piwik no script img

Ahlhaus-AffärePolitiker unter Dauerbeschuss

Hamburgs SPD-Fraktionschef Neumann hat schlagende Verbindungen als dumpfe Nationalisten bezeichnet. Seit Wochen fühlt er sich dafür von Anwälten und Briefeschreibern politisch und juristisch verfolgt.

Mit Farben und Narben: Aufmarsch schlagender Verbindungen beim Pfingsttreffen in Coburg. Bild: dpa

Michael Neumann ist in der Hamburger Politik bekannt für klare Worte. Und wenn der SPD-Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft nach schlagenden Verbindungen gefragt wird, klingt die Antwort zum Beispiel so: "Das sind dumpfe Nationalisten, der Verfassungsschutz überwacht sie." Das sagte der 40-jährige Hauptmann der Reserve in einem Interview mit dem "Hamburg Journal" auf NDR 3, nachdem die taz berichtet hatte, dass der seinerzeit designierte Hamburger Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) Gastmitglied (Conkneipant) der schlagenden Verbindung Ghibellinia in seiner Heimatstadt Heidelberg ist. Das war am 26. Juli, und seitdem fühlt Neumann sich politisch und juristisch verfolgt.

Das sei "ganz klar der Versuch, einen Abgeordneten einzuschüchtern und mundtot zu machen", sagt Neumann jetzt nach mehrwöchigem Dauerbeschuss. Dutzende Mails mit Schmähungen und Hasstiraden haben ihn erreicht, der Chef eines großen Hamburger Unternehmens klärte ihn in einem persönlichen Brief darüber auf, dass studentische Verbindungen "für Charakter und Freiheit und stolze Geschichte unseres Landes" stünden, ein Heidelberger Anwaltsbüro und die Kanzlei eines renommierten Hamburger Presseanwalts forderten Widerrufe und Unterlassungserklärungen. Ihre Mandanten sind die "Altherrenvereinigung der Turnerschaft im CC Ghibellinia zu Heidelberg e.V." und der "Verband Alter Herren des Coburger Conventes (AHCC) e.V.".

Dieser Dachverband von "mehr als 100 akademischen Landsmannschaften und Turnerschaften", so die Anwälte, beharrt darauf, dass keine seiner Mitgliedsverbindungen "von einem Landes- oder Bundesverfassungsschutz beobachtet wird". Darum solle Neumann seine Behauptung richtig stellen, sie "hinkünftig unterlassen" und umgehend die beigefügten Kostennoten begleichen.

Schlagende Verbindungen

Im Coburger Convent (CC) sind rund 100 Landsmannschaften und Turnerschaften mit 1.900 Aktiven und Inaktiven und rund 12.000 Alten Herren vertreten. Alle sind farbentragend und fechten die Mensur. Zu den Mitgliedern zählt auch die Heidelberger Ghibellinia.

Die Jahrestagung mit abendlichen Fackelmärschen findet zu Pfingsten im fränkischen Coburg statt. Dabei wurde das Deutschlandlied nach Angaben der Coburger Grünen zumindest bis in die 90er Jahre mit allen drei Strophen gesungen.

Die Verfassungsschutzämter nehmen zu ihren Beobachtungen von Verbindungen offiziell nicht Stellung. Deshalb kann auch der CC nicht wissen, dass Mitglieder nicht beobachtet werden.

In Hamburg bekannt ist die Beobachtung der "Germania". Diese ist allerdings nicht Mitglied des CC.

Zum CC gehört indes die Hamburger "Landsmannschaft Mecklenburgia (Rostock)". Diese wurde nach einem internen VS-Bericht, der durch eine Indiskretion öffentlich wurde, in den 1990er Jahren als "rechtsextremistisch beeinflusst" eingestuft und beobachtet. Über den aktuellen Stand schweigt der Verfassungsschutz.

Neumann tat nichts dergleichen, sondern schaltete seinerseits einen Anwalt ein. Der teilte den Beschwerdeführern mit, der frei gewählte Abgeordnete des Hamburger Volkes habe sie namentlich nicht genannt, sondern eine "allgemeine Aussage über schlagende Verbindungen gemacht". Offenbar werde hier der Versuch gemacht, "mit rechtlichen Mitteln Politik zu betreiben". Diese Vermutung wird durch dem Umstand gestützt, dass der NDR presserechtlich nicht behelligt wird. "An uns ist niemand herangetreten", sagt der verantwortliche Ressortleiter Jürgen Heuer, und auch die NDR-Pressestelle versichert nach Rücksprache mit dem Justiziariat, es gebe "keinen solchen Vorgang".

