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Jurist über mögliche Sarrazin-Kündigung"Vorstände sind Vertrauenspersonen"

Täglich provoziert Bundesbanker Sarrazin mit neuen fragwürdigen Thesen zur Migration. Rechtsexperte Schwintowski erklärt, wie die Bundesbank ihn feuern kann.

Die Bundesbank sollte Konsequenzen ziehen, meint Jurist Schwintowski. Bild: dpa
Ulrike Herrmann
Interview von Ulrike Herrmann

taz: Herr Schwintowski, sollte sich die Bundesbank von Thilo Sarrazin trennen?

Hans Peter Schwintowski: Ja. Die Kontroverse um Sarrazin ist so weit gediehen, dass man darüber nachdenken muss.

Sarrazin scheint sich sicher, dass er nicht entlassen werden kann: Er habe nur von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Irrt er?

Hans Peter Schwintowski

62, ist Professor für Bürgerliches Recht, Handels-, Wirtschafts- und Europarecht an der HU Berlin. Zu seinen Schwerpunkten gehört das Bank- und Kapitalmarktrecht.

Natürlich ist die Meinungsfreiheit ein sehr hohes Gut. Aber dagegen steht ein zweites wichtiges Gut: das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Währung und der Kapitalmärkte. Nach meiner Auffassung kann Sarrazin dieses Vertrauen nicht mehr verlässlich vermitteln, nachdem er öffentlich polarisiert hat.

Sarrazin äußert sich zur Migration. Wo ist da der Zusammenhang zur Geldwertstabilität?

Es geht nicht um die inhaltlichen Positionen von Sarrazin, sondern um sein Verhalten: Er hat bewusst eine bundesweite Kontroverse provoziert. Stellen Sie sich vor, es droht eine neue schwere Finanzkrise, und Sarrazin erklärt wie einst Angela Merkel: "Die Spareinlagen sind sicher." Das würden ihm viele nach den jetzigen Diskussionen nicht mehr glauben. Geld ist ein besonders heikles Gut, das nur funktioniert, solange die Bevölkerung nicht an den Institutionen zweifelt, die es garantieren. Bundesbank-Vorstände müssen daher Vertrauenspersonen sein. Dieses Vertrauen hat Sarrazin erschüttert, indem er seine Meinungsfreiheit bis an die Grenze ausgereizt hat.

Sarrazin ist für Computer, Risikokontrolle und Revision zuständig. Die Geldwertstabilität obliegt der Europäischen Zentralbank. Da ist doch egal, was er in seiner Freitzeit äußert.

Trotzdem haben Sarrazins Äußerungen eine Rückwirkung auf die Funktionsfähigkeit der Bundesbank und damit auf die Europäische Zentralbank. Für die Vertrauenswürdigkeit ist nicht nur Bundesbankpräsident Axel Weber zuständig, sondern der gesamte Vorstand.

Nach dem Verhaltenskodex der Bundesbank müssen Vorstandsmitglieder auf das Ansehen der Bank achten und ihr Vertrauen in der Öffentlichkeit erhalten und fördern. Ein rechtlicher Hebel gegen Sarrazin?

Der Verhaltenskodex formuliert nur aus, was sich aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und dem Bundesbankgesetz ergibt.

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10 Kommentare

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  • G
    Genetiker

    Wenn S behauptet alle Basken etc haben ein bestimmtes Gen (übrigens zitiert er aus einer Wissenschaft. Studie ) dann bedeutet das nur: alle anderen Bevölkerungsgruppen besitzen dieses Gen ebenso. Was daran ist rassistisch? Ich meine jeder kann einen Russen, Araber, Asiaten, Afrikaner, Schweden etc. unterscheiden. Und, woran liegt das wohl? Etwa am Schminkkoffer oder an den Genen?

     

    Nur um S in die rechte Ecke zu drängen werden Filter eingesetzt. Damit die Mehrheit schön aufbereitete Nahrung zu sich nehmen kann. Wohlschmeckend aber keineswegs gehaltvoll.

  • C
    Celsus

    Da wird jetzt über einige Medien berichtet, dass da Bevölkerungsteile hinter den Thesen von Sarrazzin ständen. Ich wurde nicht von irgendwem nach meiner Meinung befragt udn weiß nicht einmal, ob diese Umfragen vertrauenswürdig udn zutreffend sind. ZUdem gab es in der Geschichte immer wieder den fürchterlichsten Unsinn, der von nicht wenigen Menschen geglaubt wurde. Und selbst eine Partei, die niemals die absolute Mehrheit erreichte, konnte geschichtlich schlimmen Schaden in Deutschland anrichten.

     

    Mit Sorge beobachte ich, wie rechtsextreme Thesen wieder hoffähig gemacht werden. Wundersamer Weise scheint es Menschen zu geben, die mal einfach so schlucken, dass alle Juden ein Gen gemeinsam hätten. Pseudowissenschaftlicher Unfug, den ich nur in Geschichtsbüchern über den Hergang einer Tragödie vermutet hätte, die zum Tod von vielen Menschen innerhalb und außerhalb Deutschlands führte. Das sagt man nicht mal so eben versehntlich dahin. Das hat ein Ziel und einen Zweck.

     

    Mein Vertrauen in die Geisteskraft und ethische Integrität eines Herrn Sarazzin ist damit endgültig und irreparabel beschädigt. Wenn ich aus berufenem Munde höre, dass in der SPD-Basis Sympathisanten dieser Meinungen vorhanden sind, hätte ich gerne deren Beobachtung durch den Verfassungsschutz, falls der Dienst überhaupt einen Sinn und Zweck hat.

