Kuba im Strukturwandel: Markt durchs Hintertürchen

Kubas Ökonomie kränkelt. Deshalb will die Führung jetzt kleine Privatgeschäfte erlauben. Dort sollen sogar Angestellte arbeiten dürfen. Castro beteuert: Kuba bleibt sozialistisch.

Lecker Ferkel: Ihr Besitzer ist auf dem Weg zum Markt von Sagua La Grande, wo er sie verkaufen wird. Demnächst darf er sein Geschäft ein wenig größer aufziehen. Bild: rtr

HAVANNA dpa/afp | Angesichts der dramatischen Wirtschaftslage in Kuba will die kommunistische Führung künftig etwas mehr Privatwirtschaft als bisher zulassen. Präsident Raúl Castro kündigte am Sonntag bei der Plenarsitzung des Volkskongresses in Havanna an, dass Kubaner künftig kleine Geschäfte betreiben und Arbeitskräfte beschäftigen dürfen.

Echte Reformen in Richtung freier Marktwirtschaft wird es laut Wirtschaftsminister Marino Murillo aber nicht geben. Castro kündigte auch eine Reduzierung des "enormen Personalbestands" im Staatssektor an. Zahlen nannte er aber nicht.

Die Maßnahmen bedeuteten einen strukturellen Wandel, sagte der Präsident. Sie verfolgten das Ziel, das gesellschaftliche System des Landes zu entwickeln und für die Zukunft zu erhalten. Zugleich warnte Castro die Opposition vor subversiver Tätigkeit. In Anspielung auf die derzeit laufende Freilassung und Abschiebung von 52 politischen Häftlingen drohte er: "Niemand soll sich täuschen. Die Verteidigung unserer heiligen Errungenschaften, unserer Straßen und Plätze wird die erste Pflicht der Revolutionäre bleiben."

"Der Ministerrat ist überein gekommen, die Arbeit auf eigene Rechnung zu erweitern, als eine weitere Alternative für überzählige Arbeiter", erklärte der Präsident. Dazu würden Hindernisse und Verbote beseitigt und der Handel mit bestimmten Produkten erlaubt. Die kubanische Führung will mit den Maßnahmen in erster Linie die Produktivität der lahmenden Wirtschaft erhöhen, die seit Jahren vor dem Kollaps steht.

Vorreiter und Beispiel sind Privat betriebene Friseursalons, vor drei Monaten startete ein entsprechendes Pilotprojekt. Auch selbständige Taxifahrer gibt es schon.

Um ihre Eigeninitiative zu fördern, bekamen Friseure in Kuba vor drei Monaten die Erlaubnis, auf eigene Rechnung zu arbeiten. Sie mieten einen Laden vom Staat, legen ihre Preise eigenständig fest und bezahlen ihre Angestellten selbst. Sie müssen für ihre Lizenz zahlen und ihre Einnahmen versteuern. Selbstständige Friseure haben daher ein deutlich größeres Interesse als Staatsangestellte, mit handwerklichem Können und gutem Service bei den Kunden zu punkten - so jedenfalls der Gedanke hinter der Aktion. Für sie kann es sich finanziell lohnen, sich Verbesserungen im Dienste von König Kunde einfallen zu lassen. Bis zum Start des Pilotprojekts hatten Friseure vor allem vom Trinkgeld und vom illegalen Haareschneiden bei sich Zuhause gelebt.

Vor Journalisten hatte Minister Murillo am Rande der Planertagung bekräftigt, die Maßnahmen seien eher Aktualisierungen, aber keine Reformen. Sozialismus und Staatswirtschaft blieben in Kuba unangetastet.

Schon 1993 hatte Kuba selbstständige Arbeit zugelassen. Allerdings durften die "Arbeiter auf eigene Rechnung", wie die Selbstständigen in Kuba genannt werden, bisher keine Angestellten beschäftigen. Außerdem machte ihnen die sozialistische Bürokratie das Leben schwer. Es wurden nach einer Anfangsphase auch kaum noch neue Lizenzen vergeben. 95 Prozent der kubanischen Wirtschaft hängen vom Staat ab.

Als die Nationalversammlung ihn Anfang 2008 zum Präsidenten wählte, hatte Raúl Castro strukturelle Veränderungen angekündigt. Doch außer der Verteilung brachliegenden Landes an Bauern zur Erhöhung der Lebensmittelproduktion und der Schaffung einer Behörde zur Korruptionsbekämpfung war nichts daraus geworden.

Nach den Worten Castros sollen die Belegschaften in den Staatsbetrieben etappenweise verkleinert werden. Im April hatte er bei anderer Gelegenheit davon gesprochen, das eine Million der rund fünf Millionen Beschäftigten im Staatssektor überzählig seien. Jetzt kündigte er Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität an. "Man muss ein für alle mal mit der Vorstellung aufräumen, dass Kuba das einzige Land auf der Welt ist, in dem man leben kann, ohne zu arbeiten", sagte er.

Wie bereits in den vergangenen Jahren blieb auch am Sonntag der Sessel Fidel Castros frei. Nachdem der Revolutionsführer in den vergangenen zwei Wochen achtmal in Erscheinung getreten war und das Parlament beauftragt hatte, über vermeintliche Atomkriegsgefahren durch die USA im Nahen Osten zu beraten, war vermutet worden, er könnte an diesem Sonntag wieder auf die politische Bühne treten.

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