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Pro & ContraNaziverbot für Kitas in Meck-Pomm?

Kommentar von A. Maier und D. Schulz

Darf man Rechtsextremen verbieten, eine Trägerschaft für Kindergärten zu übernehmen? Oder muss man so etwas in einer Demokratie anders lösen?

Dürfen die schon was von Nazis mitbekommen? Kinder in der Kita. Bild: dpa

P ro:

Keinen Fußbreit den Faschisten. Ganz klar. Und nicht mal einen Türspalt weit dort, wo sie Kindern ihre braune ideologische Suppe einlöffeln könnten. Der Erlass von Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Sozialministerin Manuela Schwesig ist restriktiv, ja. Doch die Forderung, die er erhebt, nämlich dass Pädagogen unterschreiben müssen, sich auf dem Boden des Grundgesetzes zu bewegen, ist angemessen.

Kindererziehung - das ist der Bereich, in dem der Staat es ruhig riskieren soll, als restriktiver Gesinnungsbüttel dazustehen. Denn Demokratie hält nicht alles aus. Schön wärs natürlich. Aber wer nun vollmundig behauptet, in Mecklenburg-Vorpommerns Kindergärten feiere der Radikalenerlass der alten Bundesrepublik fröhliche Urständ, der lebt vermutlich gemütlich in einer Mittel- oder Großstadt mit funktionierender Bürgergesellschaft und hat keine Ahnung, was im Nordosten dieses Landes läuft.

Dort nämlich, auf dem entvölkerten platten Land, haben die Rechten längst viel mehr zu sagen, als aufrechte Demokraten im Adenauer- oder Brandt-Haus sich vorstellen wollen. In einer Region, die die Bundespolitik mangels Wählern verloren gegeben hat, sind es heute die Jugendfeuerwehr oder der Anglerverein, die sich um die Jüngsten kümmern. Und wenn die Ausbilder dort NPD-Mitglieder sind oder die Kitaerzieherin Mitglied im Ring Nationaler Frauen ist - dann haben die Kinder von Kleinkleckersdorf eben Pech? Der Gedanke ist zynisch.

In einem Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern weiß man längst, dass es nicht reicht, auf die viel beschworenen demokratischen Kräfte zu vertrauen. Die müssen erst wieder gestärkt werden, und das würde - unter anderem - Geld kosten. Und gute Politik erfordern. Insofern ist der Erlass von Frau Schwesig auch ein Dokument von Hilflosigkeit und drohendem Scheitern. Aber noch ist es nicht so weit. Und bis dahin soll sich dieses Land gegen die Rechten wehren können. Dass Schwesigs Erlass nicht gegen die Falschen in Stellung gebracht wird - darum können sich ja die Demokraten in Berlin kümmern.

ANJA MAIER

ist Ressortleiterin der sonntaz

*************

Contra:

Der neue Radikalenerlass für Kitas mag als kämpferische Maßnahme daherkommen, er ist eine Kapitulation.

Wehrhafte Demokratie ist das Schlagwort, mit dem uns solcher Unsinn verkauft wird - so als wäre die Demokratie sonst ein harmloses Lämmchen. Das Wesen der Demokratie ist aber nicht friedlich, sondern kriegerisch. Es besteht im offenen, allerdings verbalen Kampf der Interessen, auch mit den undemokratischen. Wer diesem Kampf ausweicht, vertraut der demokratischen Auseinandersetzung offenbar nicht mehr.