Zurzeit gibt es eine Atempause für Neumann, wie lange der Frieden währt, ist unklar. Die Hamburger Anwältin der Ghibellinia ist bis nächste Woche im Urlaub, wie ihre Kanzlei mitteilt. "Erstmal ist für uns die Sache erledigt", lässt sich der Pressesprecher des Coburger Convents, Rüdiger Gerald Franz, ein Hintertürchen offen. Der Verband wolle sich aber "nicht für parteipolitische Streitigkeiten in Hamburg instrumentalisieren lassen".

Aus der Fraktionskasse wird die SPD für ihren Vorsitzenden zumindest die Kosten des eigenen Anwalts tragen müssen, der wochenlang mit dem Vorgang befasst war. Da gehe es ihm besser als Menschen, die "die Rechnung für die eigene politische Verfolgung selbst zahlen müssen", sagt Neumann. Durch diesen Fall sei ihm bewusst geworden, "dass es nicht reicht, Recht zu haben, sondern dass man es sich auch leisten können muss, Recht zu bekommen".

Und durch "die ganze Fanpost", wie er es nennt, sei ihm auch das "Potenzial am rechten Rand" in Hamburg deutlich geworden. So belehrte der Unternehmer ihn in seinem Schreiben darüber, dass schlagende Verbindungen keineswegs "dumpf und reaktionär" seien, sondern Gruppen "wie z.B. die Partei ,Die Linke', sogenannte Antifa-Aktivisten und andere kommunistische Gruppierungen". Zudem legte er dem Diplom-Politologen "das Studium der Bedeutung aller drei Strophen unseres Deutschlandliedes" nahe: "Was die Nationalsozialisten später daraus gemacht haben, ist ohne Bedeutung." Er habe "kurz darüber nachgedacht, dieses Schreiben dem Verfassungsschutz zu geben", räumt Neumann ein. Aber dann überließ er es lieber der taz.

Christoph Ahlhaus hat nach Bekanntwerden seiner Verbindung zur schlagenden Verbindung die Ghibellinia gebeten, ihn nicht weiter als Gastmitglied zu führen. Seit dem 25. August ist er Erster Bürgermeister in Hamburg. Am morgigen Mittwoch will er vor der Bürgerschaft seine Regierungserklärung abgeben. Soweit hätte es nach Ansicht jenes Unternehmers nicht kommen dürfen. Sein Brief an Neumann endet mit den Worten: "Sollte Herr Ahlhaus sich auf Grund des Drucks der Linken von der Turnerschaft Ghibellinia distanzieren, wäre er wegen Charakterlosigkeit für das Amt des Bürgermeisters ungeeignet."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

14 Kommentare

 / 
  • M
    Michael

    Der arme Herr Neumann. Da will er doch nur mal eben, wie in vor allem linken politischen Kreisen beliebt (siehe Ihr eigener Artikel mit den "Fakten" zur ersten Strophe des "Liedes der Deutschen") ein bissschen Stimmung gegen Rechts machen und lässt die üblichen Verdächtigungen und pauschalisierten Verunglimpfungen dieses mal gegenüber Verbindungen ab und da haben diese Korporierten doch die Frechheit, sich das nicht gefallen zu lassen.

    Unverschämt, wirklich!

    "Offenbar werde hier der Versuch gemacht, 'mit rechtlichen Mitteln Politik zu betreiben'." Sicher, Herr Neumann. Wenn einen jemand mit Unrat bewirft, hat man brav fein still zu schweigen. Was sonst? Sich wehren würde ja "mit rechtlichen Mitteln Politik betreiben" bedeuten. Seltsame Rechtsuffassung haben Sie.

    "Diese Vermutung wird durch dem Umstand gestützt, dass der NDR presserechtlich nicht behelligt wird. 'An uns ist niemand herangetreten', sagt der verantwortliche Ressortleiter Jürgen Heuer, und auch die NDR-Pressestelle versichert nach Rücksprache mit dem Justiziariat, es gebe 'keinen solchen Vorgang'.

