piwik no script img

Rhythmisches KlatschenZwei Hände, eine Erfahrung

Das Klatschen war immer da in der populären Musik - vom echten Handclap bis zum synthetischen Knallklatscher. Derzeit erlebt dieses Urgeräusch ein großes Revival.

Eine der ältesten Kulturleistungen des Menschen: klatschen. Bild: kallejipp / photocase.com

Klatschen ist eine simple Klanggeste mit universeller Bedeutung und historischem Nachhall. Vom Ausdruck spiritueller Riten bis zum artigen Applaus, als frenetische Anfeuerung beim Sport oder Rhythmus in der Musik - Klatschen dürfte neben der Stimme eine der ältesten Kulturleistungen des Menschen sein.

taz

Dieser Artikel und viele andere Texte erscheinen in der sonntaz vom 16./17. Oktober 2010. Ab sofort mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten. Die sonntaz kommt jetzt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.

Auch in der populären Musik war und ist das Klatschen immer da: als Beatverstärker, Taktgeber, perkussives Soundschnipsel oder Ausdruck spontaner Spielfreude, quer durch die Genres und Jahrzehnte, mal prominent, mal eher versteckt. Die Bandbreite reicht vom echten organischen Handclap in Gospel, Blues und Rock n Roll über Funk und Soul bis hin zur Audiokulisse scharf geschnittener Knallklatscher in modernen HipHop- und Technoproduktionen.

Auf einer aktuellen Vinyl-Maxi des Berliner House-Labels Innervisions etwa unterlegt der Zürcher Produzent Kalabrese den Ethno-Beat der französisch-nordafrikanischen Band Madioko N Rafika mit dem groovenden Klang der zwei Hände. Klatschen als weltumspannender Sound, längst nicht mehr nur in Gospelchor und Rock-n-Roll-Diner, schon lange auch im Techno-Club.

Bereits seit Anfang der 2000er Jahre kann man von einem veritablen Klatschrevival in der Popmusik sprechen. Nicht nur im Dance-Korsett von Post-Disco-Acts wie Metro Area, auch in den Charts wurde der Clapper zum signifikanten Sound. HipHop- und R&B-Musiker wie Missy Elliott, Timbaland und The Neptunes ließen es kräftig klatschen, selten handgemacht, meistens synthetisch. Der New Yorker Rapper Busta Rhymes inszenierte für sein Video "Make it clap" gleich einen ganzen Gottesdienst, und erinnerte somit an alte Klatschtraditionen der Gospelchöre.

"Handclaps klingen so sehr nach Menschen, wie Technik nur klingen kann. Das heißt im Umkehrschluss, wir stecken mitten in einer Wiedererstarkung des Humanen. Versucht das Menschliche sich in unsere schal gewordenen Maschinenträume zurückzuschleichen? Beklatschen wir mit den Claps unsere eigene Unperfektheit als den perfekten Zustand?", spekulierte Sven von Thülen, Redakteur bei De:Bug, dem wichtigsten deutschsprachigen Magazin für elektronische Musik. "Um solch einen Revanchismus der menschelnden Sentimentalisten zu verhindern, üben wir schon mal, perfekter zu klatschen als jede Maschine", unkte von Thülen schließlich über den vermeintlichen Versuch, eine menschliche Note in eine künstlicher werdende Musik zurückzubringen.

Die Zeiten sind in der Tat vorbei, als die US-Funkband The Meters in ihrem "Handclapping Song", Iggy Pops frühere Protopunk-Band The Stooges oder der West-Coast-Psychedeliker David Crosby echte Klatscher in ihre Stücke einbauten. Clapper werden heute zumindest in der elektronischen Musik aus Soundbibliotheken generiert und, wie zum Beispiel beim Berliner House-Duo Tiefschwarz, so lange mit Effekten versehen, bis sie in die entsprechende Klangästhetik des Tracks passen.

Auch in Rock, Pop, Folk und sporadisch selbst im Jazz finden sich seit je hunderte Songs mit dem Klang der zwei Hände. Mit völlig unterschiedlicher Wirkung. Bei den Stooges betont das Klatschen die harte Rhythmik der Gitarren-Riffs, bei den Pop-Poeten Jonathan Richman oder Stephen Duffy eher eine gewisse Lässigkeit. In einem Stück des schwedischen Singer-Songwriters José Gonzáles steht das allgemein mit Lebendigkeit und Flamenco-Feurigkeit assoziierte Klatschen als scharfer Kontrast zu dessen extrem melancholischer Grundhaltung. Bei Foyer des Arts, der früheren Avantgarde-Pop-Band des Schriftstellers Max Goldt, werden auf dem Album "Von Bullerbü nach Babylon" die klatschenden Personen sogar in der Besetzungsliste erwähnt.

Queens Klatsch-Hmyne "We will rock you" wurde zum Klassiker der Rockmusik. Der Jazz-Exzentriker Charles Mingus baute sporadisch Clapper in seine Kompositionen ein. Der "Hand Clapping Song" der Meters aus New Orleans gehört zum festen Live-Repertoire bekannter HipHop-Künstler und Funk-Bands. Die Roots coverten ihn, die Black Eyed Peas und auch die Red Hot Chilli Peppers.

Bei Tom Waits wird das Klatschen zum reinen Imperativ, "Clap hands" heißt sein dunkler perkussiver Blues mit der beschwörend-repetetiv gekrächzten Titelzeile. Nicht ein einziger Handclap ist zu hören. Ganz im Gegensatz zum US-amerikanischen Minimal-Musiker Steve Reich, der sein Werk "Clapping Music" ausschließlich für zwei klatschende Personen komponiert hat und mit diesem simplen Konzept ein komplexes und trotzdem mitreißendes Stück Musik produziert hat.

"Über das Klatschen wird in der Musik eine Brücke zum Zuhörer gebaut, es ist ein menschliches Geräusch. Man holt den Hörer herein in das Stück, es gibt einen Bezug zum eigenen Körper", meint der Kulturwissenschaftler und Poptheoretiker Jochen Bonz über die ungebrochene Faszination des Urgeräusches Klatschen. Rhythmus sieht Bonz "als grundlegende, überindividuelle menschliche Erfahrung".

Wenn das Publikum bei Konzerten mitklatscht, "geht es um ein gemeinsames Dasein in der Situation. Man ist mit den eigenen Händen dabei, man fühlt sich extrem beteiligt." Nicht umsonst dürfte der amerikanische Folk-Beatnik Beck seinen spartanischen Funk-Song "Clap Hands" bei Konzerten regelmäßig gleich zwei Mal darbieten. Und wie heißt es dort so schön: "I'll clap my hands along, and rattle on like a vagabond."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!