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Befürworter von "Stuttgart 21"Opponieren gegen die Opposition

Die Minderheit macht mobil: Im Kampf um "Stuttgart 21" wächst auch der organisierte Protest der Befürworter. Eine Begegnung mit denen, die den unterirdischen Bahnhof wollen.

Joggen für den Durchgangsbahnhof. Dem Vorwurf der Käuflichkeit begenen die Befürworter mit Entrüstung. Bild: dpa

Da sitzt der, der für viele hier nur ein übler Bösewicht ist, ein gekaufter PR-Stratege, ein gewiefter Hintermann und natürlich irgendwie Teil dieses ganzen "Lügenpacks" und dieser "Baumafia". Sicher. Das Leben von Christian List hat sich verändert, seit der 39-jährige Stuttgarter politisch geworden ist. Denn auf der Straße ist er in der Minderheit und kämpft gegen die Mehrheit an: Christian List ist für Stuttgart 21 - und nicht dagegen. Und seit einigen Wochen ist er das Gesicht der Pro-Stuttgart-21-Bewegung. Der Mann, Typ netter Schwiegersohn, Typ helles Köpfchen, ist einer der Oppositionsführer gegen all diese Oppositionellen im Schwabenland.

Stuttgart, Krefelder Straße 32. Es ist Mittag in der Agentur, die bei vielen in der Stadt die Fantasie so arg beflügelt. "Können. Wollen. Werden." steht in schlichter Druckschrift auf der grellgrünen Wandsäule rechts von seinem Schreibtisch, mitten im Avantgarde-Chic eines hippen Aufstrebertums, zu trinken gibt es "Gourmetwasser naturelle".

Hier führt Christian List die Geschäfte seiner "Agentur für Begegnungsmarketing", die in den letzten Tagen kräftig in die Schlagzeilen geraten ist. Denn weil auf seiner Referenzliste auch die Deutsche Bahn und die Stadt Stuttgart stehen, kursiert im Netz die Behauptung, List lasse sich bezahlen für das, was er seit einigen Wochen nun organisiert - und was nun auch immer mehr Menschen auf die Straße zieht: "Laufen für Stuttgart", ein erlebbares Protest-Event in Joggingschuhen. Ein Kampf für das Großbauprojekt Stuttgart 21.

Doch bis auf Weiteres ist List nur schlicht ein Demokrat.

So wie Johannes Bräuchle vielleicht, der Stuttgart-21-Pfarrer, so wie der Facebook-Fachmann Gerald Holler, wie Donate Kluxen-Pyta von der Frauen-Union Stuttgart oder die Journalistin Susanne Offenbach. Sie alle stehen donnerstags am Rathausplatz und machen Stimmung. "Wachstum. Arbeit. Wohlstand." steht auf ihren Schildern. "Für Stuttgart 21!" Und Susanne Offenbach ruft dann in die Menge: "Wir wollen keine Dagegen-Republik! Wir wollen ein Dafür-Land sein!"

Auf den Buttons dieser Menge stehen Slogans wie "Oben ohne", "Park-Erweiterer" und "I love S21". Es ist das Dafür-Land der CDU in Baden-Württemberg. Und auf dem Rathausplatz steht die Basis, die noch immer nicht verloren ging. Im Gegenteil.

Es stimmt: Seit Monaten schwelt der Protest gegen das umstrittene Mega-Bau-Projekt in Stuttgart. Am Wochenende erst demonstrierten wieder um die 100.000 Menschen. Doch zur Wahrheit gehört auch: Seit Wochen nun werden auch die Befürworter auf den Straßen langsam mehr.

Als Christian List, parteilos, am 9. September zum ersten Mal die Joggingschuhe schnürte und zum Protestlauf rief, da kamen um die 100 Leute. Und beim letzten Mal, da kamen schon 4.000. Das ist läppisch im Vergleich, aber es ist nicht egal.

"Wir wollen nicht, dass die Gegner die Einzigen sind, über die berichtet wird." List sitzt auf seinem Schreibtischstuhl, vor ihm zwei große Monitore, und er erzählt aus seinem Leben, von seinen Kindern, seinem Vater, seinen Perspektiven. Geht es nach ihm, dann retten die 100 Hektar Land, die durch die künftig überflüssigen oberirdischen Schienen frei werden könnten, die Subkultur im Schwabenland. "Da kann man großartige Räume schaffen, die mehr bieten als nur noch Vapiano-Restaurants und Starbucks-Cafés." List besitzt einen Club, ein Restaurant und ist beteiligt an einer Strandbar am Neckar.

Er ist ein junger Kreativer. Und er hat Erfolg.

