piwik no script img

Politische BildungLieber keinen Wahl-O-Mat

Internetangebote zur Bürgerschaftswahl stoßen auf Skepsis bei SPD, Grüne und Linken. Wegen der Kandidatur rechtsextremer Parteien erwägen sie Boykott.

Startschuss für den Wahl-O-Mat 2007: Auch die Grünen spielten gerne mit. Bild: sim

Der Wahlkampf hat noch nicht begonnen, da stehen die Angebote der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) zur Bürgerschaftswahl im Mai 2011 bereits in der Kritik. Wie schon 2007 will diese neben der traditionellen "Juniorwahl" an Bremer Schulen auch im Internet zur Auseinandersetzung mit Positionen der Parteien anregen, unter anderem mit einem sogenannten Wahl-O-Mat. Vertreter von SPD, Grünen und Linkspartei überlegen, das Projekt zu boykottieren.

Der Wahl-O-Mat ist ein Online-Spiel, das nach Abfrage der persönlichen Einstellung zu etwa 30 politischen Themen anzeigt, welche Parteien der eigenen Position am nächsten kommen. Entwickelt von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB), kommt es seit Jahren bundeweit zum Einsatz, gefüttert mit den jeweils relevantesten Fragen. 49.000 SpielerInnen zählte die LpB im Vorfeld der Bürgerschaftswahl 2007, das sind 10 Prozent der Wahlberechtigten. LpB-Leiter Herbert Wulfekuhl hält den Wahl-O-Mat für ein ideales Mittel, gerade auch, um junge Menschen an das Thema Wahlen heranzuführen - in Bremen, wo im kommenden Jahr erstmals alle schon 16-Jährige wählen dürfen, besonders wichtig. Man verhandele lediglich noch über die Finanzierung, sagte er. Inhaltlich stehe das Projekt nicht zur Debatte.

Für andere schon. Denn anders als 2007, wo sich das Spiel noch auf die fünf größeren Parteien beschränkte, müssen inzwischen alle Parteien, die kandidieren, aufgenommen werden - rechtsextreme eingeschlossen. Das haben Gerichte entschieden.

Von einer "neuen Situation" spricht Roland Pahl, Landesgeschäftsführer der Bremer SPD. Zwar habe man das Thema noch nicht diskutiert, aber: "Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir das Vorgehen von Sachsen-Anhalt gut finden." Die dortige LpB hat unlängst entschieden, zur bevorstehenden Landtagswahl keinen Wahl-O-Mat anzubieten - wegen der NPD. Wulfekuhl hält das für falsch. Rechtsextreme Parteien stünden auch auf dem Wahlzettel, ihre Positionen seien im Internet zu finden. "Was wir brauchen, ist eine selbstbewusste Auseinandersetzung mit diesen", sagt er. Der Wahl-O-Mat könne genau dabei helfen. Die BpB habe das Programm nach dem Gerichtsurteil zudem verändert: SpielerInnen wählen nun zu Beginn die Parteien aus, mit deren Positionen sie ihre eigenen vergleichen wollen. Allerdings: Ohne Mithilfe der Parteien, die im Vorfeld die jeweiligen Fragen beantworten müssen, lässt sich ein Wahl-O-Mat nicht realisieren.

Noch ungleich größer ist die Skepsis bei SPD, Grünen und Linkspartei gegenüber einem anderen Internet-Angebot. "Kandidatenwatch" präsentiert alle KandidatInnen, NutzerInnen können diesen Fragen stellen. Die SPD boykottierte die Seite 2007 mit Verweis darauf, dass auch rechtsextreme KandidatInnen dort zu finden waren; bei den Linken hob eine Mitgliederversammlung den Boykott wieder auf. Die Grünen verteidigten das Projekt. Inzwischen üben sie den Schulterschluss mit ihrem Koalitionspartner. "Das Portal gibt ein Forum frei für Rechte", kritisierte Landesgeschäftsführer Björn Weber. Entschieden sei noch nichts. Man müsse aber "zu einer gemeinsamen Lösung mit anderen demokratischen Parteien finden."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • W
    Wallander

    Die bisherigen Kommentare lassen sich in einem Zitat von Voltaire bestens zusammenfassen:

     

    "Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst."