    Soso. Die Tatsache, dass man nicht gegen ein Organ der (gottlob!) freien Presse vorgeht, sondern gegen denjenigen, der sie für seine Polemik missbraucht, stützt in Ihren augen diese Vermutung? Nun, vermutllich wäre es besser gewesen, á la Neumann pauschal gegen JEDEN "zu schießen", der nicht dem eigenen Gusto entspricht?

    Erneunt eine sehr seltsame Auffassung von Demokratie.

    "Aus der Fraktionskasse wird die SPD für ihren Vorsitzenden zumindest die Kosten des eigenen Anwalts tragen müssen...Da gehe es ihm besser als Menschen, die 'die Rechnung für die eigene politische Verfolgung selbst zahlen müssen'"

    Nein, Herr Neumann, nicht die Rechnung für politische Verfolgung sondern die Rechnung für uninformniertes Geschwafel und das verbreiten dümmlicher Vorurteile und, mal am Rande: Dafür sollte JEDER, auch Sie, selbst "zahlen". Dass Sie sich die Kosten für Ihre geistigen und verbalen Entgleeisungen voon Ihrer Partei zahlen lassen zeigt nur umso deutlicher, wie viel "Verantwortung" Sie selbst zu tragen bereit sind.

    "Durch diesen Fall sei ihm bewusst geworden, 'dass es nicht reicht, Recht zu haben, sondern dass man es sich auch leisten können muss, Recht zu bekommen'."

    Sie "hatten Recht"? Na WO würde mich aber mal interessieren. Wenn Ihnen des allen so überdrüssig sind, verklagen Sie doch die Gegenseite, anstatt tumbe Propaganda zu machen, da Sie ja "im Recht" sind, dürfte das ein Leichtes sein.

  • H
    Hoffmann

    Die Aussagen von Herrn Daisenberger sind das Größte!!

     

    Nach seiner Frage, "Was sind eigentlich schlagende Verbindungen? Man verzeihe mir diese naive Frage." kommt er am Ende zu dem Schluß - und bricht auf dem dünnen Eis ein, das er vorher beschwörte - "die "alten Zöpfe" einfach abzuschneiden. Die Vernunft verbietet es mir, in den "Schlagenden Verbindungen" einen brauchbaren Nutzen zu sehen."

    Na dann: keine Ahnung worüber er spricht und dennoch einfach weg damit. Wie denn? stellt sich da die Frage und hier werden Menschen hellhörig, wenn sie als "alte Zöpfe" abgeschnitten werden sollen. Und es wird umso interessanter, wenn solche Ansichten ein hamburger Mandatsträger mit seinen Aussagen unterstützt, der hier auch noch als Hauptmann der Reserve verkauft wird. Dieser Herr hat damit auch geschworen, das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes zu verteidigen. Interessant, daß Herr Neumann da die schlagenden Verbindungen als Feind ausgemacht hat, während in Hamburg bereits die Autos brennen. Vielleicht sollte er auch in die eigenen Reihen gucken und seine Leidenschaft ausleben. Zum Beispiel bei seinem Bundesvorsitzenden, der in seiner Jugend Lieder über die Panzertruppe der NVA geträllert hat . . .

  • GD
    Gert Daisenberger

    Was sind eigentlich schlagende Verbindungen? Man verzeihe mir diese naive Frage. Offensichtlich wird solchen Verbindungen in unserer Gesellschaft ein höherer Stellenwert zugebilligt als ich ursprünglich dachte.

     

    Allein das Verhältnis des "pro" und des "kontra" in den vorstehenden Lesermeinungen stimmt mich nachdenklich. Von 11 Meinungen sind gerade mal 2 für den Herrn Neumann. Ich kenne Herrn Neumann nicht, denn ich wohne weitab von Hamburg. Offenbar gilt aber die Meinungsfreiheit nur für die Gegner von Herrn Neumann.

     

    Um ehrlich zu sein, bisher hielt ich "schlagende Verbindungen" für völlig überflüssig und für Anachronismus. Die Befürworter dieser Verbindungen werden mich aber nicht vom Gegenteil überzeugen können. Ich habe aber gelernt, dass man sich bei dieser Thematik auf sehr dünnem Eis bewegt. Das beweisen die gereizten Aufschreie der Gegner des Herrn Neumann.

     

    Ungeachtet der Gefahr, dass ich auf dem dünnen Eis einbrechen könnte, schlage ich vor, die "alten Zöpfe" einfach abzuschneiden. Die Vernunft verbietet es mir, in den "Schlagenden Verbindungen" einen brauchbaren Nutzen zu sehen.