     

    Und ich erinnere mich nicht, dass beim Ausschluss sympathischer Menschen aus der SPD, die sich höflcih und korrekt gegen Hartz IV wandten, dann darauf hingewiesen wurde, andere SPD-Mitglieder von der Basis seien auch dessen Meinung. Obwohl dies bei Veith Wilhelmy eindeutig der Fall war, blieb das in der Presse unerwähnt. Da vermute ich einfach den Sinn hinter schon ein sanftes Umgehen mit Herrn S. der Öffentlichkeit schmackhaft zu machen. Für die SPD gibt es eben schlimmeres als Rassismus: Die Ablehnung der Hartz IV-gesetzgebung.

  • S
    Sebastian

    Seit wann sind Vorstände Vertrauenspersonen? Das hörte sich doch sonst immer ganz anders an während der Finanzkrise. Woher dieser Sinneswandel?

  • V
    vantast

    Ist das die wehrhafte Demokratie? Politisch Unkorrekte auszusondern, fertigmachen? Es wäre eine gute Möglichkeit, in Diskussionen u.a. klar zu machen, daß es im Menschengeschlecht keine Rassen gibt. Kleine Unterschiede natürlich, für jeden sichtbar, aber das reicht alles nicht für eine Rassendefinition, geschweige eine Rangfolge hierin.

    Abschrechende Beispiele gibt es genug, hätten die Belgier nicht aus Gründen der Gier keine Rangfolge bei Tutsi und Hutu geschaffen, hätte es das Massaker nicht gegeben. Die Separation erleichtert immer das töten der anderen, natürlich niedrigeren.

  • R
    R.E.

    Ich habe ja schon viel Quatsch zu dem Thema gelesen, und ich meine wirklich extremen Quatsch. Aber das ist nochmal eine Spur härter, ihr tazler lebt echt nicht auf dem Planeten Erde oder in unserer Realität. Ich musste es mehrmal lesen um es zu glauben was da steht. Also mal ein paar Hinweise, damit ihr zurückfindet:

     

    1. Sarrazin hat die Mehrheit hinter sich.

    2. An seinen Thesen ist gar nix unseriös.

    3. Die EZB ist für die Währungsstabilität verantwortlich.

    4. Wer Bankern was glaubt ist eh dumm und selber schuld, und für Zentralbanker gilt das erst recht.

    5. Herr Sarrazin tritt in dem Fall sicher nicht vor die Kameras, denn er ist seit der letzten Hetzkampagne nur noch für die EDV zuständig.

    6. In der Bundesbank arbeiten genug andere Banker.

     

    Fazit: Erstmal nachdenken bevor man einen Artikel schreibt.

  • P
    petron

    "Natürlich ist die Meinungsfreiheit ein sehr hohes Gut. Aber dagegen steht ein zweites wichtiges Gut: das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Währung und der Kapitalmärkte."

     

    Ich finde es ehrlich gesagt befremdlich, wenn demokratische Freiheitsrechte den Funktionsmechanismen des sogenannten freien Marktes untergeordnet werden. Derartige Aussagen lassen tief blicken in Bezug auf das Demokratie- und Rechtsverständnis unserer Experten für Wertschöpfung und Rechtspflege.

     

    Die Ebene der persönlichen Betroffenheit der Opfer Sarrazins blendet Professor Schwintowski komplett aus und vermittelt den Migranten und Migrantinnen in Deutschland damit das Gefühl, dass sich in Deutschland keiner um sie kümmern würde.

     

    Mit seiner Akzentuierung der Problematik führt Professor Schwintowski dem Leser eindrucksvoll vor Augen, woran die Integrationspolitik in Deutschland gescheitert ist.

     

    Für diese ganze Debatte und die Art und Weise wie sie geführt wird kann man sich nur entschuldigen.

  • A
    Ahmet

    na bitte, es gibt also Argumente für eine Kündigung. Mal ehrlich: Wenn einer von uns in einem Betrieb auf die Pauke haut oder mit seinem Privatleben eine Riesenposse abzieht. Wir fliegen doch sofort raus und unsere Rechtschutzversicherung schickt uns ein Kündigungsschreiben.

    Das ist die Wahrheit.

  • W
    Wildschwein

    Soso, das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität der Bundesbank wäre erschüttert? Haben Sie vielleicht übersehen, dass der weitaus größere Teil der Bevölkerung Thilo Sarrazin gerade auch wegen seines Buches vertraut?

  • F
    Ficino

    Da äußert sich ja der richtige!

    http://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Peter_Schwintowski#Plagiatsvorw.C3.BCrfe

    Es bleibt äußerst bedauerlich, dass Markschies seinerzeit nicht durchsetzen konnte, dass sich die HU von dieser Luftnummer eines Juristen trennt. Mal sehen, ob Axel Weber seinen Laden besser im Griff hat...

  • W
    Wütend

    Das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Währung habe ich nicht durch Herrn Sarrazin, sondern durch den sogenannten Euro-Rettungsschirm, mit dem die Kanzlerin Kinder und Kindeskinder verpfändet, verloren.

    Daß es eine Verfassungsklage dagegen gibt, scheint A. M. nicht zu beirren. Statt dessen exponiert sie sich bei der Abschaffung der Meinungsfreiheit und setzt auch noch die Bundesbank unter Druck, anstatt einfach den Mund zu halten (was sie sonst so gut kann) und abzuwarten, ob es sachliche Argumente aus der Öffentlichkeit gegen Sarrazin gibt. Wenn sie schon jemand aus dem Amt drängen will, hätte sie bei Özkan, die mit ihrer Mediencharta eine eindeutig grundgesetzwidrige Forderung erhoben hat, eine gute Gelegenheit gehabt.