die wahrheit: Neues aus Neuseeeland: Wer sind wir, und wenn ja, wie viele?
Es ist das einzige Thema, das die Nation wirklich bewegt. Blut zur Wallung bringt, Ängste schürt und Euphorie beschert...
... Nein, nicht Rugby. Es ist die Frage: Wer sind wir, und wenn ja, wie viele? Sehen die anderen uns auch so? Oder sehen sie uns etwa gar nicht? Das nennt man einen Kleines-Land-Komplex. Auf internationaler Ebene ist er das Äquivalent zum Short-Man-Syndrom.
Alle Jahre wieder führt das Gefühl des Zu-kurz-gekommen-aber-irgendwie-dennoch-was-Besonderes-Seins zu Umfragen im Land der langen weißen Wolke. Da wird dann ergründet, was einen echten Kiwi ausmacht: "How the world sees us". Und so sieht, zumindest nach der Zeichnung auf dem Titelblatt eines Nachrichtenmagazins, der Rest der Welt die Bewohner Aotearoas - falls man überhaupt weiß, wo das liegt, geschweige, was es heißt: ein Rugbyspieler mit Frodo-Ohren und Hobbit-Füßen, unter den mit Maorimotiven tätowierten Arm eine Oscar-Figur geklemmt, auf der Schulter ein Kiwivogel sitzend. Im Hintergrund lauern Geysire, Bergsteiger, Bungyspringer und ein Wal.
Im Heftinneren dann seitenweise Selbstreflexion mit Hilfe einer Werbeagentur, die die Psyche und Auffälligkeiten der Antipodenbewohner durchleuchtet. Denn natürlich ist das wahre Leben zwischen Invercargill und Kataia nicht so wie auf dem Titelblatt. Aber hier werden nicht die unschönen Statistiken zitiert, die man den Kiwis gern um die Ohren haut und die so gar nicht ins grüne Klischee passen, wie Übergewichtige, Teenagerschwangerschaften, zu Tode misshandelte Kinder und Selbstmorde - von all dem gibts zu viele. Nein, hier geht es um die Identität.
Sieben herausragende Charakterzüge hat Neuseeland demnach vorzuweisen. 1. Die beinahe spirituelle Beziehung zum Land. Kiwis lieben ihre Natur und sehen sie nicht als Feind, den es zu bezwingen gilt, so wie die Australier (also, nicht die Australier sind der Feind, sondern bei denen … genau!) 2. Kiwis lieben ihre Freiheit. Daher verhalten sie sich im übertragenen Sinne wie Teenager: Sie wollen ihr eigenes Ding machen, aber dennoch geliebt werden. 3. Männlichkeit auf allen Ebenen. Dazu gehört das angeborene Heimwerkertum: Do it yourself. 4. Sport, Sport, Sport. 5. Freundschaft. "Mates" bestimmen das Leben. Darin unterscheiden Kiwis sich am wenigsten von anderen Ländern. 6. Lockerheit, Understatement, Tiefstapeln. Nur in Neuseeland wird man erleben, dass die Kandidaten in einer Kochduell-Show von sich sagen, sie selbst sollten als nächstes gefeuert werden. 7. Lakonischer, selbstironischer Humor wie der von "Flight of the Conchords". Da sagt Dave in New York: "Ihr Jungs seht heute viel cooler aus. Normalerweise tragt ihr Klamotten aus den Siebzigern." Jemaine: "Sie sind nicht aus den Siebzigern, sie sind aus Neuseeland." Dave: "Ist das nicht das Gleiche?"
Wer es genauer wissen will, der kann zusätzlich die Checkliste "Du bist nur ein echter Neuseeländer, wenn …" durcharbeiten. Die gibt es an dieser Stelle demnächst als Fortsetzung. Denn, wie gesagt: Das Thema ist unendlich.
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