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Streit der WocheVerhindert der Medienpranger Sexualstraftaten?

RTL2 will mit „Tatort Internet“ mutmaßliche Pädophile enttarnen, Boulevardzeitungen spüren freigelassene Sexualstraftäter auf. Ihr erklärtes Ziel: potenzielle Opfer schützen.

Stephanie zu Guttenberg kämpft öffentlich gegen Kindesmissbrauch - mit Buch und RTL2. Bild: dapd

In Sachen Grenzüberschreitungen ist RTL2 kein unbeschriebenes Blatt. Der Sender hat sich mit Formaten wie Big Brother und zahlreichen recht freizügigen Dokumentations-Formaten bei den Medienschützern der Republik einen veritablen Ruf als enfant terrible erspielt. Bei RTL2 weiß man: Sex sells. Und Crime auch.

Wenn nun in „Tatort Internet“ Männer vor die Kamera gelockt werden, die in Chats zwölf- bis dreizehnjährige Mädchen angesprochen haben – dann verfolgen die Macher der Sendung nach eigenen Angaben aber vor allem einen guten Zweck: Um Aufklärung gehe es bei dem Format, sagt etwa Ministergattin Stephanie zu Guttenberg, die die Sendung moderiert. Eltern sollen für die Gefahren des Internets sensibilisiert werden, um ihre Kinder besser schützen zu können.

Auch Boulevardzeitungen behaupten, sie handelten aus diesen Motiven, wenn sie aus der Sicherungsverwahrung entlassene Sexualstraftäter aufspüren und ihren Aufenthaltsort publik machen. Durch öffentliches Interesse wollen Boulevardreporter Kontrolle über potenzielle Wiederholungstäter ausüben. Ein Muster, das etwa bei der Freilassung des vorbestraften Vergewaltigers Karl D. im Januar 2010 zu beobachten war. Und von Organisationen wie „familywatchdog“ praktiziert wird, die in den USA umfangreiche Listen mit den Wohnorten verurteilter Sexualstraftäter publizieren. Aus ihrer Sicht: Information zum Schutze potenzieller Opfer.

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Politiker wie Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger äußern allerdings Bedenken: Der mit der Sendung „Tatort Internet“ errichtete Medienpranger berge Gefahren, sagte die Ministerin am Dienstag. So sei etwa eine Vorverurteilung Unschuldiger möglich. Schließlich gilt auch für vermeintliche Sexualstraftäter die Unschuldsvermutung: Urteile fällen Gerichte, nicht Fernsehsender. Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten können während solcher modernen Medienjagden allerdings leicht in Vergessenheit geraten.

Welch gravierendere Folgen eine Zurschaustellung haben kann, das wird am Beispiel des in „Tatort Internet“ aufgespürten mutmaßlichen Pädophilen deutlich: Der Mann wurde mittlerweile von seinem Arbeitgeber Caritas entlassen, und als vermisst gemeldet.

Einige Beobachter halten „Hetzjagden“ auf die Zurschaugestellten für möglich. Das gilt freilich auch für freigelassene Sexualstraftäter. Es geht also darum, was höher einzuschätzen ist: Der Schutz der Persönlichkeit und die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung auch für vermeintliche potenzielle Straftäter – oder der Schutz potenzieller Opfer sexuellen Missbrauchs. Und es geht um die Frage, ob öffentliche Stigmatisierung überhaupt ein wirksames Mittel ist, um potenzielle Sexualstraftäter zu bremsen.

Was meinen Sie: Verhindert der Medienpranger Sexualstraftaten?

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34 Kommentare

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  • A
    Anton

    Es ist doch wirklich erstaunlich: Vor einiger zeit wurde ein gewisser Herr Tauss verurteilt, der (berechtigt oder nicht) mit (illegalen Mitteln und eher untaugliche Methoden) Recherchen zur KiPo anstellen wollte.

     

    Nun bläst man das ganze Medienwirksam auf und trampelt wie ein SWAT-Kommando auf eigene Faust durch Kinderschänder-Dikicht. Und was passiert: Die gleichen "rechtschaffenen" Schreihälse, die Herrn Tauss am liebsten präventiv kastriert hätten stellen sich auf die Seite eines TV-Senders, der im Grunde eine ebenso sinnlose und fragwürdige "Nachforschung" betreibt, wie eben jener Herr Tauss.

     

    Was fällt mir dazu anderes an als blütrünstiger Mob!

