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Innenminister Wolf gibt sich geduldig

FDP-Innenminister Wolf verteidigt im Landtag seinen Vorstoß: Er will lange geduldeten Flüchtlingen in NRW ein Bleiberecht geben. Die Grünen werfen ihm Kaltherzigkeit vor, die SPD hofft auf Streit in der Regierungskoalition

DÜSSELDORF taz ■ Landesinnenminister Ingo Wolf (FDP) erntet mit seiner Bleiberechts- Initiative für lange geduldete Flüchtlinge nicht nur Beifall. Das zeigte gestern eine Sondersitzung des Innenausschusses im Landtag. Die Opposition wirft Wolf Halbherzigkeit und eine „Täuschung der Öffentlichkeit“ vor.

Auf der bevorstehenden Innenministerkonferenz der Länder (IMK) am 8. und 9. Dezember in Karlsruhe will Wolf folgenden Gesetzesentwurf einbringen: Geduldete, die sich seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalten und sich in einfacher Weise auf deutsch verständigen können, sollen ein Bleiberecht bekommen. Dafür müssen sie aber auch seit mehr als zwei Jahren sozialversicherungspflichtig arbeiten. „Wir wollen damit eine uferlose Ausweitung von sozialen Ausgaben verhindern“, so Wolf. Anders sei eine Altfallregelung in der IMK nicht konsensfähig.

„Ihr Gesetzesentwurf ist zynisch“, sagt Monika Düker, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag. Geduldete seien in einem Teufelskreis: „Ohne Arbeit kein Pass, ohne Pass keine Arbeit.“ Das würde bei der Initiative ignoriert: „Was der Staat den Geduldeten nicht gibt, wird jetzt gegen sie verwendet.“ Von der Initiative Wolfs könnten nur wenige profitieren.

Auch Flüchtlingsexperten hatten zuvor Wolfs Entwurf für unzureichend erklärt. Er könnte schätzungsweise nur 1.000 Personen in NRW zu einem Aufenthaltsrecht verhelfen – weitere 64.000 nicht anerkannte AsylbewerberInnen müssten sich weiter von Duldung zu Duldung hangeln. „Diese Kettenduldung wollte selbst Ex-Bundesinnenminister Schily abschaffen“, so Düker. Das Aufenthaltsgesetz gebe den Ländern durchaus die Möglichkeit, das Bleiberecht zu öffnen: Wenn faktische Ausreisehindernisse vorlägen, könne ein Geduldeter aus humanitären Gründen ein zunächst befristetes Bleiberecht erhalten. Man könne dann der Person ein halbes Jahr Zeit geben, eine Arbeit zu finden – wie in den USA. „Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern machen vor, dass man das Gesetz auch anders auslegen kann“, sagt Düker.

Der CDU-Abgeordnete Theo Kruse versucht die Fachkenntnisse der grünen Abgeordneten mit Macho-Getue abzutun: „Auch wenn Sie das auf ihre charmante Art vorgetragen haben, muss ich sie darauf aufmerksam machen, dass das Zuwanderungsgesetz keine Altfallregelung vorsieht“, sagt er in einem Altherrenton. Seine Partei habe immer betont, dass die Ausreisepflicht von Geduldeten Vorrang haben müsse.

Eine gute Gelegenheit für die SPD, den Dissens zwischen den beiden Koalitionspartnern zu thematisieren: „Steht Ministerpräsident Rüttgers überhaupt hinter ihnen, Herr Wolf?“, fragt ihn der SPD-Abgeordnete Karsten Rudolph. Die Regierung lasse den Innenminister zwar machen, sie vertraue aber darauf, dass die Innenministerkonferenz einer Bleiberechtsregelung nicht zustimme. Wolf will sich seinen Gesetzesentwurf nicht kaputt machen lassen: Es gebe viele Anzeichen für eine bundesweite „Öffnung in dieser Frage“. Er könne zwar auch nicht versprechen, dass er bereits bei der bevorstehenden IMK damit durchkommen würde, aber: „Manchmal muss man dicke Bretter bohren.“

NATALIE WIESMANN

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