Prozess gegen Schanzenpark-Aktivistin: Ende nach nur einem Tag
Der Schanzenpark-Aktivistin Claudia Falke sollte der große Prozess gemacht werden. Sieben Anklagen fasste die Staatsanwaltschaft in einer Sammelklage zusammen.
Es sollte ein großer Paukenschlag gegen Claudia Falke werden. Sieben mutmaßliche Widerstandshandlungen und Beleidigungen gegen Polizisten und Security-Angestellte hatte die Staatsanwaltschaft gegen die 48-jährige Aktivistin des "Freien Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks" - kurz "Wasserturm-Ini" genannt - in einer Sammelklage aufgelistet, um der Kinderkrankenschwester an mehreren Verhandlungstagen den Prozess zu machen. Doch nach nur einem Tag stellte das Gericht auf Antrag der Anklagebehörde überraschend das Verfahren wegen "Geringfügigkeit" ein, das Freitag fortgesetzt werden sollte.
Die Vorfälle, um die es in der Verhandlung hätte gehen sollen, hatten sich 2007 nach der Eröffnung des Mövenpick-Hotels im Schanzenpark ereignet. Damals waren die GegnerInnen des Vier-Sterne-Hotels im Visier der Polizei und des Mövenpick-Sicherheitsdienstes. Besonders auf dem Kieker hatten sie Claudia Falke, die den Park als Anwohnerin für Besuche mit ihren beiden Kindern, Bekannten und ihren zwei Hunden nutzte. Teilweise verfolgten sie 15 Polizisten in kurzem Abstand. "Dies alles im Beisein meiner damals sieben und elf Jahre alten Kinder und ihrer Freundinnen", sagt Falke. Sie wurde zur Persona non grata erklärt, rund 70 Platzverweise sind gegen sie verhängt worden.
Im Dezember 2007 gipfelte es in einem dreimonatigen Parkverbot, das von der Polizei ohne Begründung jedoch vorzeitig aufgehoben wurde, da sich das Oberverwaltungsgericht auf Antrag von Falkes Anwältin Ingrid Witte-Rohde eingeschaltet hatte. Derweil war die Polizei auch dazu übergegangen, Platzverweise sofort umzusetzen und Falke in Gewahrsam zu nehmen. "Bei jedem Parkbesuch mit den Hunden habe ich Vorsorge treffen müssen, dass meine Kinder versorgt sind", sagt Falke.
Den aktuellen Anklagepunkten lag immer der Vorwurf des Hausfriedensbruchs zu Grunde. "Zu keinem Zeitpunkt ist gegen mich ein Hausverbot erteilt worden", betont Falke. In einem Fall soll sie bei einem Spaziergang mit Bekannten nach Angaben von Security-Leuten das Mövenpick-Gelände betreten haben. Bei ihrer anschließenden Ingewahrsamnahme war sie von Polizisten mit dem Kopf gegen einen Einsatzwagen gestoßen worden, so dass sie laut ärztlichem Attest ein Schädelhirntrauma davongetragen hat.
In einem anderen Fall waren sie und ihr Lebensgefährte auf dem Rundweg um den Wasserturm, der von der Stadt als öffentlicher Grund deklariert ist, von Sicherheitsleuten verfolgt worden. In dem dadurch ausgelösten Disput ist Falke dann laut Augenzeugen von einem Security-Mann geschubst worden, so dass sie mit einem Fuß das Mövenpick-Gelände betreten hatte. "Das ist Hausfriedensbruch" hatte der Mann dann gerufen und Polizisten herangewunken. Falke ist im "Hebelgriff" zum Einsatzwagen geführt worden. Weil sich der Beamte durch Äußerungen beleidigt gefühlt habe - das behauptet zumindest die Anklage - "lässt er kurz meinen Arm los und schlägt mir mit der Faust ins Gesicht", berichtet Falke. Dann sei sie erneut gepackt und zu Boden gebracht worden. Ein Zivilfahnder warnte seinen Kollegen: "Die Frau Falke ist schon verletzt" - auch Folge einer Ingewahrsamnahme. Falke musste sich einer Kieferoperation unterziehen. Die Verfahren gegen die Polizisten wegen Körperverletzung im Amt sind eingestellt worden.
Pikant an den Einsätzen der Polizei ist, dass das Hanseatische Oberlandesgericht nach den Vorinstanzen im Februar dieses Jahres endgültig entschieden hatte, dass das Mövenpick-Hotel "kein befriedetes Besitztum" ist, da das Gelände über keine "physische Barrieren" wie eine Mauer, einen Zaun oder eine durchgehende Hecke für jeden sichtbar abgegrenzt ist - im Gegenteil, eher zum Betreten einlädt. Nach einem Urteil des Reichsgerichts von 1884 begeht aber nur derjenige Hausfriedensbruch, der "zusammenhängende Schutzwehren" überwindet.
Wer sich dann aber gegen unkorrektes Polizeivorgehen durch "physisches Sperren" widersetze, so der Rechtswissenschaftler Ulrich Karpen zur taz, begehe strafrechtlich gesehen keinen unzulässigen Widerstand und könnte den Paragraf 113 Abs. 2 Strafgesetzbuch Straffreiheit in Anspruch nehmen.
Offizielle Begründung der Staatsanwaltschaft für die Einstellung der Verfahren ist, dass Falke vom Landgericht 2009 in einem "schwerwiegenderen Komplex" wegen ihres Engagements gegen das Mövenpick-Hotel schon wegen Beihilfe zur Sachbeschädigung und versuchter Nötigung zu 70 Tagesätzen verurteilt worden ist. Falke soll nach einer Sachbeschädigung bei der am Hotelbau beteiligten Betonfirma Lebbin in November 2005, bei der hundert Reifen von den Betonmischern zerstochen wurden, an der Erstellung des Bekennerschreibens "Wir sind lahmgelegt - die Luft ist raus, wir sind platt" mitgewirkt haben.
Falkes Verteidiger Andreas Beuth geht im aktuellen Verfahren davon aus, dass der Hinweis an das Gericht auf den Lebbin-Komplex von der Staatsanwaltschaft nur vorgeschoben ist, denn das Urteil ist lange bekannt. Der erste Prozesstag habe vielmehr gezeigt, dass sich die Polizisten nach dreieinhalb Jahren an "nichts mehr erinnern" konnten, sagt Beuth. "Die Staatsanwaltschaft hat ihre Felle davonschwimmen sehen."
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