     

    Argh!!!!!

    Anton N.

  • OO
    Onkel Otto

    Vielleicht sollte Frau von Guttenberg erstmal ihrem Göttergatten gehörig auf die Finger hauen, denn dieser nimmt als Oberbefehlshaber der Bundeswehr in Afghanistan, den Tod eben auch vieler Kinder billigend in Kauf! Und das im Namen aller Deutscher!

    Es ist absolut unerträglich und widerwärtig, wie die Bigotterie immer weiter kultiviert wird!

  • HL
    Helge Limburg

    Nein, Internetpranger verhindern leider keine Sexualstraftaten. Selbst wenn damit öffentlichkeitswirksam vor einzelnen potentiellen Tätern gewarnt wird, bleiben viele andere gleichzeitig unerkannt aktiv. Wirksamer Opferschutz und Prävention wäre es stattdessen, die Medienkompetenz bei Kindern und Eltern zu verbessern und das Selbstbewusstsein von Kindern zu stärken, damit sie solchen Tätern nicht auf den Leim gehen. Die Internetpranger schüren stattdessen Ängste und Panik ohne zur sachlichen Aufklärung beizutragen.

  • D
    das_schaf

    Warum muss ich automatisch bei dieser Sendung an Frau von der Leyen denken?

    Und spontan, vllt liegt es an dem letzten Post, an dieses YouTube Video:

    http://www.youtube.com/watch?v=86glE4BgRAo

     

    Zu meiner Schande? muss ich gestehen, dass ich grandiose 20Min dieser "RealitySoap" sehen konnte, danach war es mir einfach zu wider. Demnächst führen wir die Todesstrafe für Sexualverbrecher ein, alles nur zum Schutz des Volkes und der Kinder.

    Das die Menschenrecht, aber dummerweise für jeden Menschen gelten, wird hierbei völlig auser Acht gelassen.

     

    Naja egal, wenn die Verschärfung des Volksverhetzungsparagraphen so in der Form einklang findet, ist es zwecklos noch etwas gegen den Staat und seine Schergen zu sagen, es sei denn man möchte zu den, von RTL2 und Frau zu G. gefangenen Pädiphilen in den Knast...

  • K
    koepyomi

    Wer Kinder und andere Menschen sexuell missbraucht gehört bestraft. Ohne Wenn und Aber und vorallem: Ohne Bewährung. Denn: Die Opfer haben auch keine Bewährung. Solche Sendungen verhindern aber nicht einen Fall von sexuellem Missbrauch. Sie sind nur für die Medien, die an die niedrigsten Instinkte der Menschen appellieren, von Nutzen. Höhere Auflagen, eine höhere Einschaltquote und demnächst das 1. Todesopfer durch diese Hexenjagd. Ob es nun der von diesen Medien "geoutete Täter" oder ein Angehöriger selbigen, spielt keine Rolle. Auf der Strecke bleibt das Recht,die Menschlichkeit und sie Gerechtigkeit. Auch als Opfer von Missbrauch will ich keinen Unschuldigen im Gefängnis sehen. Denn damit bleibt auch mein Recht als Opfer auf der Strecke.

  • D
    DrNI

    Die Sendung mit Frau von Guttenberg hat leider einen konzeptionellen Fehler, der nicht jedem Zuschauer sofort intuitiv einleuchten dürfte: Kinder und Jugendliche verhalten sich in Chats und anderen Internet-basierten Kommunikationsformen anders, als erwachsene "Kinderschänder-Köder" das tun. Letztere müssen nämlich unbedingt jemanden an die Angel bekommen, dies ist ja schließlich die sensationsgeile Absicht der Sendung. Damit wird ein völlig falsches Bild von einer Bedrohung gezeichnet das am Ende auch noch die Internet-nutzenden Kinder und Jugendlichen für dumm verkauft.

  • M
    Mac-Lennox

    Das Ganze erinnert mich stark an den Film "Minority Report", der auf einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick beruht. Dort wird unter anderem die Frage aufgeworfen, ob ein Verbrechen bereits als ausgeführt zu werten ist, obwohl es erst in Gedanken verübt wurde?

     

    Die potenziellen Sexualstraftäter haben noch kein Verbrechen begangen, sondern lediglich in ihren Gedanken. Gehören sie deshalb schon an den Pranger? Schließlich können sie sich vor Tatbegehung anders entscheiden.

