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Bürgerrechtler John Lewis über Tea-Party"Dieser Gospel ist mir fremd"

Die rechte "Tea Party"-Bewegung vertieft die Spaltung der Gesellschaft. Doch sie wird vorübergehen, glaubt der Bürgerrechts- veteran John Lewis.

Tea-Party-Aktivist und Fernsehmoderator Glenn Beck auf dem Lincoln Memorial. Bild: ap
Bernd Pickert
Interview von Bernd Pickert

taz: Herr Lewis, Sie haben 1963 beim "Marsch auf Washington" gemeinsam mit Martin Luther King vor dem Lincoln-Denkmal gesprochen. Vergangenen Samstag, 47 Jahre später, standen der rechte Fernsehmoderator Glenn Beck und Sarah Palin am selben Ort. Was dachten Sie da?

John Lewis: Ich kann nicht verstehen, wie dieser Mann sich ausgerechnet an einem 29. August da hinstellen und behaupten kann, er würde Amerika einen und seine Bewegung wäre die neue Bürgerrechtsbewegung. Glenn Beck ist ein Spalter, kein Vereiniger. Er predigt nicht den gleichen Gospel, wie ihn Martin Luther King gepredigt hat.

Sind bei der "Tea Party"-Bewegung auch rassistische Töne zu hören?

Die Bewegung an sich würde ich nicht rassistisch nennen. Aber es gab Leute, die mir das N-Wort nachgerufen haben, als ich durch eine "Tea Party"-Demonstration gegen die Gesundheitsreform ging, und einige trugen rassistische Plakate mit sich. Da heißt es auch, Obama sei "keiner von uns", er sei Sozialist. Und viele Leute glauben, er sei kein Christ, sondern Muslim und gar nicht in Amerika geboren. Wer auf so einer Stimmung aufbaut, vertieft die Spaltung des Landes.

Offensichtlich können Glenn Beck und Sarah Palin ja viele Menschen mobilisieren, wie sich bei der Kundgebung in Washington gezeigt hat.

ap
Im Interview: 

John Lewis, 70, ist der letzte noch lebende Redner des March on Washington von 1963. Er sitzt seit 1987 für die Demokraten im US-Repräsentantenhaus und war als Gast der Congressional Study Group in Berlin.

Eine gewisse Fraktion setzt alles daran, Präsident Obama zu dämonisieren und seine Präsidentschaft zu zerstören. Einige republikanische Kongressmitglieder haben öffentlich gesagt, dass sie Präsident Obama Misserfolge wünschen und ihn scheitern sehen wollen. Aber ich glaube, die große Mehrheit der US-Bevölkerung möchte, dass der Präsident Erfolg hat, sie wollen ihn nicht scheitern sehen.

Obamas Zustimmungsraten sinken, und die Demokraten müssen fürchten, bei den kommenden Kongresswahlen eine herbe Niederlage zu kassieren. Ist das einfach unfair?

Es ist ein bisschen ungewöhnlich für einen Präsidenten und eine Partei, die so viel Gutes hinbekommen haben. Aber es gibt in Amerika die Tradition, dass bei den ersten Halbzeitwahlen eines neuen Präsidenten die regierende Partei ein Paar Sitze verliert. Wir können es uns allerdings nicht leisten, mehr als 39 Sitze abzugeben - sonst verlieren wir die Kontrolle über das Repräsentantenhaus, und das darf nicht passieren.

Sie gehören dem Kongress seit bald 24 Jahren an. Wie macht sich die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft im Kongress bemerkbar?

Als ich das erste Mal in den Kongress gewählt wurde, gab es es viel mehr parteiübergreifendes Arbeiten, gemeinsam vorbereitete Gesetzentwürfe. Das gibt es immer noch ein bisschen. Einige von uns sind gute Freunde geworden, wir arbeiten zusammen, reisen zusammen.

Aber es scheint, als ob die republikanische Führung ihre Senatoren und Abgeordneten geschlossen in eine radikale Opposition geführt hat.

