DREI FRAGEZEICHEN: „Das Urteil ist mir ein Rätsel“
HIRNTOT? Nach mehrfachem Aufschub soll Warren Hill, ein geistig behinderter Häftling in den USA, heute hingerichtet werden
taz: Frau Torges, Warren Hill hat mehrfach gemordet. Beim zweiten Mord hat er ein Brett mit Nägeln gespickt und einen Mithäftling erschlagen. Das wirkt nicht geistig behindert, sondern sehr berechnend.
Burga Torges: Und genau das ist das medizinische Problem. Handlungen geistig behinderter Menschen wirken nach außen hin oft geplant. Was sie aber nicht sind. Genau deshalb brauchen diese Menschen doch einen gesetzlichen Schutz.
Er soll also wegen seines niedrigen Intelligenzquotienten nicht exekutiert werden?
Warren Hill hat einen IQ von unter 70 Punkten. Damit gilt er nach offiziellen Maßstäben als geistig behindert und dürfte gesetzlich nicht zum Tode verurteilt werden. Weder das Gericht noch zuständige Fachleute haben bisher erklärt, wieso dieses Recht für Hill nicht gelten soll. Das Todesurteil ist mir daher ein Rätsel.
Das Gericht argumentiert, dass das Ausmaß der geistigen Behinderung nicht klar erkennbar sei. Gibt es denn andere Kriterien, außer dem IQ, um geistige Behinderung juristisch zu erfassen?
Das ist sehr schwierig. Grundsätzlich tritt geistige Behinderung immer in Verbindung mit anderen individuellen Symptomen auf. Beispielsweise mit Hirnfehlbildungen oder Autismus. Das heißt, dass die Kriterien sich von Patient zu Patient unterscheiden und schwer zu verallgemeinern sind.
INTERVIEW: DMITRIJ KAPITELMAN
■ Burga Torges ist Sprecherin des deutschen Behindertenrats
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