Selbstmordanschlag in Pakistan: 43 Tote am Sufi-Schrein

Im ostpakistanischen Lahore wird schon wieder eine muslimische Strömung das Ziel eins Attentats mutmaßlicher militanter Islamisten. Diese sehen Sufis als Häretiker.

Pakistanische Muslime bei einer Trauerzeremonie für Opfer des Anschlags auf den beliebten Sufi-Schrein. Bild: ap

Nach dem schweren Anschlag auf ein islamisches Glaubenszentrum in der ostpakistanischen Stadt Lahore stand am Freitag das ganze Land unter erhöhter Alarmbereitschaft. In Lahore patrouillierten Polizisten im gesamten Stadtgebiet. Vor allem Märkte und Moscheen wurden schwer bewacht. Am Donnerstagabend hatten sich binnen weniger Minuten zwei Selbstmordattentäter in einem Sufi-Schrein, in dem das Grabmal des persischen Sufi-Predigers Abul Hassan Ali Hajvery liegt, in die Luft gesprengt. 43 Menschen starben, mehr als hundert wurden verletzt.

Damit griffen mutmaßliche militante Islamisten zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen eine religiöse Gruppe in Lahore an. Erst vor vier Wochen starben 93 Anhänger der muslimischen Ahmediya-Gruppe bei Anschlägen auf zwei Moscheen. Sufis, Anhänger der islamischen Mystik, treten für Gewaltfreiheit ein und halten sich betont aus der Politik heraus. Wegen ihrer Praktiken wie der Verehrung verstorbener Geistlicher und der Tradition, sich zu Musik in Trance zu tanzen, sehen Anhänger militanter Islamistengruppen Sufi-Anhänger als Häretiker an.

Bis Freitagabend bekannte sich niemand zu der Tat. Doch vieles deutet darauf hin, dass die Drahtzieher in der Provinz Punjab, in der Lahore und die Hauptstadt Islamabad liegen, zu finden sein dürften. Denn auch zu dem Anschlag auf die Ahmediya-Gruppe vor vier Wochen hatten sich die bislang unbekannten "Punjabi Taliban" bekannt.

Schon seit Jahren befürchten Analysten, dass sich die Provinz schleichend zu einer Hochburg religiöser Extremisten entwickelt. Seit Ende der 90er-Jahre finanzieren offiziell als "karitativ" gekennzeichnete Gruppen aus Ländern wie Saudi-Arabien den Bau von Koranschulen im Süden der Provinz. Mit den Geldern kam die für Pakistan ungewohnt radikale Ideologie der islamischen Wahhabi-Sekte, die in Saudi-Arabien quasi die Staatsreligion stellt, in das Land. Was sich hinter den Mauern ihrer Koranschulen in Pakistan abspielt, entzieht sich in aller Regel jeder staatlichen Kontrolle.

Dabei schufen Staat und Gesellschaft in Pakistan die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass militanten Gruppen dort heute offenbar leichtes Spiel haben. In Städten wie Lahore und Islamabad leben extrem wohlhabende Großgrundbesitzer, die häufig wie Feudalherrscher über tausende von landlosen Bauern gebieten. Korruption und ein ausgesprochenes Desinteresse der Elite am Los dieser Menschen haben dazu geführt, dass es in den ländlichen Regionen an Schulen und Krankenhäusern mangelt.

Zugleich finanzierten Pakistans Militärdiktatoren seit den 70er-Jahren gezielt den Aufbau radikaler Gruppen. Sie sollten Islamabad dabei unterstützen, seine Ziele gegenüber Indien und später in Afghanistan durchzusetzen. Etliche dieser Gruppen, von denen viele vermutlich noch Kontakte zum Geheimdienst ISI haben, wenden sich inzwischen gegen den Staat. Dabei haben die militanten Islamisten mit ihrer immer brutaleren Terrorstrategie zunehmend Erfolg. Noch vor einem Jahr richtete sich der Zorn der meisten Pakistaner eindeutig gegen die Täter. Doch nun scheint sich das Blatt zu wenden. Viele Pakistaner erklärten am Freitag in einer landesweiten Umfrage, die ausländischen Truppen in Afghanistan und die Allianz Islamabads mit Washington seien Auslöser der Gewalt.

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