Ich kenne Abgeordnete, die der Meinung sind, es sich nicht leisten zu können, für einen Gesetzentwurf des Präsidenten zu stimmen. Sie möchten eigentlich ganz gern, dass er durchgeht, aber sie wollen nicht dabei erwischt werden, dafür gestimmt zu haben.

Auf der Rechten macht die "Tea Party" Druck auf der Straße. Auf der Linken hingegen sieht man mehr Enttäuschung und Lethargie. Warum ist der Elan so ungleich verteilt?

Linke und Liberale haben 2008 einen großen Sieg errungen und sich dann zurückgelehnt. Aber ich sage es immer wieder: Wir können uns das nicht leisten, wir müssen weiter organisieren und mobilisieren. Und wir haben die Kräfte, das zu tun. Wir schlafen nicht. Ab der nächsten Woche werden die Leute unterwegs sein.

Können Sie sich für die Präsidentschaftswahlen 2012 noch einmal eine solche Unterstützung für Obama vorstellen wie bei den letzten Wahlen?

Wir werden Hunderttausende sehen, die zusammenkommen, um ihn zu unterstützen. Die Leute wissen, dass er wichtig ist für die Zukunft unseres Landes und unser Verhältnis zum Rest der Welt. Sie erkennen an, was er erreicht hat. Und noch ist ja völlig offen, gegen wen er antreten wird.

Kann eine republikanische Partei, die so weit nach rechts rückt, damit noch Wahlen gewinnen?

Ich denke, das ist eine vorübergehende Erscheinung, die mit der schlechten wirtschaftlichen Lage zu tun hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Amerikaner langfristig die extreme Rechte wählen. Aber man muss auch sehen, dass Leute wie Glenn Beck, Rush Limbaugh und Sarah Palin mit ihren TV- und Radiosendungen, ihren Büchern und Vorträgen extrem gut dafür bezahlt werden, rechte Positionen unters Volk zu bringen.

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2 Kommentare

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  • D
    Daniel

    Einer der seltenen Menschen, die mir Respekt einflößen. John Lewis bringt die Dinge auf den Punkt, und jeder dieser Punkte ist bemerkenswert. Z.B.:

     

    "Linke und Liberale haben 2008 einen großen Sieg errungen und sich dann zurückgelehnt. Aber ich sage es immer wieder: Wir können uns das nicht leisten, wir müssen weiter organisieren und mobilisieren."

     

    Wie auch Obama immer sagte, er werde den Wandel nicht alleine schaffen. Aber er kann wohl kaum sagen: "Hey Leute, geht auf die Strasse und macht mir Druck für den Change! Zeigt dem Land, was euch wichtig ist! Dann kann und muss ich reagieren. Überlasst das Feld doch nicht den geistig Ärmsten und ihren verlogenen Demagogen!"

     

    Wird denn der Change überhaupt noch gewollt??? Hoffe, die Leute bewegen wenigstens zu den Wahlen ausnahmsweise mal wieder ihren Arsch!

     

    Respekt!

  • E
    erikius

    Manchmal wünsche ich mir bei der TAZ eine Art Leitfaden, in denen sie Begriffe, die sie inflationär oft gebrauchen, erklären. Ganz oben steht rechts (ich bin mir nicht sicher, ob hier eigentlich konservativ gemeint ist). Aber auch rassistisch, demokratisch, faschistisch. Wenn die TAZ so einen Sprachschlüssel veröffentlicht, dann kann man die manchmal etwas verworrenen Artikel und Meinungsbilder auch ins Deutsche übersetzen.

    Dieses Interview ist wieder so ein Fall, es wird in den Fragen einfach vorausgesetzt, dass die Tea-Party rechts sei. Aus den Antworten ist das nicht heraus zu lesen. (und für alles Echauffierten: Natürlich habe ich die erste Antwort gelesen, aber wenn ein paar auf einer so großen Demo dämliche Sachen hochhalten, lässt das nicht auf die Bewegung schließen - denn sonst wäre ja jeder Gewerkschaftler ein gewaltbereiter AntiFant).