piwik no script img

Bundestags-Eklat wegen AKW-LaufzeitenOpposition sieht ihre Rechte verletzt

Die Regierung drängt bei der Verlängerung der AKW-Laufzeiten zur Eile, die Opposition sieht sich getäuscht. Nach einem Eklat im Umweltausschuss fordert sie, das Bundestagsvotum zu verschieben.

Erhitzte Gemüter unter der Kuppel: Während eines Treffens des Umweltausschusses kam es zum Eklat. Bild: dpa

BERLIN taz | Dass Regierungs- und Oppositionsparteien sich streiten, gehört zum parlamentarischen Geschäft. Der Krach, den es am Dienstagabend im Umweltausschuss des Bundestags gegeben hat, war aber offenbar so heftig, wie ihn viele Abgeordnete noch nie erlebt haben. Das zeigen die empörten Stellungnahmen von allen Seiten.

"Die Beratungsrechte der Minderheit sind erheblich verletzt worden", sagte etwa Volker Beck, langjähriger Abgeordneter der Grünen: "Ein solches Beratungsverfahren habe ich noch nicht gesehen." Dagmar Enkelmann (Die Linke) kritisierte, die "Tricks und Täuschungen", mit denen die Koalition das Atomgesetz durchdrücken wolle, machten "jede ordnungsgemäße parlamentarische Beratung unmöglich". Matthias Miersch (SPD) erklärte, Union und FDP fürchteten offenbar kritische Nachfragen und eine inhaltliche Debatte. Das Motto laute: "Bloß keine Fakten auf den Tisch."

Hintergrund des Streits ist der Zeitdruck, mit dem die Regierung die Verlängerung der AKW-Laufzeiten durchbringen will. Die Zeit für Expertenanhörungen und Ausschussberatungen war dadurch stark begrenzt. Um den engen Zeitplan zu halten und wie vorgeschrieben zwei Tage vor der für diesen Donnerstag vorgesehenen letzten Entscheidung im Bundestag ein Votum im Umweltausschuss zu erreichen, hatten die Regierungsfraktionen mit ihrer Mehrheit per Geschäftsordnungsantrag verhindert, dass Abgeordnete der Opposition inhaltliche Änderungsanträge stellen konnten.

Dies verletzt nach Ansicht der Opposition die parlamentarischen Regeln. Darum wollen SPD, Grüne und Linke beantragen, die für heute geplante Abstimmung im Bundestag zu verschieben. Auch diese Forderung können die Regierungsfraktionen mit ihrer Mehrheit aber ablehnen.

Die Union wies die Vorwürfe zurück und griff ihrerseits die Opposition an. Diese habe durch "massive Obstruktionspolitik" und "zahlreiche Störungen" versucht, die Abstimmung zu verhindern, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion, Marie-Luise Dött.

Der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, wies die Kritik energisch zurück. "Die Beschimpfung der Opposition kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bundestag in diesem Gesetzgebungsverfahren nicht in dem gebotenen Maß beteiligt wurde."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • T
    Timur

    Und an ihren Taten werdet ihr Sie erkennen.

     

    Ich bin zwar kein Krist aber was die Worte Jesu so klar aussagen kann hier wunderbar nachvollzogen werden.

     

    Dieser unser Staat ist ein von einer "elitären" kalten sruppelosen Minderheit geführtes Land.

    Es werden Millionen für Lobbyismus ausgegeben. Die alten und neuen Bruderschaften mit ihren regelmäßigen Treffen machen die Politik.

     

    Schreiben vor worüber geschrieben wird und hetzen die Menschen nach sehr alter "teile und hersche" Manir auf einander.

     

    Aber keiner scheint es zu bemerken keiner kümert sich darum.

     

    Doch! Ein neuer Wind zieht über Land. Frankreich im dauer Protest "Brave" Stuttgarter setzen deutlche Zeichen.

     

    Und wießt ihr was? Die Herschaften ganz unten geben jetzt umso mehr Gas.

     

    Die Menschen dieser Erde demetert es langsam. WIR entscheiden dort wo WIR wohnen für unser Leben. Nicht kurzfristit sondern Langfristig. 20 50 80 150 200 400 Jahre in die Zukunft.

     

    Nachhaltig und Erdverbunden.

     

    Wir erschaffen unsere Erfahrungen INDIVIDUELL wie auch KOLLEKTIV.

