Volleyball-WM: Ochsentour durch Italien
Die deutsche Nationalmannschaft hat bei der Weltmeisterschaft in Italien erst einmal das Schlimmste abgewendet. Und hofft in der Zwischenrunde auf den großen Sprung.
Eine Weltmeisterschaft ist kein Kaffeekränzchen. Schon gar nicht, wenn man sich die Sportart Volleyball ausgesucht hat, in der sich der Weltverband vorbehält, immer wieder mal mit merkwürdigen Innovationen aufzufallen. Vor dem Gipfeltreffen in Italien, das seit Samstag läuft, haben sich die strengen Herren von der FIVB einen unglaublich wirren Modus ausgedacht, der die Mannschaften und alle, die sie begleiten, mächtig auf Trab hält.
Die Männer des Deutschen Volleyball-Verbandes mussten in Triest zunächst einmal drei Spiele in drei Tagen absolvieren, um nach der Strapaze in der Nacht darauf um 4.30 Uhr aus dem Bett gescheucht zu werden. Um kurz vor sieben ging der Flieger ins 1.500 Kilometer entfernte Catania. Auf Sizilien findet für die Deutschen die erste Zwischenrunde statt.
Die WM als Ochsentour, das ist nicht gerade erbaulich, aber dennoch ein Szenario, mit dem Deutschlands beste Volleyballer durchaus leben können. Die Alternative wäre gewesen, schon wieder daheim zu sein. Eine Horrorvision, die nach den beiden Auftaktniederlagen gegen Serbien und Polen durchaus möglich war. Das zähe, aber am Ende doch eindeutige 3:0 (27:25, 25:22, 25:20) gegen kampfstarke Kanadier verhinderte das vorzeitige Ausscheiden.
Es wäre das schlechteste WM-Abschneiden in der Geschichte gewesen. Seit 1956 haben deutsche Volleyballer bei jedem Auftritt zumindest einen Sieg eingefahren. Die Spielegeneration 2010 wird also nicht als größte WM-Versager im Gedächtnis der Szene haften bleiben. "Ich bin glücklich über den Sieg und die Qualifikation für die zweite Runde", sagte Bundestrainer Raul Lozano: "Das war das Minimalziel bei der WM."
Nach dem Sieg gegen die Kanadier machten vor allem zwei Worte die Runde: Erleichterung und Druck. "Ich bin sehr erleichtert", sagte Mittelblocker Max Günthör: "Es war eng, es ging heftig zur Sache." Sein Kollege Jochen Schöps betonte, "wie sehr wir bei diesem Spiel unter großem Druck gestanden haben." Und weiter: "Natürlich bin ich jetzt erleichtert."
Es war augenscheinlich, dass sich die Mannschaft schwertat mit der Aufgabe, das Desaster abzuwenden. Als es geschafft war, schnaufte Björn Andrae erst einmal durch: "Ich bin stolz auf die Mannschaft, die dem Druck standgehalten und eine so starke kämpferische Leistung gezeigt hat", sagte der Kapitän: "Darauf", so Andrae, "können wir aufbauen." Ähnlich sieht es sein Kollege Sebastian Schwarz: "Wir haben gezeigt, dass wir ein Team sind, auch wenn die spielerische Leichtigkeit gefehlt hat."
Die gilt es möglichst umgehend zu finden, wenn beim Projekt WM am Ende tatsächlich der angestrebte Platz unter den besten acht Nationen herauskommen soll. Die Perspektiven sind trotz des durchaus holprigen Starts gar nicht schlecht. Am Donnerstag gegen Puerto Rico und am Freitag gegen Gastgeber Italien reicht ein Sieg, um die nächste Zwischenrunde zu erreichen. Der merkwürdige Modus verzeiht einige Fehltritte.
"Wir rechnen uns schon aus, auch noch die nächste Runde zu erreichen", sagt Günthör. "Allerdings", so die Überzeugung des Mannes aus Haching, "müssen wir uns dafür gewaltig steigern." Die größte Chance, den nächsten Schritt zu tun, bietet die Partie gegen Puerto Rico. Vor vier Jahren bei der WM in Japan gewannen die Deutschen gegen die Männer von den Karibikinseln mit 3:1, auch dieses Mal gehen sie als Favorit ins Spiel. Entscheidend dürfte sein, den Wirkungskreis von Hector Soto einzuschränken. Die Sprungmaschine aus Puerto Rico wird bei der WM nach der Vorrunde als drittbester Punktesammler geführt.
Das jedoch interessierte die deutschen Spieler nach der enorm stressigen Gruppenphase erst einmal nur am Rande. Wesentlich wichtiger war für Zuspieler Patrick Steuerwald, den Akku aufzufüllen und das Schlafdefizit zu bekämpfen: "Wir haben jetzt zwei Tage frei - und die haben wir bitter nötig."
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