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SUCHTKampf den Vollen

Der Senat will sich um heftig trinkende Kinder und Jugendliche kümmern, dem Komasaufen Beratung entgegensetzen und die Eltern stärker in die Pflicht nehmen.

Trichtern ist eine verbreitete Technik, sich ins Koma zu saufen Bild: dpa

"Voll im Blick" ist ein gelungenes Wortspiel für eine Aktion, mit der der übermäßige Genuss alkoholischer Getränke bekämpft werden soll, wobei die, um die es geht, darin etwas verschwinden: Die Vollen nämlich sollen in den Blick genommen werden, Kinder und Jugendliche, die sich volllaufen lassen, weil es cool ist, weil es die Stimmung steigen lässt, weil sie zum Macker werden wollen oder einfach nur so.

Komasaufen, wie es auch genannt wird, weil alles einen knalligen Begriff braucht, ist zum Problem geworden, seit Jahren wird es diskutiert, schlagen Drogenbeauftragte Alarm, jetzt will sich Bremen in einer konzertierten Strategie der Ressorts für Bildung, Jugend und Inneres darum kümmern. Zwar habe, sagte Sozialstaatsrat Joachim Schuster, die Zahl der Jugendlichen, die Alkohol trinken, abgenommen, doch gleichzeitig habe der "exzessive Alkoholkonsum bei denen, die trinken, zugenommen". Sich schnell und heftig zu betrinken, sei eine Art Freizeitbeschäftigung.

402 Kinder und Jugendliche sind im Schuljahr 2008/09 im Land Bremen mit Alkoholvergiftungen in Krankenhäusern behandelt worden, davon allein 284 in der Stadt Bremen. Gerade auch bei den unter 16-Jährigen sei die Zahl derer, die Alkohol konsumieren besorgniserregend - zumal diese Altersgruppe noch gar keinen Alkohol trinken solle.

Deshalb sollen künftig mit "Voll im Blick" Polizei, Schule, Krankenhäuser und Beratungsstellen eng zusammenarbeiten. "Frühzeitig", so heißt es im Konzeptpapier, sollen Interventionen erfolgen, um fortgesetzten Alkoholmissbrauch entgegenzuwirken und Abhängigkeit vorzubeugen. So sollen Polizei, Schulen und Krankenhäuser auffällig gewordene Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern stärker in die Pflicht nehmen und zu Beratungsgesprächen einladen. Als beratende Einrichtungen stehen neben Ärzten und Therapeuten insbesondere der Sozialdienst junge Menschen und das Zentrum für schülerbezogene Beratung bereit. Dort etwa sollen mit Einverständnis der Eltern rund zwei Wochen nach der Trunkenheit Einzelberatungen und auch Gruppenangebote wahrgenommen werden. Den jungen Trinkern sollen, so steht es in dem Konzeptpapier, "die Wirkungsweise und die Gefahren des Alkohols bewusst gemacht werden", außerdem sollen sie lernen, das eigene Trinkverhalten zu kontrollieren. Erlebnispädagogische Angebote sollen andere Wege zeigen, die Freizeit zu gestalten.

Besteht bei den trunkenen Jugendlichen der "Verdacht auf eine erhebliche soziale Notlage", soll die Polizei die Daten der Aufgegriffenen direkt an den Kinder- und Jugendnotdienst des Amtes für Soziale Dienste übermitteln. Der soll auch eingreifen, wenn ein Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vorliegt. Reagieren die Betroffenen nicht auf die Empfehlungsschreiben, die sie etwa in den Krankenhäusern erhalten und die recht eindringlich auf die Beratungsgespräche im Zentrum für schülerbezogenen Beratung drängen, gestattet "Voll im Blick" weitere Maßnahmen wie die Überweisung zur Suchtambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Koordiniert wird "Voll im Blick" zunächst vom Referat Gesundheit und Suchtprävention des Landesinstituts für Schule. Dort soll das Projekt auch anhand anonymisierter Datensätze ausgewertet und optimiert werden.

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1 Kommentar

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  • JW
    J. Walker

    "Kampf den Vollen" - äh, da werden also die (betrunkenen) Jugendlichen bekämpft, ja? Sollte ein Präventionsprogramm nicht *für* sie, und gegen schädliche Verhaltensweisen wie Mißbruach und Sucht kämpfen bzw. sie in ihrem eigenen Kampf dagegen unterstützen?

     

    "übermäßige Genuss alkoholischer Getränke" - wie man bei Krankenhausaufenthalten und Suchtproblematik noch von Genuss sprechen kann, ist mir völlig schleierhaft. 5 Euro ins Phrasenschwein bitte.

     

    "weil es cool ist, weil es die Stimmung steigen lässt, weil sie zum Macker werden wollen oder einfach nur so." Auf die Idee, dass man Betäubungsmittel auch nimmt, um Schmerzen oder Ängste zu betäuben, kommt hier niemand? Ich hoffe doch mal, dass der Autor nur schlecht recherchiert hat, und die Leute hinter der Aktion schon etwas genauer hingucken.

     

    Sorry, für diese schlechtgelaunte gelaunte Kritik, aber bei dem Thema geht mir bei Phrasendrescherei und oberfächlicher Betrachtung echt der Hut hoch.