Nachts, wenn die Demo gut gelaufen ist, dann vertilgt er mit Johannes Bräuchle in der Weinstube Klösterle, eines der ältesten Häuser der Stadt, gemeinsam Zwiebelrostbraten. Christian List isst ihn mit Spätzle, Johannes Bräuchle nur mit Graubrot, tief getunkt in doppelt Soße. Hier diskutieren sie über den harten Polizeieinsatz, und zwischendurch lachen sie über die Argumente der anderen, über die Fledermauspopulationen und den Juchtenkäfer, den es hier ja gar nicht gebe.

Am Morgen danach sitzt Christian List wieder an seinem Schreibtisch. Und Johannes Bräuchle, 62, in seinem verträumten evangelischen Pfarrhaus im Möwenweg am Max-Eyth-See, unter der Kuckucksuhr, isst saure Gurken zum Frühstück.

Der Pfarrer zieht den Hass von vielen Stuttgartern auf sich. Denn er glaubt nicht, dass es in Stuttgart Juchtenkäfer gibt, die Tierchen, die nun die Baumfällarbeiten im Schlossgarten noch ein wenig verhindern könnten.

Wenn er dort im Schlossgarten diskutieren geht, dann lachen sie ihn aus. Sie schimpfen und sie gehen dem Herrn Pfarrer an die Wäsche. "Daran bin ich schon gewöhnt", sagt er. Denn Johannes Bräuchle war immer schon Oppositionsbekämpfer. "Ich bin ein 68er, nur von der anderen Seite." Und daran erinnert er sich gerne.

Er war es, der in den 70er Jahren die Kirchenjugend rettete. Vor der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend, "die haben den Stadtjugendring unterwandert".

Bräuchle gründete einen alternativen Stadtjugendring - und entzog den linken Jugendlichen das Geld für ihre Jugendarbeit. "Ich sprach mit dem Oberbürgermeister, dann lief das."

Fortan wurden wieder die Religiösen finanziert. Und Bräuchle blieb ein Kämpfer, in seiner Kirche, und im Stuttgarter Stadtrat für die CDU, wo er mit Manfred List, dem Vater von Christian, im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen saß. Bräuchle weiß, was Politik ausmacht: "Wenn es mit Argumenten nicht mehr weitergeht, dann schalte ich eben um auf Parole."

An diesem Morgen nutzt er in seiner Rede Argumente. Aber wenn er bei Kundgebungen in seiner mattgrauen Kunstlederjacke an der Oper auf einer dieser Betonbänke steht, die Yamaha-Lautsprecher auf dem Dach seines silberbronzenen Peugeot 807, dann setzt er auf Parolen: Er warnt vor den Chaoten dort drüben im Schlossgarten. "Da muss man ja Angst bekommen!" ruft er. Und er sagt dann wieder in ruhigen Worten: "Als Stuttgarter sind wir einfach auf Lebensstandardmaximierung angelegt."

In Umfragen und auf den Straßen sprechen die Zahlen gegen Christian List und Johannes Bräuchle. Doch im Internet, da boomt ihre Dafür-Bevölkerung. Dort, wo es kleine Facebook-Gruppen wie "Wir scheißen auf den Juchtenkäfer" gibt, ist Gerald Holler ein stiller Held.

Er verwaltet eine andere Facebook-Gruppe, "Für Stuttgart 21" heißt sie. Noch im August drückten für sie gerade einmal 2.000 Menschen auf den "Gefällt mir"-Knopf. Heute sind es über 80.000.

Holler, 33 Jahre alt, führt eine Unternehmensberatung und steht im Hintergrund der Oppositionsbekämpfer, ein stiller Organisator, CDU-Mitglied. "Ich habe Angst, dass die Stimmung noch kippt", sagt Holler. Damit meint er: Dass die Stimmung von Stefan Mappus noch kippen könnte. "Die Verantwortlichen dürfen nicht umknicken."

Holler: "Dazu müssen wir den virtuellen Protest in realen Protest verwandeln." Letzte Woche hat Gerald Holler mit anderen einen Verein gegründet, es ist ein Facebook-Verein, entstanden aus der Netz-Community. Ihr Protest ist der Protest gegen die anderen. Wahrscheinlich benötigt es erst ein Dagegen, bevor 4.000 Menschen für etwas auf die Straße gehen.

Möglichst schnell wollen Holler, List und Bräuchle die 10.000er-Marke vor dem Rathaus knacken. Und wenn das gelingt, dann stehen eben alle auf der Straße. Die einen als Opposition gegen die Landesregierung. Und die anderen als Opposition gegen die Opposition. Es ist ein Straßenkampf, der allen nahegeht.

Kann dieser Straßenkampf gekauft sein, Christian List?

