intelligent, aber das war früher und Sie sind von heute.

  • QG
    Qdirk gober

    @Dirk Gober

     

    sehr guter beitrag wirklich!

     

    erstens wird die hamas garantiert nicht geschont oder ähnliches. da wird schon einiges unternommen!

     

    und zweitens, willst du uno-staaten also mit einer terroristischen vereinigung gleichsetzen?

    wie dumm ist das denn?

    das an beide sparten nicht die selbe erwartungshaltung gelten kann sollte doch wirklich ausser frage stehen!

  • L
    linsenspaeller

    Hier möchte ich doch beiläufig mal darauf hinweisen, daß es der Bundestag in Gestalt seines Petitionsausschusses unlängst abgelehnt hat, den Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes in einem praktisch anwendbaren Gesetz zu präzisieren. So wird es eine hohle Phrase bleiben, auf die man sich nicht justiziabel berufen kann.

  • DG
    Dirk Gober

    Sind in diesem Bericht auch die geheimen und offenen Gefängnisse der Hamas und Fatah aufgeführt, in denen Menschen nicht nur gefangen gehalten, sondern jährlich zu Hunderten als "Kollaborateure" hingerichtet werden?

     

    Falls ja - warum liest man darüber so wenig? Welche Initiativen gibt es dagegen? Wurden schon Schiffe nach einem den Opfern benannt?

     

    Falls nein - was ist dann dieser Bericht wert?

  • D
    DeutscherKonservativer

    Die solln sich mal nicht so anstellen von der UNO da, wenn man das Land of the Free ist, kann man so viele Dunkelhäutige einsperren und foltern, wie man will. Das hat ausserdem Tradition und sich bewährt.

    Das sollten wir auch viel häufiger machen, als denen bloß die Tempel zu verbieten!

    Immerhin sind die USA das Vorbild für die westliche Welt.

  • K
    Kassandro

    Man soll ja auch in der TAZ die Nettikette beim Kommentarschreiben befolgen: Angesichts eines Themas wie der Existenz von Geheimgefängnissen ist das schwer.

    Diese Knäste mit ihrer grauenhaften Folter und fürchterlichen Praxis des Verschwindenlassens von Menschen(wozu sonst wären sie geheim?) zeigen, daß Auschwitz keimhaft andauert: Folter und Verschwinden-lassen von als gefährlich und minderwertig angesehenen Menschen sind keimhafter Nazismus, bei dessen Vermassung am Ende so etwas wie Auschwitz stehen kann und zwar in j e d e m kapitalist. Land.

     

    Deswegen muß man den Nazismus auch schon in seinen Keimformen als solchen erkennen , benennen und schon im embryonalen Stadium entschlossen bekämpfen. Geheimgefängnisse s i n d schon die Barbarei, von der Rosa Luxemburg sprach, und diese erfordert , entgegen der histor. Interpunktion gewisser Wertkritiker-, s c h o n heute den erbitterten Widerstand der Menschheit.

    In der finalen Krise des Kapitalismus ist eine explosionsartige Ausbreitung geheimer Foltergefängnisse für dem System und den Machteliten Gefährliche oder "Minderwertige"(e.g. Roma) zu befürchten- Erst wenn die Mehrheit der Menschen auf diesem Globus gemeinsam den im Kapitalismus geschaffenen Reichtum aneignet und eine solidarische, fetischfreie Ökonomie weltweit aufbaut, in der keiner mehr "unter die Räder kommt"(Adorno), wird solche Barbarei abschaffbar.

  • A
    alcibiades

    wie wäre es mit einem link zu diesem bericht? kann ihn auf der uno-seite nicht finden.

  • V
    vic

    In dem Bericht fehlt Gaza. Aber der ist ja nicht geheim.

  • T
    teslanova

    ...na, die Gefängnisse sollten wohl besser geöffnet, als geschlossen werden...

  • GD
    Gauck der konservative Linke

    Das glaube ich nicht, Unrecht gibt es schliesslich nur im Kommunismus.

  • O
    Otti

    Beim Lesen des Berichts wird einem normalen Menschen schlecht. Die schlechten Menschen sind die, die diese Verbrechens gegen die Menschheit begehen und die, die sie zulassen und mit den Freunden der Folter zusammenarbeiten. Die werden dann auch noch lupenreine Demokraten genannt oder zum Grillen eingeflogen. Vor allem die sog. westlichen Demokratien benehmen sich "vorbildlich". Mir kommt da große Ko.... Mir ist immer noch schlecht.

  • P
    Peter

    Alle Staaten die in größerem Umfang gegen die Menschenrechte verstößen sollten sofort rausgeworfen werden, dann können sich auch keine Lobbygruppen für solche Schurken bilden.

  • M
    manni

    Natürlich sind geheime Gefängnisse sehr schwer zu beweisen. Aber der Versuch einiger Regierungen, diesen Bericht zu zensieren und/oder unter den Tisch fallen zu lassen, lassen dann doch tief blicken.

    In den Fällen von Polen, Rumänien und Litauen könnte sich die EU einschalten, wenn man denn nur will (was leider sehr zu bezweifeln ist).

    Und wie sicher können wir sein, dass es so etwas nicht auch in Deutschland gibt?!