piwik no script img

Fifa und die Guerilla-PRKeine Strafe für Minirock-Mädels

Einer Gruppe Holland-Fans in Miniröcken wurde vorgeworfen für eine Biermarke ohne Fifa-Vertrag zu werben. Die Rädelsführer mussten in Untersuchunghaft und kamen jetzt frei.

Anstößig, finden Fifa-Manager: Rund 30 Models in orangefarbenen Röcken - ein kleiner Zipfel wirbt für eine Brauerei. Bild: reuters

JOHANNESBURG taz | Sie sind blond, sie sind Niederländerinnen und sie sind noch einmal davongekommen. Barbara Castelein und Mirie Nieuwpoorts lachten gestern Mittag vor dem Amtsgericht Johannesburg in die Kameras und posierten mit Blumen, die ihnen patriotische Niederländer geschenkt hatten. Kurz zuvor war eine Klage gegen sie wegen "Guerilla-Marketing" überraschend zurückgezogen worden. Der Fall hatte weltweit Schlagzeilen gemacht und ein Schlaglicht auf die kuriosen Restriktionen geworfen, mit denen die Fifa die WM und ihr Umfeld belegt hat.

Beim Spiel Niederlande - Dänemark in Johannesburg am Montag vergangener Woche hatten rund 30 niederländische Models ihre winterlichen Hüllen fallen lassen und tanzten in identischen orangefarbenen Miniskirts. Sie wurden von Fifa-Offiziellen und der Polizei aus dem Stadion geworfen und auf die Wache mitgenommen. Sie kamen nach vierstündiger Befragung frei, aber Castelein und Nieuwpoorts wurden Mittwochfrüh festgenommen und mit Bezug auf Südafrikas Markenschutzgesetz aus dem Jahr 1941 angeklagt, das auch gegen Verkäufer gefälschter WM-Tickets angewandt wird. Sie sollen den Auftritt der Models koordiniert haben - im Auftrag der niederländischen Bierbrauerei Bavaria.

Bis zum Gerichtstermin waren sie gegen eine Kaution von umgerechnet je 1.000 Euro auf freiem Fuß geblieben, aber ihre Reisepässe waren eingezogen. In einer von ihren Anwälten verbreiteten Erklärung sagten sie, man habe ihnen mit je sechs Monaten Gefängnis gedroht.

Die Fifa geht hart zur Sache, wenn es um die Verteidigung von Werberechten geht. Bei Bier gilt bei der WM ein Monopol für Budweiser. Im Umkreis von einem Kilometer der WM-Stadien darf kein anderes Bier verkauft oder auch nur beworben werden. Ähnlich restriktive Regelungen schützen zum Beispiel Coca-Cola vor Pepsi. Ein großer Teil der Fifa-Einnahmen in Milliardenhöhe stammt aus dem Verkauf solcher WM-Vermarktungsrechte.

Orangefarbene Röcke während eines Spiels der in Orange auftretenden Niederländer zu tragen, dürfte da eigentlich kein Problem sein. Bavarias Vorstandsmitglied Peer Swinkels hatte im Vorfeld des Gerichtsverfahrens erklärt, dass Fifas Reaktion "lächerlich" sei. "Die Fifa hat nicht das Monopol an der Farbe Orange. Menschen dürfen tragen, was sie möchten."

Die Kleidungsstücke waren allerdings Teil eines Werbepakets von Bavaria und trugen ein kleines Emblem der Firma. Laut Anklage hatten Castelein und Niewpoorts vor der Abreise nach Südafrika Bavaria-Werbepacks erhalten und waren daraufhin als Koordinatorinnen der Werbeaktion tätig geworden.

Der niederländische Außenminister Maxime Verhagen hatte die Anklage gegen die beiden Frauen als "unverhältnismäßig" bezeichnet. "Wenn Fifa oder Südafrika eine Firma wegen illegaler Vermarktung heranziehen möchten, dann sollen sie die Firma verklagen, aber nicht normale Bürger, die in orangefarbenen Röcken herumlaufen", hieß es. Die Fifa selbst hatte betont, die Verfolgung der Rockträgerinnen sei ausschließlich Sache der südafrikanischen Polizei. Ob der Weltfußballverband juristisch gegen Bavaria vorgehen will, bleibt offen. Die Fifa äußerte sich nach dem Ende des Gerichtsverfahren zunächst nicht.

Südafrikas Generalstaatsanwaltschaft schob die Verantwortung für das Platzen des Falles der Fifa zu: "Die Fifa hatte kein Interesse daran, den Fall weiterzuverfolgen", sagte Sprecher Mthunzi Mhaga. "Es gab einen Vergleich zwischen beiden Parteien, und wir beschlossen, mit der Sache nicht fortzufahren." Die Einzelheiten des Vergleichs seien vertraulich.

Bereits bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland hatte es Streit zwischen Fifa und Bavaria gegeben. 1.000 niederländische Fans, die zum Spiel gegen die Elfenbeinküste in Stuttgart in Bavaria-Lederhosen gekommen waren, mussten diese aus Markenschutzgründen ausziehen und in Unterhosen zugucken.

Ein Opfer der laufenden Affäre ist der englische TV-Kommentator Robbie Earle. Er soll den Models Tickets aus seinem Kontingent weitergereicht haben. Sein Sender ITV hat ihn entlassen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!