Wenn es darum geht, dann regt Christian List sich auf. "Wer mir unterstellt, ich handle im Auftrag von irgendwem, der geht an meine Ehre, an meine Integrität." Natürlich, er hätte auch gerne Aufträge von der Deutschen Bahn, sagt er. Als Unternehmer. "Da spricht doch gar nichts gegen. Oder ist es schon verboten, ein Geschäft zu führen?" Vor neun Jahren einmal, 2001, habe er für die Bahn gearbeitet, eine kleine Sache. Und dann gab es noch einen Kaltakquiseversuch bei der Bahn, einmal, telefonisch. "Mehr gibt es da nicht. Was sollen diese Unterstellungen?" Christian List regt sich so auf, dass man ihm glauben muss. Er ist empört, entsetzt.

Natürlich. Auch wenn es viele auf der Gegenseite nicht gern hören. Christian List ist wahrscheinlich nur wie sie, ein empörter Demokrat mit einer Meinung. Auf der Straße scheint Christian List zu verlieren. Aber seine Regierung, immerhin, die scheint nicht aufzugeben. Es gibt schon noch ein paar, die dafür sind, im größten Dagegen-Land der Republik

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31 Kommentare

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  • S
    spin

    jetzt beschwert sich hier das pro-lager über den artikel: "die Befürworter (werden) diffamiert und ihnen wirtschaftliche Eigeninteressen vorgeworfen" (SMart), bzw.: "Im Unterton wird Unehrlichkeit und Inkompetenz unterstellt." (M. Haerer)

    wo denn? die unterstellungen bzw. vorwürfe, die es gibt, werden von kaul DARGESTELLT. die betreffenden bekommen ausreichend platz, darauf einzugehen. das ist völlig seriös. einen "unterton" kann jeder behaupten.

    aber die masche, darstellungen, die sich nicht 150%ig der eigenen position verschreiben, als demagogisch zu denunzieren, scheint doch ein bisschen durchsichtig.

  • R
    Rita

    Wer sich ein genaueres Bild von Pfarrer Bräuchle und seinen Anhängern machen möchte, hier seine Rede von der letzten Demo:

    http://www.youtube.com/watch?v=UYmXVl-_AB0

  • RS
    Reinald Schröder

    Für die TAZ doch ein erstaunlich positiver Bericht über uns und den enorm wachsenden Zulauf. Jeder von uns vielen Tausend dachte ja noch vor fünf Wochen man wäre der einzige "Vernünftige". Ironie ist wohl dosiert und gut verträglich. Was mir aber einen sehr schalen Nachgeschmack verschafft hat, ist die Tatsache, dass der Autor zwei Adressen veröffentlicht. Das habe ich in einer seriösen Zeitung noch nie gelesen. War es nur Gedankenlosigkeit oder Schlimmeres??? Wir haben hier jedenfalls eine Stimmung in Stuttgart, wo es durchaus schon zu Übergriffen im persönlichen Umfeld durch S21-Gegner gekommen ist. Bitte dies in Zukunft zu bedenken.

  • RS
    Rolf Sturm

    Zu "Pfarrer" Bräuchle:

    Das ist schon eine besondere Species, diese anderen 68er. Mit viel Drang zur Selbstvermarktung arbeiten sie ihre damaligen Erfahrungen auf. Jetzt geht es für sie endlich "mal anders herum".

    Arbeitet der Kollege eigentlich noch als Pfarrer? Was sagt denn die Kirchenleitung zu seinen Auftritten?

    Kann mir als Norddeutschem das mal einer beantworten, der dichter dran ist?

  • S
    SMart.

    Schade, wie einseitig zur Zeit über S21 in allen Medien berichtet wird. Ich hatte mich als begeisterter TAZ Leser darauf gefreut endlich einen reflektierten Beitrag Pro S21 zu lesen. Stattdessen wurden wieder einmal die Befürworter diffamiert und ihnen wirtschaftliche Eigeninteressen vorgeworfen.

    Ein bisschen mehr leidenschaftslose Distanz würde den Artikeln über S21 hier echt gut tun.

  • MH
    Martin Haerer

    Der Artikel ist leider nicht sehr objektiv. Im Unterton wird Unehrlichkeit und Inkompetenz unterstellt. Beim Thema Stuttgart 21 ist die Taz so objektiv wie Springer. Ich war jetzt als SPD-Mitglied und überzeugter S21-Befürworter(S21 muss sein) bei mehrern Für-S21-Demos. Ich treffe dort Nachbarn und Bekannte. Zugegben leider auch viele CDU-ler. Dabei hatte ich nicht den Eindruck, dass dabei jemand gekauft wäre.Dies halte ich für eine üble Verleumdung.