  • G
    GonZoo

    Also, ich würde ja nie auf die Idee kommen, daß schlagende studentische Verbindungen rechtsradikal sein könnten - wenn es dafür nicht unendlich viele Beweise gäbe.

     

    Ein schönes Beispiel lieferte vor einiger Zeit die selbst aus NPD-Sicht rechtsradikale "Burschenschaft Germania Halle zu Mainz" sein, die den Nazi Hajo Herrmann zum Vortrag über sein Leben als Jagdflieger und Ritterkreuzträger einlud. Dieser freundliche ältere Herr verteidigte als Anwalt unter anderem die Holocaust-Leugner David Irving und Fred A. Leuchter. Die Burschenschaft ließ ihr schmuckes Anwesen von der Polizei schützen...

  • HN
    Herr Niemand

    Der arme Herr Neumann, er wird politisch und juristisch verfolgt. Da tut er mir aber leid. Wie kann dass sein, dass es tatsächlich Menschen wagen, ihm (mit legalen!!!!! Mitteln) zu widersprechen, wo er doch, dass weiss nun jeder, die Wahrheit für sich gepachtet hat und alle unrecht haben. Herr Neumann, wir stehen fest an Ihrer Seite und lassen nicht zu, dass jemand ihnen gegenüber seine Meinung kund tut. Ich bin fassungslos! Es grüßßt Herr Niemand

  • G
    Guup

    Wenn mein Nachbar eine Lüge über mich verbreitet und vernüftiges Reden mit ihm nicht hilft, dann hole ich mir Hilfe beim Rechtsstaat. Nichts anderes tun die von Herrn Neumann Beleidigten.

     

    Warum hinterfragt die TAZ nicht dies eigenartige Verständnis bezüglich Bürgerrechten des Herrn Neumann?

     

    Oder gelten Bürgerrechte nur bei denen, deren Meinung/Lebensstil man teilt?

  • FM
    Fritz Martin Hofmann

    Da merkt der feine Herr Naumann mal, wie sich z.B. damals Eva Herman oder gerade Thilo Sarrazin fühlen müssen. Wobei ich mir sicher bin, daß Naumann vielleicht ein paar kritische Briefe bekommt, aber sicher nicht um seinen Job und seine körperliche Unversehrtheit fürchten muß.

  • SS
    Sava Stomporowski

    Recht haben und Recht bekommen sind zweierlei Dinge. Das hat Herr Neumann jetzt verstanden. Schön. Herr Scheuerl weiß dies in seinen Bereichen schon lange umzusetzten, wie wir aus der Presse wie z.B. mopo von gestern & heute wissen.

    Vielleicht lernt Herr Neumann dann auch daraus, um eine angemessene schulpolitische Zielrichtung für seine Partei anzuvisieren. Oder will die SPD der Volksinitiative das Recht die nächsten 10 Jahre schenken?

  • V
    Verallgemeinerer

    SPD-Mitglieder, das ist hinlänglich bekannt, das sind dumpfe Genetik-Rassisten, verurteilte Kinderpornosammler und RAF-Sympatisanten....zumindest nach der pars-pro-toto-logik von Herrn Neumann

  • O
    ole

    warum so zaghaft? hat der hamburger unternehmer nicht auch einen namen, oder sein unternehmen? wüsste man doch gerne. und wenn der herr sich an die politische öffentlichkeit wendet, dürfte er doch auch zu seiner haltung und seinen aussagen stehen? SO bleibts leider ein bisschen im ungefähren ...

  • WF
    Wieland Friedrichs

    Mir kommen die Tränen ob der "Verfolgung" des Herrn Neumann. Wer derart verleumderischen Unsinn öffentlich verbreitet, muß sich nicht wundern, wenn die betroffenen Studentenverbindungen, bzw. Korporationsverbände dies nicht auf sich sitzen lassen.

  • N
    Nadi

    Michael Neumann sollte sich mal die Resonanz auf seinen Noch-Parteikollegen Thilo Sarrazin anschauen. Wenn die SPD solche Knalltüten für misantrophische und fehlgeleitete Interviews und Aussprüche nicht sanktionieren kann, dann ist das nichts als XXL-Antrieb für genau diese rechte Szene.

    Und Neumann gehört selber zum rechten Flügel der SPD, der in diese Spektren reinreicht, warum auch immer, es soll doch genug Burschenschafter und Seilschaften dieser Art bei der Partei selber geben??

