piwik no script img

Sommerfestival-Leiter Matthias von Hartz"Ambitioniert wie Oktopus-Carpaccio"

Für drei Wochen holt Kampnagel internationale Kunst und Theorie nach Hamburg - erstmals auch in die Deichtorhallen und auf die Alster.

Matthias von Hartz. Bild: Markus Scholz/Kampnagel
Interview von Holger Fröhlich

taz: Herr von Hartz, wie viele Zuschauer erwarten Sie zum Sommerfestival?

Matthias von Hartz: Letztes Jahr waren es 20.000. Dieses Jahr übertreffen wir das!

Ist das der Ökonom, der aus Ihnen spricht?

Nein, aber im Kulturbetrieb geht es heute erschreckender Weise doch immer wieder um Zahlen.

Aber es gibt doch auch im Theater Grenzen des Wachstums.

Sicher, wir waren ja letztes Jahr schon an der Kapazitätsgrenze. Dieses Jahr haben wir uns mit den Deichtorhallen allerdings noch etwas vergrößern können.

Sehen Sie einen Trend zur Festivalisierung der Sommerpause?

International ist das sicher ein Trend und das ist auch gut so. Aber Hamburg hat für seine Größe extrem wenige Festivals.

Matthias von Hartz, 40

ist zum dritten Mal künstlerischer Leiter des Sommerfestivals. Er studierte Ökonomie und Regie. Für das Schauspielhaus Hamburg realisierte er die Reihe "go create (tm) resistance" über die Folgen neoliberaler Globalisierung.

Welche Rolle spielt dabei die Krise?

Gelder aus der Wirtschaft gibt es überhaupt nicht mehr und bei den Stiftungen wächst der Druck, das aufzufangen. Aber wir kommen klar.

Welchen Anspruch haben Sie mit dem Sommerfestival?

Ich bin der Überzeugung, dass die Gesellschaft derart durchökonomisiert ist, dass Kulturinstitutionen zu den wenigen Freiräumen gehören, in denen noch nicht alles kapitalistischer Logik unterworfen ist. Deshalb ist es ihre Aufgabe, sich auch kritisch mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Diesen Anspruch habe ich an Kulturinstitutionen generell.

Sie leiten das Festival seit 2008. Was haben Sie aus den vergangenen zwei Jahren gelernt?

Als ich zum Festival gekommen bin, habe ich die Sparten Musik und Bildende Kunst dazugenommen und einen inhaltlichen Schwerpunkt eingebunden, der sowohl diskursiv als auch künstlerisch bearbeitet wird. Was ich dabei gelernt habe, ist die erfreuliche Nachricht, dass die Leute auch bei 30 Grad im Sommer gewillt sind, sich mit Inhalt auseinanderzusetzen. Die wollen nicht nur reine Sommerunterhaltung.

Ihr Schwerpunkt dieses Jahr ist Wasser.

Wasser hat diese Stadt reich gemacht, Wasser macht diese Stadt schön, Wasser bringt diese Stadt dazu, dass sie denkt, sie müsse sich ausschließlich um Touristen kümmern. Und Wasser wird auch hier privatisiert. Mit dem Projekt von Ligna schlagen wir deshalb auch den Bogen vom poetischen Element Wasser zum Gentrifizierungsdiskurs.

Verweist Kunst nicht eher auf Missstände als auf Lösungen?

Es geht nicht um Lösungen. Künstler haben andere Methoden und Interessen als Wissenschaftler und damit andere Perspektiven. Kunst ist in der Lage, Themen für Menschen zugänglich zu machen, die sich sonst nicht damit beschäftigt hätten.

Beschränkt sich zivilgesellschaftliches Engagement im Theater nicht auf ein Publikum, dass sich ohnehin schon für die Materie interessiert?

Erstaunlicherweise ist das ein geringeres Problem, als man denkt. Die Verbindung von Diskurs und Kunst erweitert das Publikum. Die einen stoßen über das Thema auf die Kunst und die anderen führt die Kunst zum Diskurs.

Gibt es einen reduzierten Eintrittspreis für Bedürftige?

Ermäßigt kostet der Eintritt acht Euro. Wobei Diskussionen und Installationen sowieso frei sind.

Wäre das Festival eine Speise, wie würde es schmecken?

Das ist durch die Erweiterungen schwieriger geworden. Vorher hätte man sagen können: Spaghetti-Eis oder Erdbeertorte. Aber heute ist das ein Menu mit einer ambitionierten Vorspeise wie Oktopus-Carpaccio oder so, in der Mitte gibt es dann ordentlich Fleisch - ohne Soße, zwischendrin so komische Sachen wie Mousse au Chocolat mit Fleur de Sel und Kardamom und zum Schluss gibt es noch schweren Käse.

Das klingt ausgefallen. Was wird das Außergewöhnlichste auf dem Sommerfestival sein?

Das "Nature Theater of Oklahoma" führt in der Musical-Stadt Hamburg ein eigenes Musical auf - aber eben nicht den nächsten Disney-Quatsch, sondern den heißen Scheiß aus New York.

Wie würden Sie einen theaterfernen Jugendlichen zum Sommerfestival einladen? Sie haben eine SMS, das sind 160 Zeichen.

Künstler aus aller Welt, exklusive Konzerte, Biergarten am Wasser. Geh da hin. Die Anderen sind auch da.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • S
    Shlomo

    Ein geniales Festival - würde es in Berlin stattfinden, dann würde es sogar im Kulturteil der überregionalen Zeitungen auftauchen und nicht im "Nord"-Teil.