    Ein Artikel in der aktuellen Spiegelausgabe über die Wutbürger und Zukunftsverweigerer beschreibt die Lage höchst zutreffend. Es geht bei dem Protest nicht mehr um den Bahnhof, sondern es ist der Konflikt einer alternden Gesellschaft, die keinen Mut mehr für Herausforderungen und Unannehmlichkeiten hat. Die Buddenbrooks lassen grüßen.

  • K
    Katharina

    Die Gegner von Stuttgart 21 sind ja aber nun auch für etwas: Für den Ausbau und die Renovierung des alten, denkmalgeschützten Kopfbahnhofes. Darum kann man sie kaum nur als Anhänger einer "Dagegen"-Kultur bezeichnen.

     

    Und: Man kann über den Bau des Bahnhofes denken was man will, der massive Polizeieinsatz war völlig überzogen.

    Wenn ich nun lese, dass Herr Wagner auf einem Auge blind bleibt und auf dem anderen Auge kaum mehr sieht, macht mich das wütend. Es kann doch nicht sein, dass unliebsame Demonstranten nun zur Strafe "geblendet" werden. Schon allein wegen dieses unglaublichen Polizeieinsatzes habe ich Sympathie für die Pro-Kopfbahnhof-Demonstranten.

     

    @ Grüner: Die taz übernimmt nicht die Zahlen der Organisatoren der Demonstration. Diese sprachen von 150.000 Demonstranten, die Polizei von 63.000. Die Wahrheit liegt erfahrungsgemäß irgendwo dazwischen, darum ist 100.000 Demonstranten eine durchaus realistische Zahl.

  • D
    Dirk

    @ Steffi:

    http://www.kopfbahnhof-21.de/fileadmin/downloads/zehn_mythen.pdf

     

    Siehe auch Querverweise innerhalb Spalte "-> Stichwort: Stuttgart 21" oben rechts. Lesenswert! :-)

     

    @ jonas:

    Das Projekt S21 wurde stets als alternativlos dargestellt. Kritik, alternative Konzepte, oder gar Bürgerbeteiligung ausgeschlossen. Basta! Der Lehrer (Politiker) hat erklärt, worum es geht und wenn der dumme Schüler (Bürger) die frohe Werbebotschaft von der besseren, neuen Welt dann noch immer nicht kapieren wollte, hatte er sich auch schon automatisch für weitere Fragen, oder gar aktive Beteiligung disqualifiziert. So hat man das jahrelang gehandhabt und so handhabt man das noch immer.

     

    Selbst der hier im Artikel erwähnte Pro-S21 Werbefachmann hat dieses überaus einseitige "Werbekonzept" beklagt und durchblicken lassen, daß er sich ein kommunikatives Konzept gewünscht hätte, welches zumindest Kritik aufgreift und diese einbezieht. Genau das war aber nie vorgesehen und genau deshalb gibt es nun erst den Eklat.

     

    Alternative Ideen, Konzepte und Kritik und selbst Unterschriftensammlungen aufgebrachter Bürger sind beileibe nicht neu. Die wurden aber konsequent und beharrlich ignoriert. Auch von der Presse. Jetzt so zu tun, als hätte früher nie jemand auch nur einen Mucks gesagt, ist schlicht und einfach gelogen, denn die Kritik ist so alt, wie das Projekt S21 und war sicher nicht zu überhören.

  • D
    Dirk

    Welche Gegner? Gegner dagegen? Gegner gegen Gegner? Vermeidet doch bitte das Dagegen, denn es ist for allem ein dafür. Man ist entweder für S21, oder für Alternativen wie K21. Daß nach Jahren der bewussten Vernachlässigung des Hauptbahnhofs Handlungsbedarf besteht, darin zumindest besteht Konsens. Es geht hier vor allem um das "wie".

     

    Hier in S gehen die "Gegner" vor allem auch _für_ ihre Vision eines modernisierten Kopfbahnhofs auf die Straße. Kleine Brötchen backen und Gewachsenes zeitgemäß weiterzuentwickeln hat u.A. den Vorteil, dabei dann Gestaltungsspielräume bei der Stadtplanung zu haben. Auch in Zukunft.

     

    Was in einem Interview mit den beiden S21-Befürwortern auf Fluegel.tv zu Tage trat, war u.A. die Erkenntnis, daß selbst sie als Befürworter von S21 davon ausgehen, daß die durch S21 frei werdenden Flächen schon allein aus finanziellen Gründen ebenso steril zubetoniert werden, wie es den bisher beim Bahnhofsrückbau frei gewordenen Flächen ergangen ist: Asphalt, Stahl und Beton wohin das Auge schweift und nicht ein Fleckchen grün.