    Vielleicht sollte Neumann einfach seine Augen ganz aufmachen - rechtes Gedankengut ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, auch in der SPD, die m.M. in Fragen der Integrationspolitik, des Ausländerrechts, der Abschiebungspolitik und der inneren Sicherheit nicht auf dem richtigen Weg ist.

    Wenigstens begreif es jetzt mal einer vom rechten Flügel. (Wenn die Mut haben, dann können Sie Klaus v.D. auch rauswerfen - der ist nämlich in der Fangemeinde, die Neumann diese Mails und Briefe zukommen lässt.)

  • AS
    Andreas Schneider

    Als Politiker sollte man eben auch bereit sein, Verantwortung zu tragen für das, was man sagt. Und wenn man pauschaliert, erntet man eben auch Widerspruch. Erwartbar. Herr Neumann hat sich sicher auch den Zuspruch aus den Reihen der politisch Korrekten gewünscht. Dass er kritische Post erhält, war aber auch vorhersehbar. Denn tatsächlich dürften die Bünder des Coburger Convent wenig Gefährdungspotential in Bezug auf die Gefährung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bieten. Der Nabelschaubericht über die Befindlichkeiten eines offenbar wenig toleranten und schlecht informierten Gesinnungspolizisten Neumann, der offenbar schon die Bezugnahme auf die Entstehung des Deutschlandlieds beim Landesamt für Verfassungsschutz für petzwürdig hält, lässt einen schon ins Grübeln kommen. Ist das Deutschlandlied jetzt teilweise verbotenes Liedgut? Wo steht das? Der SPD-Mann Friedrich Ebert hat übrigens das Lied der Deutschen zur Nationalhymne gemacht. 1922. Alle Strophen. Das kann man überall nachlesen. Heute ist nur noch die dritte Strophe Nationalhymne. Richtig? Die Nazis hatten zuvor die erste Strophe zur Nationalhymne gemacht. Richtig? Also: Wo bleiben Freiheitlichkeit und Toleranz in diesem Land? Wo bleibt die Gelassenheit. Und ganz nebenbei sollte es einem vielleicht zu denken geben, über wiewenig Rückgrat ein Politiker wie Ahlhaus offenbar verfügt.

  • FK
    Felix Krebs

    Um auch den/die interessierte(n) taz-LeserIn an der damaligen Indiskretion teilnehmen zu lassen, hier ein kurzer Auszug aus dem genannten vertraulichen VS-Bericht (insgesamt. 42 Seiten) mit dem Titel "Rechtsextremistische Bestrebungen pennaler und studentischer Korporationen" (Informationsbericht LfV Hamburg - Mai 1993 -VS-Vertraulich):

    "Die dem 'Coburger Convent'angehörende Landsmannschaft 'Mecklenburgia' ist wie die 'Germania Hamburg' in der Sierichstraße ansässig. Ein Teil der 'Mecklenburger' unterhält freundschaftliche Beziehungen zu den Hamburger 'Germanen' und zur'Askania'. Nach einem Bericht des 'Odalsboten' hat bei der 'Mecklenburgia' eine korporationsinterne Fraktionsbildung in ein 'nationales' und ein eher 'liberales' Lager stattgefunden."

     

    Die Burschenschaft Askania war eine militante Verbindung, die

    Wehrsportübungen organisierte.

     

    Weiter heisst es in dem Bericht auf den Seiten 31 und 32: "Die bisher

    gewonnenen Erkenntnisse belegen, daß es sich bei der 'Askania' und der

    'Teutonia' um eindeutig rechtsextremistische Verbindungen handelt, denen

    auch ausschließlich Rechtsextremisten angehören. Ähnliches gilt für die

    Aktivitas der 'Germania', wobei hier die Einschätzung mangels geringerer

    Einblickstiefe nicht in der Bestimmheit getroffen werden kann. Als

    zumindest rechtsextremistisch beeinflußt hat ebenso die 'Landsmannschaft

    Mecklenburgia' zu gelten."

     

    2009/10 fanden im Haus der Mecklenburgia Veranstaltungen unter dem Titel "Hamburger Freiheitsgespräche" statt, an denen Vertreter der sog. Neuen Rechten als Referenten und Gäste teilnahmen. Man macht also weiter.

     

    Mit antifaschistischen Grüßen, Felix Krebs