     

    Wenn Turtle davon spricht, dass die vermeintlichen Täter triebgesteuert seien und nicht mehr rational handeln könnten, so verweise ich auf S. Freud und dessen "Unbehagen in der Kulter". Wenn wir unseren Sexualtrieb nicht zumindest teilweise beherrschen könnten, würden wir unseren Sexualpartner noch immer mit einem Keulenschlag betäuben und zu uns in die Höhle schleifen.

  • Z
    Zustimmung

    was @nun mal ernsthaft geschrieben hat, gehört dreimal unterstrichen!!!

  • P
    Pfleger

    Jetzt mal ein wenig off topic.

     

    Muslim Bashing, Hartz- Bezieher Bashing, wem es

    mies geht, ist wohl selber schuld.

    Humanismus, Aufklärung- veraltete Konzepte einer

    vergangenen Zeit.

    Insofern hat der Guido recht; es wird wieder

    spätrömisch dekadent.

    Teile und herrsche, sowie Brot und Spiele, das scheint

    die Zukunft zu sein.

    Wende mich ab mit Grausen, das ist nicht mehr mein Land.

  • HG
    Hr. Gluckenburg

    Lasst uns doch mal konkret werden, oder anders:

     

    Man sollte Frau Obama-Guttenberg mal fragen, welchen präventiven Sinn es denn hatte, den Arbeitsplatz des Caritas Mitarbeiters 5 lange Monate nicht zu informieren??? Der Mitarbeiter, der ganz nebenbei Heimleiter eines Kinderdorfs war und seiner Arbeit nachgegangen ist?

    Wie will man das gutheißen? Wenn selbst in den glücklichen Momenten dieser arg bescheidenen Sendung die hochgehaltene Präventivmaßnahme nix nützt weil sie keine ist, dann gehört das schleunigst abgesetzt.

     

    Diese Sendung nützt niemandem, erst Recht nicht den 80% der Opfer die von Vater, Mutter, Onkel oder sonstigen "Familienmitgliedern" missbraucht werden und auch keinem einzigen Elternteil in Sorge.

  • M
    MontiBurns

    @Andy Und ja, auch Pädophille sind Menschen - und nicht jeder mit dieser Neigung lebt diese auch sexuell aus

    genau... ein bisschen Gesprächstherapie und hoffen, dass das mit der kleinen 7-jährigen nur ein Ausrutscher war..

    ob man das senden muss... naja wohl nicht, aber jedes Schwein, dass so auffliegt wird sich in Zukunft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr an Kindern vergreifen... und die Aussagen, dass sind auch Menschen.. das waren Nazis, Stalinisten, Rote Khmer etc auch.. ich würde jedem dieser "Menschen" eigenhändig die E+++ abschneiden, wenn er sich an meiner Tochter vergehen würde.. warum regt sich keiner über diese Schweine auf und nimmt sie sogar in Schutz...

  • N
    nyx

    So sehr ich diese Leute verachten mag: sie sind Menschen. Und die Würde des Menschen ist unantastbar. Punktaus.

  • T
    Tabberta

    Am Pranger stehen ja wohl die Menschen, die dieses Thema aufklären wollen!

    Wer sich rechtfertigend und schützend vor die Täter stellt und ein Klima der Akteptanz schaffen will, verhindert jedenfalls die Eindämmung der sexuellen Gewaltbereitschaft gegen Kinder.(Nachzulesen bei Dr. G.Bohner, University of Kent)

  • BI
    Bertram in Mainz

    Ein Internet-Pranger für Sextäter ist gefährlich. Es kann leicht zu Lynchjustiz kommen. Wer das toll findet, der soll bedenken, dass die auch ganz Unschuldige treffen kann. Auch Kinder, wenn z.B. jemand Feuer legt!

     

    Wieso sollen weitere Taten eines Entlassenen dadurch verhindert werden? Der wird ja erst recht "scharf" gemacht. Wer jeden Tag die Feindseligkeit der Umgebung zu spüren bekommt, hat bald keinerlei Hemmungen mehr. Vielleicht macht er einen spektakulären "Abgang" nach dem Vorbild der Amokläufer.