     

    Bei der Alternativlösung eines modernisierten Kopfbahnhofs würden ebenfalls Flächen frei und es könnten im Zuge des Umbaus durch Überbauung der Gleisanlagen trotzdem ohne weiteren Flächenverbrauch Betonklötzer in die Landschaft gesetzt werden, so man diese denn unbedingt will. Es entfällt aber der Zwang, tatsächlich frei werdendes Bauland nach Gleisvorfeldrück- und Umbau teuer verkaufen zu müssen, was bei S21 fast zwingend weitere Stahl- und Betonwüsten nach sich zieht, da sich das sonst nicht rechnet.

     

    Daß der smarte pro-S21 Werbefachmann es als Vorteil ansieht, so den Rest der Innenstadt vor eben diesen Gelüsten auf noch mehr Stahl- und Betonwüsten zu schützen, indem diese Betonwüsten quasi auf das frei werdende Areal konzentriert werden, halte ich für überaus naives Wunschdenken, zeigt aber einmal mehr, daß selbst die Befürworter davon ausgehen, daß im Zuge von S21 weitere Bausünden folgen. Und sei es nur aus langjähriger Liebe zur CDU-Tradition städteplanerischer Fiaskos in Form von Betonwüsten.

     

    Von mir aus darf der Pfaffe gern einen auf urschwäbischen Häuslebauer und engagierten Bürger machen und gegen uns blökende Chaoten vor sich hin bruddeln (meckern, lamentieren, ...), aber er wird sich irgendwann den Argumenten zu Sachfragen stellen müssen. Ob ihm da allein die eingängigen, frohen Werbebotschaften der Herren Schuster und Co. helfen, wage ich zu bezweifeln, denn eigene Ideen hat er selbst offenbar keine. Mehr als seriöses, tumbes Nicken war da jedenfalls nicht zu erkennen.

     

    Kreativ bleiben! Oben bleiben! :-)

  • G
    Grüner

    "um die 100.000 Menschen." - Interessant! Wieso übernimmt die TAZ eigentlich die unbestätigten Zahlen der Veranstalter und erwähnt mit keinem Wort, dass die Polizei von max ca 60000 Demonstranten spricht?

  • C
    Celsus

    Ein guter Artikel, der nicht übersieht, in welchem Ausmaß dann doch schon die Befüworter gekauft werden müssen. Und eines wollen die Befürworter mit Sicherheit nicht: Eine Abstimmung der Bevölkerung nach Schaffung der direktdemokratischen Möglichkeiten hierzu.

     

    Was die direktdemokratischen Möglichkeiten betrifft: Offensichtlich aber hatte der Auftrag an den Gutachter nicht den Inhalt zu prüfen, wie das rechtlich möglich gemacht werden kann.

  • S
    Steffi

    Obwohl ich eine recht leidenschaftliche Zeitungleserin bin, sind mir bisher weder von den Gegnern noch von den Befürwortern besonders viele inhaltliche Argumente aufgefallen.

    Spontan und auswendig könnte ich nur jeweils eines aufzählen:

     

    Contra: "Das kostet wahnsinnig viel Geld".

    Pro: "Da wird oberirdisch viel Fläche frei."

     

    Wäre eine kurze (im 1-Satz-Format) knackige Aufzählung der jeweiligen Argumente nicht mal einen Artikel wert? Vielleicht jeweils drei oder vier Argumente plus jeweils ein Absatz Analyse wie tragfähig das jeweilige Argument ist?

     

    Wenn schon Sarrazin in jeder Zeitung einen sogenanngten Faktencheck nachgeschmissen kriegt, dann dürfe bei Stuttgart 21 doch mal eine Berichterstattung drin sein, die darüber hinausgeht, dass die Gegendemonstranten echt viele sind und dass die Polzei nicht davor zurückschreckt, Leute erblinden zu lassen.

     

    Und ob es in Stuttgart den Juchtenkäfer gibt oder nicht, dürfte ja wohl oberhalb der Ebene "Das glaub' ich aber nicht" zu klären sein. Wahrscheinlich ist sogar rechtlich festgelegt, welche Art von botanischen Daten da als Nachweis anerkannt wird und welche nicht.

  • W
    Wolfgang

    Beleuchtet die "Befürworter", ihre soziale Zusammensetzung und ihre "Arbeitgeber" etc.

    Das S21-Projekt liegt im Kapitalinteresse, insbesondere auch der (differenzierten) Bauindustrie und deren Eigentümer und Aktionäre - mit guten Verbindungen zur Landes- und FDP-CDU-CSU-Bundesregierung, - von BDI, BDA, Bankenverband etc.