Das gilt für Parteienverbote und auch für Erlasse, wie es sie nun für Kitaerzieher gibt, oder wie Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister sie 2007 schon einmal für die ehrenamtlichen Wahlämter Feuerwehrchef und Dorfbürgermeister verfügt hat. Dieses Zurückweichen kann gerechtfertigt sein, wenn sich der Gegner des demokratischen Systems als zu gefährlich erweist. Das aber ist in Mecklenburg-Vorpommern nicht der Fall. Denn im Land verfügt allein die recht kapitulationsbereite SPD, die neben dem Kita-Erlass bundesweit noch auf ein NPD-Verbot setzt, über mehr als fünfmal so viele Mitglieder wie die etwa 400 Leute starken NPDler. Selbst wenn die Hälfte davon SPD-Karteileichen wären, müssten doch immer noch genug übrig sein, um vor Ort auf Neonazi-Aktivitäten zu reagieren - wenn die Parteien denn die politische Auseinandersetzung suchen würden. Natürlich gibt es auch einige Gegenden, in denen es kaum noch Mitglieder der demokratischen Parteien gibt; in denen Rechtsextreme schon in den Freiwilligen Feuerwehren sitzen, in den Vereinen - trotz aller Erlasse. Wie man mit solchen Regionen umgehen soll, weiß derzeit niemand so recht. Gegenkulturen zu stärken würde helfen - und Geld kosten. Ein aufgesagtes Lippenbekenntnis zur Verfassung ändert dort aber gewiss gar nichts.

Für solch geringe Erfolgsaussichten möchten die Sozialdemokraten ein Mittel ganz nahe an den Berufsverboten der 1970er Jahre anwenden: ein Mittel, bei dem das Risiko besteht, dass es auf andere unbequeme Gruppen ausgedehnt wird.

DANIEL SCHULZ

leitet das Ressort taz zwei/Medien

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12 Kommentare

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  • G
    Goettrik

    Wer dieses Land "demorkatisch" nehnt,Den müßte man schon Seinen Posten in der Politik ohne Bezüge wettnehmen ! Danke für die neue DDR,aber es gibt Gerichte in Holland,die sich mit Menschenrechte beschäftigen ! Wo ist der §1 des Grundgesetzes ?

  • V
    vic

    Finger weg von den Kindern anderer Leute.

    Schlimm genug die Vorstellung, was sie den Eigenen antun.

  • S
    Sebastian

    Und was ist mit den Erziehern die linkes Gedankengut verbreiten? Ich hoffe doch auch das man das auch verbietet.

     

    Aber an solchen Dingen sieht man sehr gut wie weit faschistisches Denken verbreitet ist.

  • C
    Cdolf

    Naziträgerschaft für Kitas.Super. Vieleicht ist das, ein weiterer guter Schritt um dieses Land in den nächsten Abgrund,in den nächsten Krieg ,zu treiben, kann der Deutsche Nationalismus,nur so ,endgültig,ausgemerzt werden ?

  • P
    P.T.

    Goldig...

    Pro&Contra, Dick&Doof, Schwarz&Weiß...

    Wenn den Autoren der TaZ keine besseren Alternativen einfallen, wird auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung noch mancherlei vermeintliches Unkraut grünen. Keiner, auch nicht Faschisten, sollte mit einem Quasi-Berufsverbot in der Demokratie in die Knie gezwungen werden. Wenn wir es nicht schaffen, auch in den Medien, diesen Menschen und den Kindern Alternativen anzubieten, werden wir uns schon wegen unserer Unfähigkeit auf eine Seite schlagen.

  • E
    Euromeyer

    Wer schon mal erlebt hat, wie Kinder zugebundene Schuhe auf die Strasse geschickt werden, mit der Begründung "ich kniehe nicht vor Niggern", unter Beifall der `Erzieherinnen` auf Romakinder Schlamm geworfen wird oder Sklave und Herr gespielt wird, weiss dass alles akademische Grundlagengesülze Blödsinn ist. Rassisten gehören nicht in den Kindergarten. Wie sollen sich tolerante Bürger entwickeln, wenn sie schon zu Schnullernazis erzogen werden?

  • A
    A.Grech

    "Und bis dahin soll sich dieses Land gegen die Rechten wehren können."

     

    Also wieder mal "der Zweck heiligt die Mittel". Das es etwas absurd ist, mit diesem faschistischen Prinzip die Rechten abwehren zu wollen, scheint der Autorin nicht in den Sinn zu kommen.

