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Streit der Woche„Es geht auch ohne Grüne“

Ist Deutschland jetzt grün? Das Land habe sich verändert, sagt Grünen-Chefin Roth. Ihre Partei brauche man dafür nicht, entgegnet CDU-Politiker von Klaeden.

Kein grünes Projekt, auch wenn sie dabei sind: Protest gegen Stuttgart 21. Bild: dapd

Angesichts der Rekordumfragewerte für die Grünen beobachtet die Parteivorsitzende Claudia Roth ein neues Politikverständnis in Deutschland. „Die Republik hat sich verändert“, schreibt Roth im Streit der Woche der sonntaz. „Politik funktioniert nicht mehr so, dass mit arroganter Attitüde Entscheidungen gegen die Mehrheit der Menschen einfach durchgezogen werden können.“Immer sichtbarer werde ein starkes Selbstbewusstsein von Bürgerinnen und Bürgern, die an Entscheidungsprozessen beteiligt werden wollen.

Der aktuellen Forsa-Wahlumfrage zufolge würden momentan 24 Prozent der Deutschen für die Grünen stimmen (siehe Grafik unten). Damit haben sie die SPD als zweitgrößte Partei zumindest in dieser Erhebung überholt. Dennoch, entgegnet Jürgen Suhr, Grünen-Chef in Mecklenburg-Vorpommern, sei Deutschland nicht grün. Die Erfahrung, die er im kleinsten Landesverband mache, sei eine andere. „Grüne Politik ist nur in den urbanen Zentren mehrheitsfähig, in der Fläche noch nicht.“ Je weiter es in den Osten gehe, umso mehr müssten Grüne um Akzeptanz ringen.

Die Forsa-Ergebnisse der vergangenen Jahre zeigen: Der Abstand zwischen den zwei großen und drei kleinen Parteien ist stark geschrumpft. Hier finden Sie die Datengrundlage für diese Grafik.

„Deutschland ist weiter als die, die Grün vor allem für eine Parteifarbe halten“, schreibt Eckart von Klaeden, CDU-Schatzmeister und Staatsminister bei der Bundeskanzlerin. Das Bewusstsein für die Bewahrung der Schöpfung ist für von Klaeden ein christliches, konservatives Anliegen, dafür brauche man die Grünen nicht. „Die Realität zeigt: es geht auch ohne sie“, schreibt der Unionspolitiker in der sonntaz.

Doch auch außerhalb der Parteienlandschaft ist Deutschland grüner geworden. Mülltrennung und Wassersparen sind selbstverständlich, Naturkosmetik hip. Vielen Großunternehmen dient „grünes“ Image als Verkaufsargument. Bio-Produkte gibt es inzwischen bei Discounter-Ketten und Ökostromanbieter haben fast eine Million Kunden (siehe Grafik unten).

Nach der Liberalisierung des Strommarktes sind Ökostromanbieter schnell gewachsen. Hier finden Sie die Datengrundlage für diese Grafik.

Auch Krischan Friesecke von der „Jugendoffensive gegen Stuttgart 21“ sieht aktuelle Bürgerproteste nicht als grünes Projekt. „Viele Illusionen über Parteien gibt es in Stuttgart nicht mehr, nicht in CDU und FDP, aber auch nicht in SPD oder Grüne“, sagt Friesecke taz.de. „Die Stärke des Widerstandes in Stuttgart ist, das sich die Menschen hier nicht mehr auf die Politik verlassen, sondern selbst aktiv werden.“ Vielen gehe es um den Erhalt, wenn nicht gar die Rückgewinnung der Demokratie.

Neben Roth, Suhr und von Klaeden schreiben im Streit der Woche in der sonntaz der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer, Mischa Aschmoneit, Sprecher der Antiatom-Kampagne „Castor Schottern“, taz.de-Leser Karl-Heinz Alster und Thüringens SPD-Wirtschaftsminister Matthias Machnig, der erklärt, warum man die Architektur neuer Mehrheiten vorbereiten müsse, statt Umfragen zu zitieren.

In der folgenden Grafik finden Sie einen Blick auf die Grünen im Land: Mitgliederzahlen, Einnahmen und Wahlergebnisse aus den Bundesländern. Hier finden Sie die Datengrundlage für diese Grafik.

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11 Kommentare

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  • T
    Thom

    Grün oder nicht grün, das ist nicht die Frage. Wir brauchen auf unserem Kontinent gemeinschaftliche, ehrliche Politik mit der es möglich ist mit den Menschen und für die Menschen zu regieren. S21 ist ein gutes uns sicher wichtiges Projekt für uns und unsere nächsten Generationen aber wie es politisch umgesetzt wurde war diletantisch und am Bürger vorbei. Mehr Transparenz, mehr Aufklärung und Informationen die der normale Bürger verstehtwähre sicherlich besser gewesen als Dir Machtstrukturen zu nutzen, ganz zu schweigen von der Möglichkeit eines Volksentscheids wie in der Schweiz. Weniger Macht den Parlamenten und mehr Entscheidungsgewalt dem Volk. Es ist mündiger als man heute glaubt..... Wenn man es lässt und nicht dich überzogenen Verbraucherschutzt mehr und mehr zum mündigen Dummvolk erzieht, welches weder entscheidungsfähig noch verantwortungsbewusst sein kann. Über 700 Jahre Demokratieerfahrung haben wir in der Schweiz... Schaut doch einfach mal rein.

    Thom ... Aus D ausgewanderter Unternehmer

  • J
    JML

    Die Republik hat sich verändert? Wo lebt Frau Roth denn? Was sich verändert hat, sind die Grünen. Sie haben sich zu einer Anpasserpartei entwickelt, die alles tut, um in der Politik der Bonzen mitspielen zu dürfen.