  • J
    jonas

    @ Harry Walter

     

    Ihre Einschätzung der S21-Gegner deckt sich ziemlich genau mit meiner, allerdings finde ich Ihr Urteil über die Befürworter des Projektes gefährlich.

     

    Denn mit Ihren Argumenten könnte man, völlig unabhängig von Streitgegenstand und Argumenten, jeden, der für seine Meinung eintritt, Unaufrichtigkeit unterstellen.

     

    Zur Sache selber:

     

    Ich komme aus NRW. Was genau da in Stuttgart gemacht wird, interessiert mich eigentlich nicht, aber als Steuerzahler wird es auch wieder an mir hängenbleiben.

    Deshalb bin ich FÜR eine von vornerein klare Aussage, was Kosten, Bauzeit und andere Rahmenbedingungen angeht. Und auf diesem Gebiet ist der Staat bei Großvorhaben soweit von guter Kommunikationspolitik entfernt, wie Vattenfall, BP oder die Telekom. Und da hier mal wieder nach Herzenslust gepfuscht, gelogen und getrickst wurde, stößt mir das Projekt übel auf.

    Und auch das Vorgehen der Polizei bei Ihrem unrühmlichen Einsatz im Schloßgarten widerspricht meiner Auffassung von einem "Freund und Helfer".

     

    An diesen Punkten muss gearbeitet werden.

     

    Das Projekt selber ist seit zehn Jahren in Planung, und dass die Proteste jetzt erst einsetzen... Naja, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben...

     

    PS: Hrhr, wie passend. Meine Sicherheitsabfrage ist "bahn" :D

  • KD
    Karl der Juchtenkäfer

    Argumentativ sind die Stuttgart 12 -Befürworter auf "Mappus" Niveau. Also auf 0 !

     

    Es ist eine reine Psyeudo-Kampagne und natürlich liegt auch hier mal wieder die Vermutung nahe.., das da auch Fils und ( die Hoffnung darauf?) dahintersteckt.

     

    Die Steuerzahler, die Naturschutzgesetze, die Historie, die Mehrheit der Bewohner Stuttgarts, die Argumente der Pro-Kopf-Befürworter, die Aushebelung des Grundgesetzes, die Schlägereien, Prügeleien, usw. , die mappusschen Tricksereien, sind diesen Leuten egal., - warum eigentlich.

     

    Wer so ignorant ist.., dem kann man nicht trauen.

    und muß sich der Vermutung aussetzen möglicherweise bestochen worden zu sein.

     

    Das Niveau der Facebookgruppe. "Wir sch.. " ist an Abfälligkeit kaum nocht zu überbieten.

     

    Nö,, diesen "Schleimern" kann man nicht trauen.

  • PB
    Pater Brown

    "Er war es, der in den 70er Jahren die Kirchenjugend rettete." - Ein Blick in den Duden verrät, was beim Sprechen eigentlich klar ist: "70er-Jahre" ist ein Wort und braucht einen Bindestrich.

  • R
    reblek

    "Nachts, wenn die Demo gut gelaufen ist, dann vertilgt er mit Johannes Bräuchle in der Weinstube Klösterle, eines der ältesten Häuser der Stadt, gemeinsam Zwiebelrostbraten." - Nicht doch vielleicht besser "einem der ältesten Häuser"?

  • D
    daweed

    den Quark mit der Facebook gruppe hör ich öfters, und nicht weniger selten, wie sich die Benutzer nicht klar sind wie Sie diese ständige Einverleibung in die Gruppe verhindern können...

     

    Was ist eigentlich realer 80Tsd. Facebook Accounts oder 100Tsd. Demonstranten?

     

    Interessant wäre Fragen an die Befürworter gewesen, wo Sie Stellung beziehen müssten, zu den Argumenten der S21-Gegner wie z.Bsp. Kostenkalkulation der Bahn.

     

    Aber die meisten Gegner sind ja nur linksgrüne Spinner und Berufsdemonstranten.

