Minus der Krankenversicherung: Regierung regelt Arznei-Markt neu

Durch schärfere Regelungen will die Regierung Preissteigerungen bei Medikamenten eindämmen. Der Opposition gehen die Pläne nicht weit genug.

Bislang können Pharma-Konzerne ihre Produkte als neuartig verkaufen, auch wenn diese nur einen nebensächlichen zusätzlichen Wirkstoff haben. : dpa

Neue Vorgaben für den Arzneimittelmarkt sollen dafür sorgen, dass die gesetzlichen Krankenkassen ab 2011 pro Jahr rund 2 Milliarden Euro einsparen. Die Reform soll helfen, das rapide wachsende Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung einzudämmen. Einem entsprechenden Gesetzentwurf des Gesundheitsministerium stimmte das Kabinett am Dienstag zu.

Ab kommendem Jahr stehen demnach Pharmahersteller in der Pflicht, durch Studienergebnisse zu beweisen, dass ein neues Medikament einen zusätzlichen Nutzen für Patienten hat. Bislang können Konzerne ihre Produkte als neuartig verkaufen, auch wenn diese nur einen nebensächlichen zusätzlichen Wirkstoff haben. Für dieses "neue" Medikament dürfen sie selbst einen Verkaufspreis festlegen - ein international einmaliges Verfahren. Dies trägt zu den rapide steigenden Kosten bei: Im vergangenen Jahr gaben die Kassen 32 Milliarden Euro für Medikamente aus, das sind 1,5 Milliarden Euro mehr als im Jahr zuvor. Mit dieser kostentreibenden Politik soll nun Schluss sein.

Dafür ist eine unabhängige Institution nötig, die die Wirksamkeit neuer Medikamente überprüft. Zwar gibt es seit 2004 das "Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen" (IQWiG). Doch auch auf Druck des FDP-geführten Bundesgesundheitsministeriums wurde im vergangenen Januar der Vertrag des renommierten Institutsleiters Peter Sawicki nicht verlängert. Dies wurde weithin als Signal verstanden, dass allzu deutliche Kritik an der mächtigen Pharmalobby unerwünscht sei. Nun soll das geschwächte IQWiG Arzneien auf ihren Zusatznutzen untersuchen - und das auf Basis von Unterlagen der Konzerne selbst. Die Grünen-Gesundheitsexpertin Birgitt Bender fordert daher, bereits abgeschlossene Studien in die Bewertung einzubeziehen und "eine zentrale Stelle" einzurichten, "über die die Veröffentlichungen zu erreichen sind".

Innerhalb eines Jahres nach Markteinführung müssen Hersteller künftig mit den Krankenkassen einen Preis aushandeln. Falls sie sich nicht einigen, soll eine zentrale Schiedsstelle über den Arzneimittelpreis entscheiden, und zwar ab dem 13. Monat nach Markteinführung. Kosten für Arzneimittel, deren Zusatznutzen der Hersteller nicht beweisen kann, müssen Kassen ihren Versicherten künftig nicht mehr vollständig erstatten. Diese zahlen dann nur noch den Preis, den ein vergleichbares Medikament auf dem Markt kostet. Das soll Versicherte davon abhalten, sich teure, aber überflüssige Arzneien verschreiben zu lassen.

Die Linkspartei-Fraktion kritisiert, Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) erweise sich hierbei als "Untertan der Pharmakonzerne". "Im ersten Jahr können die Hersteller nämlich nach wie vor exorbitante Mondpreise verlangen", sagte die Vizechefin des Gesundheitsausschusses, Kathrin Vogler. Die Grünen-Gesundheitsexpertin Birgitt Bender fordert, den Nutzen neuer Medikamente bereits während des Zulassungsverfahrens zu überprüfen.

Röslers Reform sieht auch eine Lockerung der Rabattverträge für patentfreie Arzneimittel vor, die sogenannten Generika. Patienten "dürfen ihr gewohntes Arzneimittel behalten, wenn sie dafür zunächst in Vorleistung gehen", erklärte das Gesundheitsministerium. Das heißt, dass beispielsweise ältere Menschen, die sich an ein bestimmtes Medikament gewöhnt haben, sich dieses auf eigene Kosten beschaffen dürfen - auch wenn es ein günstigeres Generikum gibt. Die Regelung gilt als Zugeständnis an Pharmahersteller, die so ihre Einnahmeausfälle teilweise wieder wettmachen können.

Bereits Mitte Juni hatte der Bundestag beschlossen, die Arzneimittelpreise bis Ende 2013 auf dem Stand von August 2009 einzufrieren. Ein Verbot des Versandhandels von Medikamenten, das der Apothekerverband forderte, konnte Rösler nicht durchsetzen. Ihn stoppten erst verfassungsrechtliche Bedenken von Innen- und Justizministerium.