     

    Die jetzt diskutierte Sendung in RTL habe ich nicht gesehen. (Privatsender gucke ich fast nicht mehr u.a. wegen der unerträglichen Werbung.) Aber es gibt ja überall Diskussionen dazu. Es könnte natürlich sein, dass ein potentieller Täter solche Kontaktaufnahmen in Zukunft lässt, wenn er weiß, dass es solche Fallen gibt. Das könnte man aber in einer sachlichen Form tun, wie es bei anderen Themen die Magazine von ARD und ZDF mit versteckter Kamera machen.

     

    Eine solch reißerische Sendung halte ich für eine große Gefahr in ganz anderer Hinsicht. Hier wird das Internet verteufelt. Politiker sind zunehmend der Ansicht, dass das Internet stärker überwacht werden muss. Wenn Fahnder gewissermaßen "Streife gehen" im Internet, ist das auch nicht schlimm. Aber zunehmend gibt es die Absicht, jede Aktivität, jede Kommunikation zu überwachen und zu protokollieren. Solche Sendungen wie die von RTL heizen die Stimmung weiter an. Sie bereiten auch den Boden für eine Zustimmung der Bevölkerung zu immer weiter gehenden Überwachungsmaßnahmen. Davor sollten wir uns wirklich fürchten!

     

    Ich glaube nicht, dass sich das zunehmende Jagdfieber auf wirkliche Täter beschränken lässt. Zunehmend wird man schon die erste Tat verhindern wollen. Das kann dann jeden treffen, der ins "Beuteschema" der Fahnder passt.

  • T
    Tabberta

    Sie sollen ein 15 Jahre altes Mädchen in einer Kaserne in Marseille mehrfach zum Sex gezwungen oder bei dem Martyrium zugesehen haben. Das Opfer beging nach den Staftaten im Sommer 2004 Selbstmord

  • WM
    Walter Möseneder

    Natürlich nicht. Pädosexuelle gehen mit enormer krimineller Energie vor. Letztlich fördert der Medienpranger nur die Brutalität und Kreativität solcher Verbrecher.

     

    Vielleicht macht sich jemand die Mühe, die Begriffe

    Pädophilie und Pädosexualität sauber abzugrenzen.

    Verfolgt werden Pädosexuelle nicht Pädophile.

  • NM
    nun mal ernsthaft

    Klar geht es hier nur um Quote. Sex sells and bad news is good news. Doch wer ist hier Opfer und wer Täter? ...ein qualifizierter Beitrag, Missbrauch zu verhindern wird hier meines Erachtens keineswegs erbracht, der Beitrag hierzu ist meiner Meinung nach gleichzusetzten von Niveau und Sinnhaftigkeit her mit NPD-Forderungen nach der Todesstrafe für Kinderschänder. RTL2 hebelt den Rechtsstaat hierbei aus und tut etwas, was Strafverfolgungsbehörden nicht dürften: Einen Köder auslegen. ...dass Personen in den Filmen enttarnt werden, um dann dem Stammtisch-Lynchmob zum Oper zu fallen und ihren Beruf verlieren, ist meiner Meinung nach mit dem Pressekodex nicht zu vereinbaren. Wer helfen will, studiert Soziale Arbeit und bewirbt sich bei Pro Familia, Frau Guttenberg!

  • KH
    karl hugo

    Der "Internetpranger" ist unwirksam und erhöht im Gegenteil noch die Hemmschwelle der Opfer, Täter anzuzeigen und sich als Opfer zu erkennen zu geben.

     

    Wer sich mal die Mühe macht, in die Kriminalstatistik reinzublättern wird feststellen, dass immer noch die überragende Mehrheit der Sexualstraftaten von Tätern aus dem persönlichen Umfeld des Opfers begangen werden. Nicht selten stammen die Täter sogar aus dem familiären Umfeld und sind enge Bezugspersonen. Diese öffentliche Hinrichtung vermeintlicher Straftäter ohne rechtsstaatliche Grundlage verstärkt den Leidensdruck der Opfer, die in vielen Fällen(gerade bei sexuellem Missbrauch von Kindern)gewaltige Angst vor der Konfrontation mit dem Täter haben.

     

    Wenn die Opfer dann noch erleben müssen, dass sich eine sensationsgeile Öffentlichkeit über ihren Fall hermacht und die Vergewaltigung öffentlichkeitswirksam ausgeschglachtet wird in Form von Büchern, Blogs und Bild-Schlagzeilen,dann muss man sich fragen, wie die Opfer ihr Trauma vernünftig aufarbeiten sollen, wenn sie tagtäglich daran erinnert werden.

