Mission Wiederaufstieg: Trainer auf Bewährung
Herthas neuer Coach Markus Babbel gibt seine erste Audienz - und redet mehr als erwartet.
Markus Babbel ist wirklich ein freundlicher Mensch. Eigentlich war dieses Spiel am Samstag gegen den BFC Dynamo Berlin ja nichts weiter als eine öffentliche Übungseinheit. Morgens hatte der neue Hertha-Trainer sein Team noch das ganz normale Trainingsprogramm absolvieren lassen. Gegen den BFC Dynamo wurden deshalb außer Christoph Janker und Neuzugang Daniel Beichler zur Halbzeit alle ausgetauscht. Der Erkenntniswert der Partie tendierte also gegen Null.
Dennoch stand Babbel im Ludwig-Jahn-Sportpark gewissenhaft Rede und Antwort. Schon zur Halbzeitpause stellte er sich einem Fernsehteam für ein Interview zur Verfügung. Nach dem Abpfiff erläuterte er gar in einer Pressekonferenz, wie er seine 20 eingesetzten Spieler beim standesgemäßen 4:0-Erfolg gegen die Amateure gesehen hatte. Babbel teilte offenherzig mit, was ihm gefiel und missfiel.
Raffael, so Babbel, habe sich in der ersten Hälfte, anders als vorgesehen, zu weit zurückfallen lassen, und in der zweiten Halbzeit habe das Team nach gutem Beginn leider den Faden verloren. Als er auf die beiden Tore des erst 18-jährigen Neuzugangs Pierre-Michel Lasogga angesprochen wurde, strahlte er wie ein kleiner Junge, der von seinem neuesten Spielzeug erzählen soll. "Er muss zwar noch zulegen, aber er hat das gewisse Etwas, was ein Stürmer braucht."
Das war mehr, als man von Babbel erwarten konnte. Der gebürtige Münchner fiel bei seinem ersten und einzigen Auftritt in Berlin vor dem Zweitligasaisonstart gegen Oberhausen am 20. August durch seine verbindliche und freundliche Art auf. Für die energischen, teils erbosten Anweisungen am Spielfeldrand war Assistent Rainer Widmayer zuständig. Babbel selbst nahm sich einem Supervisor gleich zurück und beobachtete nur.
Zum Saisonstart bei Hertha hatte man noch den Eindruck gehabt, Babbel wolle sich als besonders bissiger Trainer beweisen. Als seine Spieler beim ersten Training schlechte Laktatwerte aufwiesen, machte er das zugleich öffentlich, ordnete Zusatzschichten an und sorgte für die Degradierung des Konditionstrainers. Dem noch jungen Coach eilt der Ruf nach, ein Spielerversteher zu sein. Dem versuchte er bereits nach seiner Entlassung beim VfB Stuttgart entgegenzuwirken. Er habe gelernt, sagte er vor einiger Zeit, dass man "manchmal auch die Peitsche rausholen muss". In Berlin machte er von dieser Einsicht sogleich aufsehenerregenden Gebrauch. Doch der dramaturgisch geschickt gesetzte Knall zum Amtsantritt genügt ihm vorerst offenbar als warnendes Zeichen.
Der Druck, unter dem der frühere Nationalspieler steht, ist immens. Nur im Falle des Wiederaufstiegs in die Bundesliga verlängert sich sein Vertrag. Nachdem Babbel in seinem ersten Trainerhalbjahr den VfB Stuttgart überraschend auf einen Champions-League-Platz führte, verantwortete er in der darauf folgenden Saison umso überraschender den Absturz des Vereins in den Tabellenkeller, was seine Entlassung zur Folge hatte. Babbel hat bislang nur die Extreme kennengelernt.
Auch bei Hertha hat man das Saisonziel nun so scharf umrissen, dass es keinen Raum zwischen Erfolg und Misserfolg geben wird. Wie Hertha kann sich Babbel kein weiteres Scheitern leisten. Er trainiert auf Bewährung. Seine Unterkunft symbolisiert das gut. Babbel, dessen Familie in München lebt, hat sich für die Saison in einem Berliner City-Hotel eingemietet. Dorthin kehrte er nach dem Sieg gegen Dynamo zurück.
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