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Politische Gefangene weltweitWegen ihrer Meinung im Knast

Weltweit sitzen Menschen in Haft, nur weil sie andere politische oder gesellschaftliche Vorstellungen haben als ihre Regierung. Einigen droht sogar der Tod.

Schwierige Situation: Polizisten in Hongkong neben einem Plakat des inhaftierten Liu Xiaobo. Bild: reuters

Wie viele gewaltlose politische Gefangene gibt es auf der Welt? Nicht einmal Amnesty International weiß das. Der Grund: Für die allermeisten Staaten gibt es keine verlässlichen Angaben, sodass Amnesty die Zahl der Gefangenen allenfalls schätzen kann. Fest steht lediglich die Anzahl der Staaten, in denen es gewaltlose politische Gefangene gibt: 48 Staaten nennt Amnesty. Dazu zählen der Iran, Kuba und China.

Iran

Nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 wurden Amnesty International zufolge bis zum Jahresende mehr als 5.000 Menschen aus politischen Gründen festgenommen - Oppositionspolitiker, Demonstranten, Journalisten, Wissenschaftler, Rechtsanwälte, Menschenrechtler, Intellektuelle, Künstler, Studierende und Soldaten. Mehrere hundert kamen nach einigen Tagen oder Wochen wieder frei, andere wurden in Schauprozessen verurteilt.

Die Anklagen lauteten auf "Anstachelung zu einer samtenen Revolution", "Handlungen gegen die nationale Sicherheit" oder "Krieg gegen Gott". Mehr als 80 Personen wurden zu Gefängnisstrafen von bis zu 15 Jahren verurteilt. Über mindestens sechs Angeklagte wurde die Todesstrafe verhängt.

China

Die genaue Zahl politischer Gefangener ist nicht bekannt. Der überparteiliche US-Kongressausschuss zur Beobachtung der Menschenrechtslage China listet in seinem im Oktober veröffentlichten Jahresbericht 2010 1.452 politische Häftlinge namentlich auf und unterhält eine Datenbank über 5.500 Fälle. Das gilt nur als ein Bruchteil der wahren Zahl.

Die Anzahl der Festnahmen wegen "Gefährdung der Staatssicherheit" in China betrug nach Angaben der Hongkonger Dui-Hua-Stiftung im Jahr 2009 rund 1.050, ein leichter Rückgang gegenüber dem Olympia- und Rekordjahr 2008 mit über 1.600 Fällen, aber mehr als in den Jahren zuvor.

Dieser Anklagepunkt ersetzt in China heute den früheren Vorwurf der "konterrevolutionären Tätigkeit"; unter ihm sitzt auch der für den Friedensnobelpreis 2010 vorgesehene Menschenrechtsaktivist Liu Xiaobo ein. Die meisten Verfahren unter diesem Vorwurf werden gegen Angehörige der uigurischen Minderheit geführt.

Kuba

Die Zahl der politischen Gefangenen ist seit Juli dieses Jahres zügig gesunken. Rund fünfzig Häftlinge hat die Regierung auf Vermittlung der katholischen Kirche bisher freigelassen. Derzeit sitzen in Kubas Gefängnissen laut den Angaben der Kubanischen Kommission für Menschenrechte und Versöhnung noch rund hundert politische Häftlingen - eine Zahl, die von der Regierung in Havanna nicht akzeptiert wird.

Unter diesen politischen Gefangenen befinden sich noch zwölf Mitglieder der "Gruppe der 75". Diese Dissidenten wurden im März 2003 verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Allerdings war die Freilassung in 39 von bisher 40 Fällen an die Auflage zur Ausreise geknüpft.

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6 Kommentare

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  • Y
    Yadgar

    @Ich

     

    Nazidreck ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

     

    Ende der Durchsage!

     

    *plonk*

  • Y
    Yadgar

    @linsenspaeller

     

    Sie glauben wahrscheinlich auch an Chemtrails, haben einen Orgon-Cloudbuster im Garten installiert und gehen nie ohne Alufolienhut gegen sexuelle Belästigung durch jüdische Gedankenkontrollstrahlen aus dem Haus!

     

    Es ist schon abenteuerlich, was im Internet so an Krankdenk herumschwappt...

  • K
    Kritiker

    In der ökologischen Sichtweise des Buddhismus, sollte es Milde geben. Das heißt auf jeden Fall auf Todesstrafen und Folter verzichten. Leider gibt es nicht genug Journalistische Freiheit, in China um das den wahrscheinlich zweihundert Millionen Buddhisten klarzumachen. Buddhismus ist friedlich, Ökologie ist Demokratisch und alt, so alt wie die Demokratie selbst. Die Demokratie ist bekanntlich die Herrschaft der Meisten, und sie ist friedlich, so wie der Buddhismus.

    Wer das nicht versteht ist kein Buddhist.

    Oder kein ökologisch Denkender.

  • L
    linsenspaeller

    Es gibt wohl eine Handvoll "Meinungsverbrecher" vom Horst-Mahler-Typ, die in Deutschland inhaftiert sind, aber gewöhnlich geht man hier und heute andere Wege. Man schaltet die Betreffenden einfach und unspektakulär mitten im zivilen Leben aus. Offenbar haben die amtlich zuständigen Fachleute in den enthaltsamen Jahren nach dem Krieg neue unauffällige Methoden entwickelt, die den rechtsstaatlichen Leumund auf internationalem Parkett nicht schädigen. Die Details kenne ich natürlich nicht, aber es geht so in Richtung künstlicher Schlaganfall mit nachfolgender Demenz. Andere schwere Krankheiten, die von der Intoxikation abhängig sind, stellen sich danach von selbst ein und führen entweder mittelfristig zum "natürlichen" Tode oder zu langjährigem pflegebedürftigen Siechtum. Es wäre jetzt heikel, ein Beispiel zu nennen, selbst, wenn es ein sehr bekanntes wär.

  • I
    ich

    Wäre es investigativjournalistisch konsequent, Michael Regener ebenfalls als Politschen Gefangenen zu titulieren? Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt - nicht wegen Gewalttaten, nicht wegen Eigentumsdelikten, sondern auf Grund seiner politischen Liedtexte (die zugegebenermaßen moralisch fragwürdig waren).

    Objektiv erschwerend kommt im Fall Regener hinzu, dass er nach Verbüßung von 2/3 der angeordneten Haftdauer einen üblichen Abtrag auf Restaussetzung zur Bewährung stellte und dieser vom Kammergericht Berlin abgeschmettert wurde, Regener also die drei Jahre bis zum letzten Tag absaß. Bei "guter Führung" ein wohl einmaliger Vorgang in der Deutschen Justizgeschichte.

  • S
    Stefan

    u. a. fehlt hier der Bericht über die aktuell inhaftierten Meinungsverbrecher in der BRD.