     

    Die Aufklärungsquote bei Sexualstraftaten hängt wesentlich davon ab, ob es, aus Perspektive des Opfers betrachtet, möglich ist sich frei von Druck zu offenbaren und Anzeige zu erstatten. Tatort Internet, die Affäre um den Kachelmann-Prozess und Co bauen da einen ganz enormen Druck auf, der viele Menschen daran hindern wird, die Täter anzuzeigen.

     

    "Tatort Internet" konterkariert damit die eigene Zielsetzung, die Zahl der Sexualstraftaten in Deutschland herabzusetzen und gehört deswegen abgesetzt!

  • A
    Andy

    An Beispielen wie dieser Fernsehsendung und der verlogenen, zynischen medialen Begleitung in BILD und anderswo zeigt sich, dass wir in zivilisatorischer Hinsicht nicht viel weiter sind als in der Zeit der öffentlichen Auspeitschungen auf Marktplätzen.

    Immer findet sich ein Mob, der Beifall klatscht und schreit "Richtig so!"

    Das Perfide an dieser Kampagne ist, dass man automatisch als Kinderschändersympathisant gebrandmarkt wird, wenn man Bedenken äußert.

     

    Dabei geht es bei der Kritik gar nicht so sehr um den Gegenstand des Kindesmissbrauchs sondern um die zynische Aufbereitung in Form dieser Sendung, die äußerst bereitwillig in Kauf nimmt, Menschenleben zu zerstören.

     

    Und ja, auch Pädophille sind Menschen - und nicht jeder mit dieser Neigung lebt diese auch sexuell aus. Es handelt sich um Menschen mit einer von der Norm abweichenden Orientierung, denen mit therapeutischer Betreuung und Prävention viel besser geholfen ist als mit massenmedialer Vernichtung. Wem soll das denn was bringen, wenn ein Mensch sich das Leben nimmt weil man ihn im TV an den Pranger gestellt hat? Wollen all die empörten Anständigen in dieser ach so moralischen Gesellschaft wieder Blut sehen?

     

    Für mich passt diese Sendung sehr gut ins Gesamtbild gegenwärtiger Entwicklungen. Hass und Ausgrenzung aller Orten - medial befeuert:

    Der Umgang mit den Roma (heute in Frankreich, morgen vielleicht auch hier), Integrationsdebatte (sicher nötig, aber vielfach zu platt und durchsichtig und niemandem nützend), immer mal wieder Kampagnen gegen Erwerbslose.

     

    Wir scheinen uns immer mehr zu einer barbarischen Gesellschaft zu entwickeln - und das wird offensichtlich von Medien wie BILD gesteuert. Also ist zu fragen: Wem dient es? Wem dient diese aggressiv aufgeladene Atmospähre, in der nur noch gekeifert und mit Anschuldigungen und moralischen Urteilen um sich geworfen wird?

    Es geht immer hässlicher zu in diesem Land.

     

    Eine wahrhaft aufgeklärte und humane Gesellschaft will niemanden an einen Pranger stellen, sondern erkennt auch die nicht so gut ins starre Bild des guten Bürgers passenden Menschen als ihre Mitglieder an. Sie setzt auf Integrationsangebote, Hilfestellungen und Prävention von Gewalttaten, nicht auf reißerische Hetzjagden.

  • T
    Turtle

    Was meinen Sie: Verhindert der Medienpranger Sexualstraftaten?

     

    Die meisten Sexualstrafstaten passieren im Familien- und Bekanntenkreis. Wie soll ein Medienpranger davor schuetzen? Abgesehen davon handeln die Taeter ja nicht rational und Triebe kann man nicht abschrecken, es sind keine Eier (frei nach V. Pispers).

  • N
    notjustified

    Dieses RTL-2 Format ist einfach nur widerlich und menschenverachtend. Es geht nicht um die Opfer oder um den schutz selbiger sonder ausschließlich um eine Hetzjagd nach vermeintlichen "Monstern". Sowas faszinierte den Mob schon vor hunderten von Jahren. Ich hoffe, dass es es genügend Gegenwind aus Bevölkerung, Verbänden und Medienkontrolleuren geben wird um diese Hetzjagd-'Formate garnicht erst richtig Fuß in der deutschen Medienlandschaft fassen zu lassen.

  • DU
    der Uli

    der Pranger hat schon immer die Sensationslust des Packs bedient - und noch nie Straftaten verhindert.