  • SR
    S. Rühling

    Meine Kinder waren im Alter von 4 oder 5 noch nicht in der Lage, sich verbal gegen Erzieher mit nationalsozialistischer Einstellung zur Wehr zu setzen. Einem Kind mit Migrationshintergrund nützt der Nachbar, der in der SPD ist, wenig im konkreten Kindergartenalltag. Da ich möchte, dass alle Eltern in diesem Land ihre Kinder ohne Bachschmezen in den Kindergarten schicken können (auch wenn der Nachwuchs nicht blond und blauäugig ist) finde ich den Erlass von Fr. Schwesig sehr hilfreich und begrüßenswert. Sicher, es ist schlimm genug, dass solche Probleme nicht im Vorfeld durch Entscheidungen von Aufsichtsgremien, Intervention von Elternbeiräten etc gelöst werden und dass bestimmte Personalentscheidungen überhaupt gefällt werden- aber es beschreibt die Zustäne in diesem Land. Für mich als Mutter ist eine Lösung per Erlass zuwar hässlich, aber besser als Abwarten und Zuschauen.

  • S
    Steffi

    Ich bin ja im allgemeinen sehr für grundsätzlich-theoretische, politische Erwägungen, aber bei dieser Frage scheinen sie mir völlig unangemessen.

     

    Was Kitas angeht ist der springende Punkt ja wohl nicht so sehr, ob und inwiefern ein solches Verbot mit grundsätzlichen Eigenschaften der Demokratie kollidiert oder auch harmoniert.

    Der springende Punkt was Kitas angeht, ist dass in solchen mit rechtsradikaler Trägerschaft den Kleinsten vermittelt würde, dass es megageil ist, dass die Kita ausländerfrei ist und wer weiß, was sonst noch alles. Vielleicht, dass man Türken zusammenschlagen soll, wo man sie findet?

     

    Im übrigen würde sich diese Frage übrigens nicht stellen, wenn man die unzähligen Erkenntnisse zur Wichtigkeit frühkindlicher Bildung ernstnähme und as staatliche Kitaangebot flächendeckend und kostenlos wäre.

  • S
    sonnemann

    Die Berufsverbote in den 70igern lasten noch schwer und sind heute eines der Hauptargumente der LINKEN gegen konservative Geschichtsklitterung. Eine starke Demokratie muss das anders hinkriegen, insbesondere, wenn unsere Nachbarstaaten wie Frankreich und die Niederlande zeigen, dass man sich rechte Parteien leisten kann, ohne gleich dem Faschismus anheimzufallen. Meist wirtschaften sich solche Gruppen ganz von selbst an den Rand. Und ganz ehrlich: Im Falle der Qual der Wahl würde ich meine Kinder eher zu einem ordentlichen Bismarkanhänger schicken, als zu Nonnen, die wirre Geschichten über unbefleckte Empfängnis und den Segen des An's-Kreuz-Nagelns erzählen.

  • V
    vic

    Sicher würde der MLPD ebenso untersagt, Kinder zu verderben. Also ist es m.E. gerechtfertigt, die NPD wenigstens von den Kleinen und Wehrlosen fernzuhalten. Die Kinder sind nicht schuld daran, dass sie rechtsnationale Eltern haben.

  • C
    chibi

    Contra: Allen möglichen Interessensgemeinschaften ist es gestattet fremde Kindern, teilweise von Geburt an, in ihrem Sinne zu erziehen.

    Als bedeutenstes Beispiel dafür sind die christlichen Kirchen zu nennen. Sie dürfen Kinder von ganz klein auf mit ihren Ansichten indoktrinieren, sogar stattlich gewollt und gefördert.

     

    Dass diese Ansichten nicht weniger falsch oder gefährlich sind, als die der Rechten, ist wiederum Ansicht bedeutender Bevölkerungsanteile.

    Warum maßen wir uns ans hierbei zweierlei Maß anzulegen?

     

    Und spätestens, wenn es um die eigenen Kinder geht, kann jeder Veganer, Fleischesser, Raucher, Nichtraucher, Waffennarr, Pazifist, Menschenverachter, Alt-Hippie, Erzkonservative, Anarchist... seine Kinder in seinem Sinne (v)erziehen wie er es für richtig hältt, selbst wenn 99% der restlichen Bevölkerung dies für komplett falsch hällt.