  • HW
    Harry Walter

    Keine Frage: Es stehen sich in Stuttgart zwei Dagegenwelten gegenüber. Allerdings von unterschiedlicher Stärke und Motivation Auf Seiten der Bahnhofsgegner findet man so ziemlich alles, was der Stuttgarter Kessel an kritischen, oder sagen wir querulanten Geistern zu bieten hat. Das Spektrum der ins Feld geführten Argumente reicht von betriebswirtschaftlich bis lebensreformerisch, verläuft aber quer durch die gesellschaftliche Mitte. Auf Seiten der Bahnhofsgegnergegner finden sich aber meiner Beobachtung nach vor allem diejenigen zusammen, bei denen das Dafürsein und das "positive thinking" längst eine peinliche Nähe zum bloßen Konformismus entwickelt hat. Von der Überzeugung getragen, dass minus mal minus plus ergibt, glaubt man, dass im Gegen-das-Dagegensein das Positive automatisch zum Ausdruck käme. Doch allein schon die mediale Abhängigkeit der Gegnergegner von den Gegnern zeigt, dass es sich hier um eine Sekundärwelt, um eine Protestattrappe handelt, um Trittbrettfahrertum. Die Furcht, "abgehängt" zu werden, veranlasst die Jogging-Spießer gegen die vermeintlichen "Stehenbleiber", die Fortschrittsverweigerer und Negativisten anzulaufen. Das hat etwas Zwanghaftes. Am Ende bedankt man sich brav bei der Polizei, dass sie einem die Wege freigehalten hat. Diese auf die Straße getragene Form des Ja-Sagens ist letztlich nur ein öffentliches Abnicken der Abnickmentalität vieler Politiker, eine neue Erscheinungsform von Opportunismus. Mit dem Stuttgarter Bahnhof hat das nur insofern zu tun, als dieser dem Fortschritt in Richtung Fortschritt so augenfällig penetrant im Weg zu stehen scheint. Und was sich in dessen Nähe an obskuren Subjekten angesiedelt hat, möge am liebsten ebenfalls unter der Erde verschwinden.

  • H
    Hans

    "Stuttgart 21 macht Sinn" - Unter diesem Motto rotten sich nun Kirchenträger, Werbeleute und Unternehmensberater zusammen. Sie haben halt viel zu verlieren: Der Kirchenträger seine finanzielle Unterstützung, der Werbemann seine hochkapitalen Auftraggeber und der Unternehmensberater erhofft sich wohl auch eine Rente nach dem erfolgreichen Protest.

     

    Ja, ihr Motto stimmt, für sie macht Stuttgart 21 Sinn, egal was es kostet und wer es bezahlen muss; sie werden eher die Nutznießer sein.

  • D
    Daniel

    "Ich sprach mit dem Oberbürgermeister, dann lief das."

     

    So, wie's Bräuchle ist im Ländle. Allmählich bröckelt die (Demokratie-) Fassade.

     

    "Wenn die Leute von all dem wüssten, was passiert, würden sie es nicht akzeptieren." - Noam Chomsky, taz-Interview

  • SB
    Sabine Bauer

    Man hört immer nur Für-Stimmen und Gegen-Stimmen, aber nie mal halbwegs neutrale Stimmen. Hier mal ein paar Gedanken zu Sinn und Nutzen basisdemokratischer Bewegungen:

    http://bit.ly/bLcEJA

  • NK
    Nele Krapp

    Über Pfarrer Bräuchle muss man eigentlich keine Worte verlieren. Er ist ein Mensch, der sich - egal wo und wofür bzw. wogegen - eine Plattform für seine Selbstdarstellung sucht.

    In den Gemeinden, in denen er früher tätig war, hat er reichlich verbrannte Erde hinterlassen.

     

    Dass Christian List aus purer Begeisterung für das Projekt Stuttgart 21 auf die Strasse geht, kann man glauben - muss man aber nicht. Die Verflechtung seiner Agentur mit Stadt und Bahn kann Zufall sein - muss es aber nicht.

     

    In der Tat mag man nicht so recht an Zufälle glauben, wenn man sich die folgende Seite anschaut:

     

    http://www.metronaut.de/politik/stuttgart-21-mit-pr-agenturen-gegen-demonstranten/

     

    Und wenn man dann noch bedenkt, dass die CDU-Ortsgruppenverbände Busse sponsern, um begeisterte "Befürworter" nach Stuttgart zu karren ...

     

    Wie auch immer, allein die Tatsache, dass Herr List und Herr Bräuchle für Fledermaus- und Juchtenkäferpopulationen nichts weiter als Gelächter übrig haben zeigt deutlich, wes Geistes Kind die beiden sind: es zählt nur Geld, Macht, Einfluß und der sogenannte "Fortschritt", der natürlich nur technischer Natur sein kann.

    Dass wir alle die Natur - und damit sind eben nicht nur Bäume und hübsche Blümchen im Vorgarten gemeint - für unser Überleben brauchen, dieser Gedanke scheint den beiden Herren wesensfremd zu sein.