    Bestenfalls werden einige Täter gelyncht - aber die Todesstrafe hat ebenfalls kaum abschreckende Wirkung.

     

    Verhindern kann man diese Taten nur mit der Stärkung der Kinder und einem verantwortungsvollem Umgang mit den Medien. Und mit "Augen auf".

     

    Bestimmt werden aber einige Täter das Revier wechseln und wieder ins Ausland fliegen - ein toller Erfolg

  • GZ
    Graf Zahl

    Inwieweit ein Mann, der gezielt Minderjährige in Internetchats anspricht, um wie auch immer geartete Handlungen mit ihnen zu begehen, als "potenziell unschuldig" gelten kann, halte ich für höchst fragwürdig.

     

    Ob dadurch jetzt das Sendeformat besser wird, sei mal dahingestellt; von der Art, wie auf RTL, RTL2 und Konsorten Themen angegangen werden, halte ich in aller Regel wenig.

     

    Nichtsdestotrotz: Kindesmisshandlung verdient nicht die geringste Toleranz!

  • F
    Flo

    Ich selbst habe schon vor einiger Zeit aufgegeben noch etwas sinnvolles in den heutigen Fersehformaten zu finden. Ich halte "Tatort Internet" für ein gefährliches Unterfangen. Es wird hier dem Konsumenten eine Inszenierung mit reality faktor bereitgestellt und jeder kann nach Lust und Laune in Stasimanier mitmachen und verurteilen. Es steht hier außer Frage, dass Sexualstraftäter zu einer Art von Menschen gehören, die vieler Meinung nach nichts anderes Verdient hätten.

    Für mich steht hier ebenfalls außer Frage, dass es sich bei diesem Format um eine sehr einseitige und populistische Aufmachung handelt, die dem Normalbürger partizipation in Bereichen einräumen kann, die außerhalb seiner Berfugnisse steht. Und zwar deshalb, weil es äußerst fraglich sein dürfte, beim Konsum dieser Sendung eine Objektive und unvoreingenommene Meinung zu einem potenziellen Straftäter entwickeln zu können.

    Es ist ein tabuthema, welches jetzt eine Masse beschäftigen soll und den Blick auf ein Thema lenkt, welches grausamkeit und unbarmherzigkeit im begleitenden Diskurs beinhaltet. Dadurch sind die Reaktionen des Konsumenten natürlich vorhersehbar und deutlich. Wer gegen Pädophilie vorgehen will, kann dies auch jetzt. Ohne RTL2! Es läuft mir ein schauer über den Rücken und habe folgende Frage. Was ist wohl der einfachste und beste Weg die Persönliche Freiheit aufzuheben oder aufzuweichen?

    Es steckt einfach so viel mehr dahinter....populistische Kackscheiße!

  • E
    Elvenpath

    Nein. Es geht nur um Einschaltquoten. Geholfen wird daurch keinem einzigen Kind.

  • J
    Jan

    Ein Medienpranger könnte die Straftaten verhindern, wenn die Täter im Voraus Vor- und Nachteile ihrer Tat abwägen und sich wegen zu großer Nachteile (= dem potentiellen Pranger) dagegen entscheiden. Nur wer würde Personen mit einer psychischen Störung (Pädophilie) pauschal rationales Denken unterstellen?

     

    So zeigt die Sendung potentiellen Tätern höchstens wie einfach man im Internet an Opfer kommt und spornt sie an es mal zu versuchen. Und RTL2 kann sich dabei gleichzeitig an Quote und Moral erfreuen.

     

    Ein Fest für Zyniker.

  • J
    Jens

    Hey Leute, aufwachen.

     

    Es geht den Leuten von RTL doch gar nicht um Opferschutz.

     

    Wenn ich Grundrechte aushöhlen will, bin ich doch nicht so blöd, und greife "unbescholtene" Bürger an (wie es die Stuttgarter Polizei gemacht hat), sondern ekelige Randgruppen. Wo sich Volkes Meinung einig ist. Und dieser Personengruppe nehme ich dann scheibchenweise entscheidende Rechte. Bis dann die Rechtlosigkeit bei allen angekommen ist

     

    Darum gilt in einem Rechtsstaat auch immer: Gleiches Recht für alle - und nicht nur für "unbescholtene" Bürger.

     

    Ansonsten sind unsere Rechte als Bürger relativ und hängen vom Gutdünken von BILD, Frau von und zu und den anderen Mächtigen ab.