    Ein altes Wissen wird neu endeckt. Hohe Ziele werden gesteckt.

  • RM
    Regine Metes

    Hier wird aber auch alles verletzt: Das Recht der Länder zur Mitsprache, das Recht der Opposition zur Mitsprache, das Recht der Bürger auf Sicherheit: denn die Wartungsvorschriften für die AKW's sollen geändert oder abgeschafft werden - und das unter der Federführung der Kanzlerin, der Ex-Umweltministerin, und Zuständigen für Reaktorschutz.

  • J
    Jens

    Wie leider sehr oft läßt der Artikel Hinweise auf Originalquellen vermissen. Aus meiner Sicht ist es gut und richtig, das Journalismus Themen lesbar aufbereitet, ein Journalismus mit Anspruch auf Objektivität sollte aus meiner Sicht dem Leser auch die Möglichkeit geben die Informationen zu selber zu prüfen. Diese Kritik richtet sich an die meisten mir bekannten Medien, jedoch bin ich Genossenschaftsmitglied geworden da die taz in vielen Bereichen andere Wege geht. Ich würde mir wünschen, das die taz mit verlinkungen und Hinweisen auf die Quellen es Lesern vereinfacht sich eine differenzierte Meinung zu bilden.

  • FH
    Frank Ho

    "Union und FDP fürchteten offenbar kritische Nachfragen und eine inhaltliche Debatte. Das Motto laute: "Bloß keine Fakten auf den Tisch." -

     

    Klingt mal wieder wie die regierungsamtlichen Nebelbänke zu Stuttgart21. Oben bleiben !

     

    Grüsse

  • K
    Klingelhella

    Ich bin hoch erfreut; solche Eklats sind Anzeichen, dass langsam ein paar Leute aufwachen. Vielleicht merken diese bräsigen Parlamentarier doch noch, das Politik mehr ist als nur Verwaltungsarbeit. Ich hab ehrlich gesagt die Nase voll von Politikern, die dasselbe Demokratieverständnis haben ein Wackeldackel; und es wird Zeit, dass die Regierung, die seit ihrem Antritt vor einem Jahr die Demokratie- und Bürgerverachtung zelebriert, ordentlichen Gegenwind bekommt.

  • EM
    Eßer Matias

    Zur Qualifikation und politischen Einordnung ein Zitat über Frau Dött:

     

    "Nach einem Bericht der Financial Times Deutschland [1] hat Marie-Luise Dött an einer Veranstaltung von Klimaskeptikern teilgenommen. Dort habe sie gesagt, sie halte den Klimaschutz für eine Ersatzreligion und bezeichnete die Positionen des umstrittenen Physikers Fred Singer als sehr einleuchtend. Im Juni 2010 wurde sie beim Göttinger Colloquium angetroffen, auf dem EIKE-Mitglied Friedrich-Karl Ewert darüber referierte dass vermutlich die Erderwärmung auf Sonnenaktivität zurückzuführen sei, und bewertete diese Veranstaltung durchweg positiv.[2]" wikipedia am 27.10.

  • T
    Tschabaladores

    Es geht hier nicht nur um AKW-Laufzeiten. Wie man schon bei Stuttgart 21 sehen kann, ist schwarz-gelb gewillt, die Interessen von Konzernen und Großkapital gegen den Willen einer breiten Mehrheit der Bürger mit aller Macht durchzudrücken. Die unverhohlen offene Klientelpolitik und die Verachtung des parlamentarischen Entscheidungsverfahrens zeigt, wie es diese Herrschaften mit der Demokratie und Volkes Willen halten. Sie sehen ihre parlamentarische Mehrheit als Blankoscheck um in diktatorischer Manier zu handeln. Sie setzen sich nicht nur über sachliche Einwände hinweg - eine Sachdiskussion findet gar nicht erst statt, Verträg bleiben geheim. Leider hat die Rot-Grüne Basta-Politik dem autokratischen Regierungshandeln erst den Weg bereitet. Der Fisch stinkt vom Kopf her... wenn wir das Abdriften in einen autoritären Staat von und für reiche Eliten abwenden wollen, brauchen wir tiefgreifende demokratische Umwälzungen zur einer partizipativen Bürgerdemokratie. Dies setzt nicht nur wirksame Kontrollmechanismen voraus, sondern soziale Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Reichtum und ein allgemein hohes Bildungsniveau - der Zerfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts bereitet hingegen einer Diktatur den Weg.