GIFT UND GALLE: Auf ins nächste Gefecht!
Fast genüsslich zerlegt sich Bremens Die Linke beim Sonderparteitag selbst - und verweist dann die Frage Arbeitnehmerrechte an ein noch zu bildendes Komitee.
Sonderparteitag klingt dramatisch, Personalpolitik ist immer ein Reizthema - besonders, wenn auch die Frage dräut, wer sich demnächst zur Wahl stellen sollte. Wenn dann manche sogar vermuten, der Vorstand hätte das ganze Wochenendvergnügen nur inszeniert, um sich in Position zu bringen, weiß man: Hier ist Die Linke, Landesverband Bremen.
Fast genüsslich hat der sich nämlich am Sonntagabend im Gröpelinger Helen Kaisen-Nachbarschaftsheim selbst zerlegt. Anlass war die Frage, wie es um die "Arbeitsverhältnisse bei Fraktionen und Abgeordneten der Linken" steht. Ein unübliches Thema, das Partei und Fraktionsvorstand gegeneinander in Stellung bringt. Zudem ists hier besonders heikel. Denn erstens hat der Abgeordnete Klaus Rainer Rupp, der sich für den besseren Spitzenkandidaten hält, die Frage öffentlich gemacht, als ein wissenschaftlicher Mitarbeiter keine Verlängerung bekommen sollte. Und zweitens ist mit Christoph Spehr ein Landesvorstands-Sprecher Angestellter der Fraktion.
Allerdings spielen Arbeitnehmerrechte in der Programmatik von Die Linke schon auch eine zentrale Rolle. Scharf kritisiert sie den Trend zum Zeitvertrag. Da wirkt es dann schlecht, wenn die Bürgerschafts-Linke in dieser Frage von allen links überholt wird: Sicher, es sind jetzt doch noch alle verlängert worden. Aber dass Die Linke als einzige Bremer Fraktion nur Zweijahres-Verträge anbietet, stimmt bedenklich. "Bei uns gibt es Sicherheit wenigstens für die Legislatur", so CDU-Sprecher Gunnar Meister, so handhabts selbst die FDP - und SPD- und Grünen-Fraktion haben ihre Mitarbeiter meist mit Dauerverträgen ausgestattet.
Im Hof des Kaisen-Heims befindet sich ein Spielplatz, aber der wird nur zum Rauchen frequentiert: Vielleicht hätte es geholfen, wenn sich die GenossInnen auf dem Spielgerät erst mal ausgetobt hätten. Das dämpft Aggressionen. So aber gelingt dem Sonderparteitag eine Diskussion zur Sache nicht, geschweige denn eine Klärung: Am Ende des Abends wird er einen Arbeitskreis beschlossen haben. Die Wortbeiträge kreisen dagegen um vermutete Heuchelei und unterstellte Intrigen, sie artikulieren tief empfundenen wechselseitigen Ekel. Noch am Freitag hatten der Bremer Partei- und Fraktionsvorstand einschließlich der jeweiligen Geschäftsführer plus die Bundestagsabgeordnete Agnes Alpers zehn Stunden lang mit Gregor Gysi und dem Bundesgeschäftsführer Werner Dreibus getagt. Cornelia Barth, Sprecherin des Landesvorstands, nennt das Ergebnis "einen Waffenstillstand". Doch diese bescheidene Hoffnung zerstiebt schneller, als sie ausgesprochen ist. Als "Skandal" werten jene, die nicht dabei waren, den ganzen Vorgang. Dass sich da zwei Gruppen treffen, und glauben, miteinander reden, ja sogar eine Erklärung mit Vorschlägen fürs Verfahren der Wahllistenbildung formulieren zu dürfen, das heißt für viele: Auf zum nächsten Gefecht! Um nichts anderes kann es denen ja gegangen sein als den Zugriff "auf die Fleischtöpfe"! Prompt springen die ersten Unterzeichner ab. So steht Jörn Hermenings Name unter der Erklärung, er gehört dem Landesvorstand an. Doch er konstatiert: "Die Brandstifter haben hier Feuerwehr gespielt." Womit er auch vor einer Schlammschlacht warnen will. Er verfüge nämlich, damit das klar ist, über genug Munition. Und "wenn ich mit Schmutz beworfen werde, werfe ich zurück".
Damit steht er dem Axel Troost-Weggefährten Jörg Güthler bei, geschasster Mitarbeiter von Alpers, der dem Vernehmen nach nun von der Bürgerschaftsfraktion übernommen wird, bis zur Wahl. Güthler tritt als feuriger Redner auf, was argumentative Schwächen locker überspielt: Den Berliner Erklärungs-Vorschlag, per Mitgliederentscheid die KandidatInnen für die Landtagswahlen zu bestimmen, brandmarkt er als Meisterstück der Infamie, weil sich da "Möglichkeiten der Einflussnahme bestimmter Gruppen" ergäben. "Wer an meinen Platz kommt, kann mehr erfahren", verspricht Güthler gegen Ende seiner Rede, als wäre er der Räucher-Maxe vom Fischmarkt, der fettige Aale feilbietet, "ich nenne Ross und Reiter."
Spehr hatte eingangs den Streit mit einem so genannten Chicken-Run verglichen. Bei dem steuert ein Auto auf die Klippe zu, und wer als erster abspringt, verliert. "Manchmal schafft es dann keiner mehr." Berliner Erklärung und Sonderparteitag seien ein Versuch, zu bremsen. Er ist gescheitert, vorerst. Vielleicht klappts ja noch. Denn nichts, so sagt ja die Autowerbung, ist unmöglich.
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