    Schaut Euch in diesem Zusammenhang nur den Rufmord an Herrn Tauss an.

     

    Oder, um in die Historie abzuschweifen: Schaut Euch an, wie Herr Freisler noch zu Weimarer Zeiten berühmt werden konnte. Und wie es in diesem Zusammenhang den Nazis gelang, mit Zustimmung weiter Teile der Bevölkerung grundlegende Rechtsgrundsätze auszuhebeln.

     

    Was mich in diesem Zusammenhang wundert, ist das renitente Vergessen der Menschen. Offensichtlich müssen alle Fehler der Vergangenheit immer wiederholt werden. Dies auch, weil Zeitungen wie die taz sich weigern, als Gedächtnis zu dienen.

  • HL
    Hauke Laging

    Diejenigen, die solche Informationen fordern oder ihre Verbreitung legitimieren möchten, sollen mal ganz konkret ansagen, was sich dadurch ihrer Ansicht nach positiv ändert.

     

    Darf dann das Kind, das neben einem Sexualstraftäter wohnt, das Haus nicht mehr verlassen? Will der Staat das dem Kind zumuten? Nein. Also müsste der entweder verhindern, dass ein Sexualstraftäter neben einem Kind wohnt, oder zum Schutz der freien Entwicklung des Kindes verhindern, dass diese Information bekannt wird.

     

    Die nächste Frage ist natürlich: Wie weit entfernt von einem Kind darf ein Sexualstraftäter wohnen? Wie viele Nachbarkinder von Sexualstraftätern sind überhaupt schon Opfer von diesen geworden? Vielleicht ist es ja sehr sicher, direkt neben einem Sexualstraftäter zu wohnen, weil der trotz Triebstörung nicht so blöd ist, ausgerechnet das Nachbarkind...

     

    Was also sollen die Regeln dafür sein, wo Sexualstraftäter wohnen dürfen, und warum sollte trotz dieser Regeln und ggf. ihrer Überwachung ein Informationsbedürfnis der Anwohner bestehen? Was machen die mit dieser Information, das die Situation verbessert?

     

    Wer wirklich Kinder schützen will, sollte sich um Prävention und eine niedrigere Dunkelziffer bemühen. Und zumindest Gewaltstraftäter (nicht nur Sexualstraftäter) sollten erst dann wieder in Freiheit kommen, wenn sie den Nachweis erbracht haben, dass sie aller Voraussicht nach nicht mehr gefährlich sind. Aber beides ist wohl zu kompliziert. Eine Adresse zu veröffentlichen, ist so schön einfach.

  • J
    Johannes

    Ich empfehle jedem, der über die Sendung "Tatort Internet" urteilt und sich Sorgen um den 61-jährigen Pädagogen (Chatname Xerxes) macht, die Sendung auf YouTube anzusehen.

  • T
    Tortilla

    Was meinen Sie: Verhindert der Medienpranger Sexualstraftaten?

     

    Nein. Die Taten werden vermutlich noch mehr im Verborgenen stattfinden, noch schwerer zu ahnden sein, das Leben der Opfer wird noch gefährdeter sein.

  • M
    Martin

    Bei "Rechten" hat die taz doch nichts gegen Medienhetze - siehe die Kita Angestellte - hier hat die taz persönlich angerufen und sich um Entlassung bemüht... Woher kommen jetzt die Zweifel?

  • V
    vorp

    ein weiteres bausteinchen der allgemeinen refaschistisierung westlicher gesellschaften...

  • CC
    Claus Carstensen

    Nein, diese auf Auge für Auge zurückgeführte Show wird schon sehr bald dazu führen, daß sich irgend jemand aufs Faustrecht besinnt und einen der dort vorgeführten Menschen persönlich verurteilt und hinrichtet.

     

    Das ist eine reine Frage der Zeit.

     

    Und die Bild wird wohl einen Leserreporter live dabei haben

  • K
    Karl

    Ah!

     

    Die Neocons rufen dazu auf sich gegen die FDGO, so extrem unvollkommen diese auch sein mag, zu stellen und sich verfassungsfeindlich zu verhalten!

     

    Abschaffung von Unschuldsvermutung und die Garantie eines rechtsstaatlichen Verfahrens sind Kennzeichen der offenen Diktatur!

     

    Wo sind Staatsschutz und LfV wenn sie wirklich gebraucht werden?

     

    Karl