piwik no script img

Zombie und Julia

UNTOT Mit „Warm Bodies“ versuchte Jonathan Levine, einen romantischen Zombiefilm zu machen. Das Ergebnis ist eine erstaunlich unterhaltsame und witzige Genre-Mischung

Die „Twilight“-Serie ist wohl die Anregung für den Film, in dem sich ein Zombie in eine junge, blonde und lebendige Frau verliebt

VON WILFRIED HIPPEN

In Hollywood wird immer wieder gerne der Witz von dem Produzenten erzählt, der ein Remake von „Moby Dick“ machen wollte – diesmal aus der Perspektive des Wals. Ähnlich absurd scheint es, einen Zombie zum Helden von einem Zombiefilm zu machen, denn per Definition sind die Untoten die seelenlosen Anderen, die Bedrohung, das Böse. Nun ist aber zur Zeit das romantische Traumpaar, das junge Frauen ähnlich in Verzückung versetzt wie einst Kate und Leonardo auf der „Titanic“, eine bis zur Hochzeit keusche Jungfrau und ein edler Vampir. Die „Twilight“-Serie ist zwar nicht das Modell, aber wohl doch die Anregung für den Film „Warm Bodies“, in dem sich ein Zombie in eine junge, schöne, blonde und lebendige Frau verliebt. Dafür muss allerdings am Popmythos der Untoten etwas herumgebastelt werden, denn anders als bei den Vampiren, die schon seit Bela Lugosis Zeiten eine starke erotische Ausstrahlung hatten, sind Zombies eher für ihren hohen Ekelfaktor bekannt.

Hier schlurfen sie zwar auch lethargisch und ziellos umher, knurren und nagen an menschlichem Fleisch, doch einer von ihnen macht sich dabei seine Gedanken und wird so von der ersten Einstellung an der Off-Erzähler der Geschichte. Er kann sich nur sehr bruchstückhaft an sein Leben als Lebender erinnern (sein Name begann mit einem R., aber das war es dann auch), aber wenn er denkt, kann er ja nicht ganz so seelenlos sein. Und er ist ein junger Nostalgiker, der es sich in einem verlassenen Flugzeug auf einem zerstörten Flughafen häuslich eingerichtet hat und gerne alte Schallplatten hört, die für ihn „lebendiger“ als digitale Medien klingen. Er geht zwar mit den anderen auf Jagd nach Menschenfleisch, hat dabei aber immerhin ein schlechtes Gewissen, und bei einem Überfall sieht er die junge Julie (!) und kann sie einfach nicht aufessen. Immerhin hat er seinen Hunger schon am Gehirn ihres Freundes Perry gestillt, aber keine Angst, die Horrorszenen sind so distanziert und harmlos gedreht, dass die wahren Freunde des Genres kaum noch ihre Freude daran finden werden. R. entführt Julie, spielt ihr seine Lieblingsplatten vor und man weiß ja, wie so etwas weitergeht. Später wird es sogar eine Balkonszene mit den beiden geben, aber Jonathan Levine ist so klug, ansonsten sehr sparsam mit den Shakespeare-Bezügen umzugehen.

Und bei seiner Adaption von Isaac Marions Romanvorlage mit dem deutschen Titel „Mein fahler Freund“ hat Levine sich auch nicht das Hintertürchen der Ironie offen gelassen. John Malkovich verkneift sich in der Rolle des Vaters von Julie, der als General für den Kampf gegen die Zombies zuständig ist und dem neuen Freund seiner Tochter sofort den Kopf wegschießen will, jedes distanzierende Augenzwinkern und auch sonst kann man keinen Darsteller bei einer der im Genrefilm üblichen Parodien erwischen. Wenn bei ihm die Zombies ihre Herzen entdecken, dann sieht man sie glühend unter ihren langsam Fleischfetzen schlagen, und wenn auch für sie die Liebe das ultimative Heilmittel ist, greift Levine beherzt in die Trickkiste des Gefühlskinos. Nicholas Hoult ist mit seinem sehnsüchtigen Blick ein sehr attraktiver Zombie (dessen Haut im Laufe des Films langsam immer heller und heiler wird) und auch die anderen Zombies sind eher traurige Verlorene als ein Bedrohung.

Aber ganz ohne das Böse kommt Levine dann doch nicht aus, und so können bei ihm die Untoten noch untoter werden. Wenn sie sich ganz aufgeben, reißen sie sich selber das Fleisch vom Körper und werden zu wandelnden Knochenwesen, die wie Raubtiere alles Lebende angreifen. Diese Bonies sorgen zwar für einen komischen Dialogsatz („Sir, hier kämpfen Leichen gegen Gerippe!“), aber sie sind sehr billig und lieblos animiert. Man merkt, dass Levine sich kaum für sie interessierte, und so sind sie die dramaturgischen Springteufel des Films, die immer dann auftauchen, wenn die Geschichte droht, allzu idyllisch zu werden.

Dabei hätte Levine auf diese rasselnden Knochen ruhig verzichten können, denn „Warm Bodies“ droht nie, gefühlsduselig zu werden. Dafür ist er zu gut, klug und witzig erzählt. Und wenn im Soundtrack von Bob Dylan bis zu Gun’s and Roses immer genau den passenden Song gespielt wird, gibt es auch dazu im Film einen genau lakonischen Kommentar: „Ist doch witzig!“, sagt Julies Freundin, wenn sie „Pretty Woman“ auflegt, während R. mit viel Rouge zu einem schönen Lebendigen geschminkt wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen