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Kommentar SchwedenElchtest für die Demokratie

Kommentar von Petter Larsson

Wiederholt sich in Schweden, was in Dänemark schon passiert ist? Dort ist eine bürgerliche Regierung von einer rechtsradikalen Partei abhängig. Am Wochenende ist Reichstagswahl.

S chweden steht am Sonntag vor einer Reichtagswahl, die man "historisch" nennen darf. Sollte die jetzige bürgerliche Vierparteienregierung erneut gewinnen, so würde das Schweden mental zu einem anderen Land machen. Denn bei dieser Wahl geht es nicht nur darum, sich zwischen weiteren Steuersenkungen und mehr Sozialstaat zu entscheiden. Die zentrale Frage ist diesmal: Was wird in Zukunft noch als politisch normal gelten?

In Schweden hat es zwar schon in der Vergangenheit gelegentlich bürgerliche Regierungen gegeben, aber es ist ihnen nur einmal gelungen, zwei Wahlen hintereinander zu gewinnen: 1976 und 1979. Ansonsten regierten die Sozialdemokraten, die bisher die einzige große schwedische Volkspartei waren. Diese Vorherrschaft will der derzeitige, konservative Regierungschef Fredrik Reinfeldt brechen. Selbstbewusst spricht er davon, dass er seine Partei - die "Moderaten" - zu der "tragenden gesellschaftlichen Kraft" ausbauen will.

Schon die Reichstagswahl 2006 gewann Reinfeldt nur, weil er seiner Partei einen Imagewechsel verordnet hatte. Sie sollte sich von einer Klientelpartei für die Reichen zu einer Partei der Mitte wandeln. Dieser Kurs hat sich ausgezahlt: Die Moderaten haben bei dieser Wahl beste Chancen, zum ersten Mal in der schwedischen Geschichte sogar mehr Stimmen einzusammeln als die Sozialdemokraten. Dies wäre das ultimative Signal, dass das "Schweden der Genossen" der Vergangenheit angehört.

Petter Larsson

lebt in Malmö und ist politischer Redakteur der Wochenzeitung Efter Arbetet, zuweilen schreibt er auch für die Tageszeitung Aftonbladet.

Die Sozialdemokraten wiederum haben auch selbst dazu beigetragen, dass sie das Image der alleinigen Volkspartei verlieren. Denn erstmals haben sie ein Wahlbündnis mit den Linken und den Grünen geschlossen, das eine gemeinsame Koalition verspricht. Bisher haben die Sozialdemokraten stets allein regiert und sich von den kleineren Parteien tolerieren lassen.

Biologin als Star der Grünen

Diese neue rot-rot-grüne Zusammenarbeit ist soziologisch durchaus sinnvoll. Denn die Sozialdemokraten haben größte Mühe, die alternativen Mittelschichten in den Großstädten zu erreichen. Diese Gruppen strömen stattdessen zu den Grünen, die in Stockholm bereits fast so stark wie die Sozialdemokraten sind. Zudem verfügen die Grünen über den Star dieses Wahlkampfs: die junge und charismatische Biologin Maria Wetterstrand. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die Grünen in dieser Wahl mit 7 bis 8 Prozent der Wählerstimmen zur drittgrößten Partei aufsteigen.

Dennoch könnte gerade diese Zusammenarbeit mit den Grünen und den Linken der Grund sein, warum die Sozialdemokraten die Wahl verlieren. Wie Umfragen zeigen, wechseln nun ausgerechnet viele Arbeiter zu Reinfeldts neuen Moderaten. Darunter mögen auch ein paar unverbesserliche Kommunistenhasser sein. Vor allem aber scheint sie das neue ökologische Gespenst zu verschrecken, das in Schweden umgehen soll: Ein Nein zur Atomkraft sowie höhere Benzinsteuern sind für diese einstigen Genossen nicht akzeptabel.

Zudem haben die bürgerlichen Parteien von der Finanzkrise profitiert. Sie gab der skandalgeschüttelten und zerstrittenen Koalition die Möglichkeit, noch sozialdemokratischer zu klingen als die Sozialdemokraten. Rhetorisch wetterte man gegen gierige Banker und verstaatlichte auch sofort ein kleines Finanzinstitut.

Das Dagobert-Duck-Modell

Die Wirtschaftskrise ist eine bequeme Erklärung für alle Fehlschläge. So versprachen die Konservativen bei ihrem Regierungsantritt 2006, dass sie die offizielle Arbeitslosenquote und auch die versteckte Erwerbslosigkeit drastisch senken würden. Doch stattdessen hat sich die Arbeitslosenquote auf 8 Prozent verdoppelt, und die Kluft zwischen Arm und Reich ist so groß wie nie. Gleichzeitig hat die Regierung Steuersenkungen beschlossen, wie sie Dagobert Duck nicht besser hätte erfinden können: Der Staat verzichtet nun auf 10 Milliarden Euro pro Jahr, und von diesem Geschenk sackt allein das reichste eine Prozent der Schweden bereits ein Viertel ein. Doch unbeirrt behauptet die Regierung, allein die Finanzkrise sei schuld an der zunehmenden Armut.

Anti-Islam statt antisemitisch

Der Joker in diesem Wahlspiel heißt Jimmie Åkesson. Er führt die rechtsradikalen und fremdenfeindlichen "Schwedendemokraten" an, die in den vergangenen zehn Jahren ihre Uniformen abgelegt, sich von den Skinheads getrennt und den alten Antisemitismus durch einen neuen Anti-Islam-Kurs ersetzt haben. 2006 erreichten sie knapp 3 Prozent der Stimmen. Diesmal aber könnte die magische 4-Prozent-Hürde genommen werden und damit der Einzug in den Reichstag von Stockholm gelingen.

Ob es die Rechtsradikalen wirklich ins Parlament schaffen, ist allerdings unsicher. Ihre Verstrickungen mit den Neonazis machen sie für viele Schweden unwählbar. Alarmierender ist daher der indirekte Einfluss, den die Schwedendemokraten ausüben: Die kleine, einst liberale "Volkspartei" versucht nun ebenfalls, rechtspopulistisch orientierte Wähler anzulocken, indem sie etwa kürzlich mit dem Vorschlag aufwartete, Burkas an den Schulen zu verbieten. Dabei wurde bisher im ganzen Land nur eine einzige Schülerin mit Burka gesichtet.

Falls die Schwedendemokraten jedoch tatsächlich in den Reichstag einziehen sollten, dürften die mühsam konstruierten Parteienlager in sich zusammenfallen. Rot-Rot-Grün würde den bürgerlichen Parteien eine Tolerierung anbieten, was bisher undenkbar war. Selbst Schwarz-Grün ist nicht völlig ausgeschlossen, obwohl die Grünen es bisher strikt abgelehnt haben, mit den Moderaten zusammenzuarbeiten.

Doch jenseits dieser neuen Farbspiele wäre die Gefahr groß, dass sich in Schweden wiederholt, was in Dänemark schon Praxis ist - dass sich eine bürgerliche Minderheitsregierung von einer rechtsradikalen Partei abhängig macht. Die Schwedendemokraten hätten damit ihr Ziel erreicht; ihre widerliche Fremdenfeindlichkeit würde stubenrein. Auch um diese politische "Normalisierung" geht es bei der Wahl zum Reichstag.

Übersetzung aus dem Schwedischen: Ulrike Herrmann

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