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Rollenvorbild Soap-OperaIngenieurin dank Dr. House

Durch amerikanische Krankenhausserien werden deutsche Mädchen animiert, technische Berufe zu ergreifen. Deutsche Soaps motivieren nicht in dieser Form.

Ein "Geek Girl", also eine Frau, die sich besonders für Computer und Technik interessiert. Bild: Ed Yourdon – Lizenz: CC-BY-SA

Dr. House, CSI und Greys Anatomy sind gut für junge Frauen und Mädchen: Die amerikanischen Krankenhaus- und Forensikserien fördern das weibliche Selbstverständnis und wecken Interesse an naturwissenschaftlichen und technischen Berufen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die die Technische Universität Berlin (TU) in den vergangenen anderthalb Jahren unter 14- bis 19-Jährigen durchgeführt hat. Deutsche Serien und Soaps wie Sachsenklinik, Marienhof und Verbotene Liebe leisten das nicht.

Die amerikanischen Serien zählen zu den Lieblingsfernsehformaten junger Frauen, hat die Studie herausgefunden. Ein wesentlicher Unterschied zwischen ihnen und den deutschen Soaps sei die Darstellung von Geschlechterrollen, sagt Studienleiterin Marion Esch. "In den amerikanischen Serien gibt es toughe Ärztinnen und Profilerinnen, die sich über ihren Beruf definieren. Die Frauen in den deutschen Serien sind zwar auch berufstätig, stehen aber vor allem mit ihren Beziehungen im Vordergrund. Ingenieurinnen kommen im deutschen Fernsehen nicht vor."

Jugendliche suchten in den Serien nach Vorbildern für "modernes Frau- und Mannsein" sowie nach einer Berufsorientierung, sagt Esch. Mit ihrer Studie hat die Professorin für Chancengleichheit in der Ingenieursausbildung an der TU britische und amerikanische Untersuchungen bestätigt: Junge Frauen in naturwissenschaftlichen Studiengängen treffen ihre Berufswahl vielfach wegen der weiblichen Vorbilder in den amerikanischen Serien. "Damit liegen die fiktionalen Fernsehformate über der institutionellen Berufsorientierung", sagt Esch. Vereinfacht gesagt: Schule und Lehrer haben weniger Einfluss.

Trotzdem ist der Frauenanteil in Technikberufen seit Jahren gering. Nur jeder fünfte Studienabsolvent in den Ingenieurswissenschaften ist laut Statistischem Bundesamt eine Frau. Später im Berufsleben ist die Kluft zwischen Frauen und Männern noch größer: Nur jeder zehnte Ingenieur ist weiblich. Nicht einmal drei Prozent beträgt der weibliche Anteil der Auszubildenden in Metallberufen, fand das Bundesinstitut für Berufsbildung heraus. Mädchen wählen nach wie vor "Frauenberufe".

"Mädchen sind im technischen Bereich mindestens so schlau wie Jungs", sagt Annemarie Cordes. Die Berliner Soziologin ist so etwas wie eine Lobbyistin für die sogenannten MINT-Berufe (Mathematik, Ingenieurswissenschaften, Naturwissenschaften, Technik): Sie wirbt für tasteMINT, ein Assessment-Verfahren, mit dem Abiturientinnen ihre Stärken (und Schwächen) in MINT-Fächern erproben können.

Inzwischen hat auch die Regierung erkannt, dass Deutschland ohne technikaffine Frauen nicht mehr auskommt. In den letzten zwei Jahren wurden zahlreiche Programme aufgelegt, um junge Frauen für MINT-Berufe zu begeistern. Beteiligt sind Universitäten, Unternehmen und Gleichstellungsprojekte.

Während populärwissenschaftliche Sendungen wie "Wissen vor 8" eher von höher gebildeten Schichten konsumiert würden, erreichten Vorabendserien auch bildungsfernere Schichten, besagt die Studie. So schauten 67 Prozent der Hauptschülerinnen und 57 Prozent der Gymnasiastinnen täglich oder mehrmals in der Woche Soaps. Dass im deutschen Fernsehen Frauen in technischen Berufen kaum eine Rolle spielen, liege auch daran, dass DrehbuchautorInnen und ProduzentInnen "oft nicht wissen, was beispielsweise eine Elektrotechnikerin macht. Also wird sie nicht ins Drehbuch geschrieben", erläutert Esch.

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4 Kommentare

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  • AN
    Arno Nym

    @Lulu: "Genau, über den Beruf definieren, das sollen Frauen unbedingt machen, dann sind sie endlich emanzipiert."

     

    Klar doch. Emanzipation ist erst erfolgreich, wenn die Frauen alles so schlecht machen dürfen und können wie die Männer auch.

     

    Dr. House im Titel machte mich schmunzeln - ist er doch ein menschenverachtendes Ekelpaket mit mehr Komplexen als man in der Summe einer psychiatrischen Abteilung vorfindet. Und der soll Frauen ermutigen? Naja, vielleicht als Negativ-Beispiel.

     

    Meine Hypothese ist, dass die Berufswahl vom Umfeld bestimmt wird. Welche Berufe sind bekannt, welche unbekannt? Lehrer kennen alle, denn die sehen sie täglich. Mediziner, Juristen, und Manager (BWLer) sind präsent. Dann gibt es noch die eigene Familie und das Umfeld. Und der Rest kommt nicht auf den Schirm.

     

    So gut wie alle weniger bekannten Studiengänge haben derzeit Probleme mit der Auslastung, auch ganz geschlechterunabhängig.

     

    Lieber machen sich die jungen Menschen unglücklich und glauben, alle Lehrer werden zu müssen.

  • SH
    Sebastian Hamm

    Der Aufmacher ist ziemlich doof. Alle genannten amerikanischen Serien (Dr. House, CSI und Greys Anatomy) sind wöchentliche Sendungen, die mit großen Budget produziert werden und in sich abgeschlossene Handlungen haben. Marienhof u.ä. sind tägliche, billig produzierte daily soaps. Die gibt es in den USA genau so und sind dort genau so dämlich.

     

    Das ist ein bisschen so, als würde man sagen "Englische Druckerzeugnisse vermitteln viel mehr Wissen als deutsche. Aus dem Oxford Dictionary kann man unheimlich viel lernen, was man von den Flyern, die ich immer von Pizzaläden und Umzugshelfern im Briefkasten habe, nicht sagen kann... Apropos Pizza, die Soziologin..."

  • L
    Lulu

    "Junge Frauen in naturwissenschaftlichen Studiengängen treffen ihre Berufswahl vielfach wegen der weiblichen Vorbilder in den amerikanischen Serien"

     

    Das klingt gruselig, ich will nicht wissen, was für Entscheidungen solcher Frauen noch von amerikanischen Serien beeinflusst werden. Zumal es sich wahrscheinlich um kluge Frauen handelt. Und die Frauen in solchen Serien handelt oft- trotz ihrer 1,0 Abschlussnote- völlig irrational und kompromisslos.

    Schrecklich, welchen Einfluss das Fernsehen scheinbar auf manchen hat.

     

    "In den amerikanischen Serien gibt es toughe Ärztinnen und Profilerinnen, die sich über ihren Beruf definieren"

    Genau, über den Beruf definieren, das sollen Frauen unbedingt machen, dann sind sie endlich emanzipiert.

  • R
    runzbart

    ist eine soziologin nicht die denkbar schlechteste lobbyistin für mint-fächer?

    das wär ja so, als ob mir ein ingenieur den altenpfleger-beruf schmackhaft machen möchte, da würd ich mir veräppelt vorkommen.