     

    Übrigens: die Gegner des Projekts Stuttgart 21 sind durchaus nicht "gegen alles". Ganz im Gegenteil. Sie sind:

     

    FÜR einen leistungsfähigen Kopfbahnhof

    FÜR einen gut funktionierenden und ausgebauten Nahverkehr

    FÜR den Erhalt der wertvollen Mineralquellen

    FÜR den Erhalt des gesamten Schlossgarten als grüne Lunge Stuttgarts

    FÜR eine menschenwürdige und lebensbejahende Stadtplanung

    FÜR mehr Bürgerbeteiligung bei der Stadtplanung und - gestaltung

    FÜR den Erhalt der alternativen Kunstszene

    ... und FÜR vieles andere mehr.

     

    Gefährlich sind die Gegner übrigens auch nicht. Sonst würde Pfarrer Bräuchle wohl kaum ständig im Schlossgarten anzutreffen sein.

  • MM
    mensch meier

    tach auch,

     

    wenn es zugeben würde, gekauft zu sein, dann könnte er es auch gleich lassen.

    Also dürfte die Schweigepflicht als § 1 im Vertrag stehen.

     

    Gleichwohl ist die Strategie geschickt und erfolgversprechend: Wenn die Bilder von dafür und dagegen im Fernsehen ähnlich aussehen, dann kann die Politik sich zurücklehnen und muss ihre Manipulation nicht zugeben.

    Das sind allerdings wirklich diktatorische Verhältnisse, wenn Pro-Kundgebungen strategisch eingekauft werden.

     

     

    Tatsächlich kann man zumindest bei den Teilnehmern davor ausgehen, dass es auch freiwillige sind.

    Es ist ja auch praktisch, wenn einen die Bahn nicht interessiert. Da kann man schön gegen angebliche "Linke" polemisieren und nebenbei nette Beziehungen zum Nachbaranwalt oder anderen Peugeot 807-Fahrern knüpfen. Es leben die konservative Jogging-Bewegung...

  • A
    Autofreier

    Ein Artikel ohne jegliche Argumente zur Sache. Reduziert auf dieses primitive Schmema "gegen etwas sein" und "für etwas sein".

    Wer für S21 ist, ist automatisch gegen K21.

    Und wer gegen S21 ist, ist zumeist für den Stuttgarter Kopfbahnhof.

  • E
    erikius

    Vielen Dank für diese Gegendarstellung, gerade von der TAZ, die sich bisher eher unreflektiert auf die Seite der S21 Gegner gestellt hat - was wohl daran liegt, dass die Gegnerschaft längst von linken Gruppen instrumentalisiert wurde (oder wie läßt es sich erklären, dass S21-Befürworter sogar als Nazis beschimpft werden?).

    Es liegt an der deutschen Kultur, dass wir gegen etwas lieber aktiv werden als für etwas. Von daher haben die Befürworter generell einen großen Nachteil Menschen zu mobilisieren.

    Wir haben ständig Demos von Gewerkschaften, Anti-H4, anderen linken Gruppen etc. und dennoch wurde vor einem Jahr schwarz-gelb gewählt. Zu diesem Zeitpunkt noch eine stille Mehrheit, die nie auf der Strasse gesehen wurde. Wenn man auf Grund der Anzahl von Demonstranten Entscheidungen treffen würden, wären das in der Regel Entscheidungen für eine Mindeheit.

  • E
    Edith

    Ja, die CDU mobilisert alle Kräfte und karrt ihre Mitglieder nach Stuttgart (siehe auch CDU Herrenberg http://www.cdu-herrenberg.de/index.php?option=com_content&view=article&id=300%3Abus-zur-pro-demo-fuer-stuttgart-21&catid=46&Itemid=96 )

     

    Und zu Pfarrer Bräuchle melden sich hoffentlich noch einige, die ihn erleiden mußten.

  • S
    Seq

    Guter ausgewogener Artikel, hatte ich so nicht erwartet.

     

    Kleine Anmerkung: die Gruppe der Befürworter für S21 bei Facebook ist deutlich größer als die der Gegner. Wie repräsentativ das ist sei dahingestellt.

  • VB
    Victor Becker

    "Wir scheißen auf den Juchtenkäfer"

     

    Na das zeigt ja auf welchem sprachlichen Niveau die Pro-S21-Leute unterwegs sind...

  • F
    FriendofEarth

    Journalisten aufgepasst: Wer schreibt mal die Story des Stuttgarter Ex-CDU-Stadtrats Bräuchle? Er lässt keine Gelegenheit aus, vor Mikrofon und Kamera den Märtyrer zu geben. Wie steht es um diese hohe moralische Instanz? Ist er ein "falscher Fuffziger"?

    Die Recherche kann beginnen auf der Homepage der Stuttgarter Parkschützer, tag #bräuchle

  • S
    Superjuchti

    80.000 Unterstützer im Internet und 4.000 auf der Straße. Sind die restlichen 76.000 alles Couchpotatoes?