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Bohei im Netz um Englands Nicht-TorQueen verlangte nach Geheimdienst

Das nicht gegebene 2:2 sorgte auf Seiten der deutschen Fans im Netz für allerlei Vergnügen. Die Engländer litten auf Twitter & Co. naturgemäß an der "Rache für Wembley".

"Finden Sie heraus, wo der Schiri her ist": Satirischer Queen-Account bei Twitter. Bild: Screenshot Twitter.com

Da blieb den britischen Fans die Vuvuzela sprichwörtlich im Halse stecken: Als Mittelfeldspieler Frank Lampard am Sonntag in Bloemfontein in der 40. Minute den Ball unter die Latte pfefferte und der Schiedsrichter das 2:2 gegen Deutschland dann doch nicht gab, brach für die Weiß-Roten eine Welt zusammen. Der Rest der Partie wurde bekanntlich zum Schützenfest: Mit 4:1 siegten Jogi Löws Mannen so hoch gegen den Stolz Britanniens wie nie zuvor und sorgten für das heiß ersehnte Fortkommen der deutschen Mannschaft.

Und auch im Netz lagen Trauer und Freude selten so nahe beieinander. Während man die Partie in Deutschland endlich einmal adäquat per Livestream im Internet verfolgen konnte - die ARD hatte ihre Netzanbindung offensichtlich rechtzeitig stark aufrüsten lassen -, liefen beim Kurznachrichtendienst Twitter die Kommentare im Sekundentakt ein. Der hatte pünktlich zur WM einen neuen Nutzerrekord zu vermelden: Schon beim Spiel Japan gegen Dänemark wurden erstmals 3200 "Tweets pro Sekunde" erzielt. Allerdings sorgte der Ansturm auch für manchmal bescheidene Server-Reaktionszeiten - Nachrichten wurden nicht angenommen oder erst nach einigen Minuten veröffentlicht.

Manchmal war das, was man in den Social Networks lesen konnte, relativ harte Kost. "England, jetzt sind wir quitt!", hieß es gleich mehrfach. Nicht, dass es an Selbstkritik fehlte: "Die englische Mannschaft ist eine Schande für diese Nation", war bei Facebook von einem Fan zu lesen, "all das nach erstklassigem Training und mit diesen Gehältern". Ein "Netzkrieg" brach trotzdem nicht aus, denn es gab auch Nettigkeiten zwischen deutschen und englischen Fans. "Sorry für das Wembley-Tor!", schrieb ein Twitterer am Montagmorgen, "1966 war Fortuna mit Euch, diesmal ist sie mit uns".

Dass sich der Schiedsrichter "schämen" soll, hörte man allerdings nur von englischen Fans. Ein satirischer Fake-Twitter-Account der englischen Königin, "Queen_UK" genannt, wurde da schon deutlicher: "Finden Sie heraus, wo der Schiri her ist. Und dann holen Sie den Geheimdienst ans Telefon." Der Comedian und bekennende England-Fan Russell Brand wurde in seiner Wortwahl noch deutlicher: "Der Schiedrichter ist ein Wichser." Tausendfach wurde dieses Statement von anderen Fans "retweetet", vulgo: per Twitter wiederholt. Eine Nachricht des Boulevardblatts "Daily Mail", laut dem der deutsche Torhüter Manuel Neuer den Schiedrichter "verarscht" habe, machte ebenfalls häufig die Twitter-Runde.

Nicht wenig Spaß hatten Web 2.0-Benutzer derweil mit Bildern von der England-Deutschland-Partie. So tauchte auf Imgur diese Persiflage auf, die den Ball zwar im Tor, die Linie aber um den Ball herumgeführt zeigt. Und dann waren da noch zahlreiche Vergleiche des berühmten Wembley-Tores mit dem englischen (Nicht-)Treffer von 2010. Auf YouTube entwickelten sich unterdessen (natürlich aus Sicht der Fifa illegale) Ausschnitte aus dem Spiel zum Renner mit hohen Abrufzahlen. Dieses Tor, das die Partie möglicherweise noch einmal zugunsten Englands umgedreht hätte - wie der Nationaltrainer Fabio Capello fest glaubte -, wollte jeder nochmal sehen. Die Forderung, dass neben den Augen des Schiedsrichters und seiner Assistenten endlich auch der Videobeweis zählen soll, hörte man im Netz natürlich besonders häufig von englischen Fans. Selbst der britische Premier David Cameron lobte den Einsatz moderner Technik im Sport. "Das kann hilfreich sein."

Im offiziellen Internet-Kommentarfeed der britischen BBC hatte man sich auch Stunden nach dem Spiel noch nicht ganz gefangen und leckte die Wunden. Dort wurden Schlagzeilen von "Süddeutscher", "FAZ" sowie "Welt" und "WAZ" zitiert - darunter, dass Wembley nun Bloemfontein heiße und Gerechtigkeit hergestellt sei. "Offenbar sehen die deutschen Zeitungen das als "Rache" an, wir sind sicher, dass sie das auch ein bisschen scherzhaft meinen."

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1 Kommentar

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  • L
    Lieberzweiter

    Leider hat die deutsche Mannschaft eine einmalige historische Chance nicht genutzt, sich für alle Zeit nicht nur als sportlich hervorragende Mannschaft, sondern auch tatsächlich als "Fairplay"-Team in die Annalen der Fußballgeschichte einzuschreiben.

    Was wäre gewesen, wenn sie (z.B. auf Anregung des Trainers oder des Psychologen hin) in der Halbzeit entschieden hätte: Wir sind so stark, dass wir auf solche ungerechten Entscheidungen nicht angewiesen sind - wir stellen durch ein Eigentor nach dem Anstoß zur zweiten Halbzeit den "regelgerechten" Ausgleich her und erspielen uns einen Sieg ohne Wenn und Aber...?

    Ich meine, sie hätte vor den Augen der Weltöffentlichkeit ein beispielhaftes, nie dagewesenes Zeichen für Fairness, Gerechtigkeit, Moral geben können - und wäre - unabhängig vom weiteren sportlichen Erfolg - auf jeden Fall die unvergessliche Manschaft dieses WM-Turniers geworden.

    Ist diese Vorstellung absurd? Schade eigentlich...