    Die Grünen sind nicht mehr 'gefährlich', von ihnen sind keine Veränderungen mehr z erwarten. Deshalb sind sie wählbar für dieses Wahlvolk. Die hohen Prozente sollten zum Nachdenken anregen, darüber, was man wohl falsch gemacht hat.

    Aber, naja, es sind halt die Grünen.

  • VG
    Volker Geisler

    Prinzipiell hat Herr von Klaeden sicher recht: Viele Grünen-Themen sind in der bürgerlichen Mitte Deutschlands angekommen und etabliert. Würden CDU und SPD diese Themen ernsthaft vorantreiben, könnten sie dem grünen Aufschwung vermutlich entgegentreten. Aber diesen Parteien nimmt niemand ab, dass sie diese Themen tatsächlich ernst nehmen. Der Ausstieg aus dem Atomausstieg der CDU zeigt überdeutlich, dass die Umweltschutzbekenntnisse der Konservativen nichts als Attitüde sind, opportunistisches Geschwafel, das niemand dieser Partei abnimmt. Ironischerweise müsste aber die Bewahrung natürlicher Ressourcen tatsächlich ein konservatives (von bewahren) Thema sein. Und da liegt auch das Pfund der Grünen begraben. Sie sind eben in ihrer Thematik nicht einfach nur eine irgendwie linke Partei mit spleenigen Ökothemen, sondern eine libertäre politische Kraft, die auch in einer bodenständigen bürgerlichen Klientel punkten kann.

  • JZ
    jan z. volens

    "Gruen" steht politisch nicht ueberall an der gleichen Stelle im ideologischen Spektrum. Die "Green Party" in USA steht viel weiter "links" als die "Gruenen" in BRD. In Brasilien steht die "Gruene Partei" ideologisch dort wo die CDU in BRD steht, und "umweltlich" weniger "stuermerisch-radikal" als die "Gruenen" in BRD.

  • D
    Daniel

    Ich muss sagen, der einsatz der Grafiken gefällt mir, auch wenn es in diesem Artikel vielleicht "etwas" zu viel war?

    Auf jeden fall ein Schritt in die richtige Richtung!

  • R
    reblek

    "Politik funktioniert nicht mehr so, dass mit arroganter Attitüde Entscheidungen gegen die Mehrheit der Menschen einfach durchgezogen werden können." - Ich bin Frau Roth und Konsorten ja so dankbar, dass sie ganz ohne arrogante Attitüde und unter demokratischer Beteiligung von Schröder den Krieg gegen Serbien und Hartz IV im Dialog mit dem Volk entschieden haben.

  • HM
    Hans-Dieter Moderau

    Ja, ausgerechnet der Herr Klaeden, das von schenken wir uns, ist doch nur abgetakelter Adel, ausgerchnet der, muss sein stupiden Sempf dazu gegeben.

     

    Er vergisst dabei die Politik seiner Partei und der Regio+erung, angeführt von einer FDJ-Aktivisten.

     

    Die brauchen wir bald nicht mehr, das versteckte Nezigebell wollen wir auch nicht mehr hören.

  • A
    atypixx

    "Politik funktioniert nicht mehr so, dass mit arroganter Attitüde Entscheidungen gegen die Mehrheit der Menschen einfach durchgezogen werden können.“

     

    Wie bigott. War Frau Roth doch beteiligt, als die völlig uneffektiven Hartz-Gesetze von rot-GRÜN beschlossen wurden.

  • EZ
    Erik Zimmermann

    Vielleicht braucht man die grüne Partei nicht für den Umweltschutz, aber die CDU braucht's ganz sicher nicht für die christlichen Werte (Leyen schaffte auf Landesebene das Blindengeld ab - sehr christlich das, vorbildlich geradezu -

    Die CDU braucht man nur noch für die allgegenwärtige Korruption, zur Zeit noch leider unter "Lobbyismus" legal...

    Und natürlich, um Pittbulls wie Mappus nach oben zu hieven, Leute, die so starrsinnig und gewissenlos sind, daß selbst die späte SED dagegen wie ein flexibler Haufen von Weicheiern aussieht.

     

    Wer nur wegen eines Bahnhofs Schüler zusammenknüppelt, hätte in Leipzig (wo es um ein ganzes Land ging) schießen lassen.

     

     

    Also wer genau außer von Klaeden braucht die CDU?!

    Eine Bande von Verbrechern, die das Wort "Gemeinwohl" längst vergessen hat. Aber dafür braucht man sie auch nicht - dieses Bedürfnis bedient auch die FDP.

    Auf den Müllhaufen der Geschichte mit beiden!!

  • W
    waldzwerg

    früher wählte ich grün. doch nach hartz4 ist das für mich nicht mehr möglich.hier hätte man schröder mehr unter druck setzen können,auch wenn er mit rücktritt drohte.es war ja immer nur eine drohung.da hätte ich mir einsatz und idealismus der grünen politiker gewünscht.doch was ist wichtiger,soziale gerechtigkeit oder an der macht bleiben?

    auch das die grünen in thüringen auf keinen fall mit den linkspartei zusammengehen würden,sehe ich als blind und arrogant.also ist die grüne partei näher der spd als links-humanistischen denken?in nrw sechs stunden mit der linkspartei über die ddr reden,ob unrecht oder nicht.was ist das jetzt?die brd ist moralisch nicht besser und klüger auch nicht.sie hat ihre groben fehler nur woanders.

    eigentlich mag ich in dieser partei nur noch den herrn ströbele.

  • A
    Auxarmes

    Es geht auch ohne CDU!