     

    Die Quintessenz dessen, was er durch diesen weisen Auspruch vermitteln wollte, wurde jedoch erst lange nach seinem Tod vielen gewahr.

     

    Zum einen: Was sagt es über Jemanden aus der sich als Demokrat empfindet, aber dann nur für demokratisch ansieht, was er selbst als Meinung vertritt? Gilt Meinungsfreiheit somit nur für Meinungen, welche in der Mehrheit sind? Wenn dem so ist sind, neben der Sowietunion sowie dem Dritten Reich in der Vergangenheit, auch die Volksrepublik China sowie Nordkorea in der Gegenwart, Systeme in denen die gleiche Meinungsfreiheit gegeben ist, wie die in der Bundesrepublik Deutschland empfundene?

     

    Und zum anderen: Was sagt es über Deutschland aus, wenn es sich immer wieder als eine "der stärksten Demokratien weltweit" bezeichnet, aber diese starke Demokratie es für dringend notwendig hält, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen eine Minderheit vorzugehen, die u.a. schon Kraft ihrer Altersstruktur und ihres Auftretens nicht mal annähernd in der Lage ist diese vielbeschwohrene Gefahr darzustellen?

     

    Ist nun die Demokratie doch nicht so stark wie man glauben machen will? Oder steckt in im Kern der von dieser Minderheit vertretenen Thesen vielleicht doch ein Körnchen Wahrhaftigkeit, von der man befürchten muss sie könnte im 21 JAHRHUNDERT, in einer freien Informationsgesellschaft wie es sie zuvor nie gegeben hat, doch noch auf fruchtbaren Boden fallen?

     

    Also was nun? ;-)

     

    Da beißt sich doch wahrlich der Hund in den Schwanz!

  • K
    Khaled

    Das Problem mit Boykott durch einzelne Parteien gab es bei http://www.parteivergleich.eu (Wahl 2010 in NRW)auch.

     

    Da verweigerte die FDP die Teilnahme, weil sie auf eine Frage von Die PARTEI nicht antworten wollte. Es ging um Westerwelles "römische Dekadenz".

     

    Immer diese Fragen vor Wahlen, das ist halt lästig.

  • ES
    Erich Sturm

    Das würde den Grünen und der SPD gut in den Kram passen. Da kann man die lässtige Konkurrenz wie z. B. die Piratenpartei gleich mit entsorgen.

  • S
    Schomacker

    Diese undemokratische Methodik zeigt die Angst der etablierten Parteien vor dem offenen Diskurs mit kleinen (leider auch rechtsextremen) Parteien.

     

    Anstatt lieber bürgernah zu agieren und transparente Politik zu machen, wird lieber eingeschränkt, benachteiligt und zensiert.

     

    Die Piratenpartei Bremen kämpft unter Anderem für die Umsetzung von abgeordnetenwatch.de auf Bürgerschaftsebene und hat bisher schon viel erreicht.

     

    Dieses Projekt kann unter http://bremen.piratenpartei.de/Inhalt/projekte/abgeordnetenwatch-goes-buergerschaft.html unterstützt werden, damit in Bremen auch *ständig* solche Systeme zum Tragen kommen.

  • OM
    Oliver Meier

    Die Überlegungen zum Boykott des Wahl-O-Maten zur nächsten Bürgerschaftswahl sind ein Armutszeugnis in Sachen Demokratie-Verständnis, oder ein klares Eingeständnis, dass man bislang schlecht zu vermittelnde Politik abgeliefert hat. In dieser Logik werden dann zukünftig Wahlen wiederholt, bis das genehme Ergebnis vorliegt. Das ist der Anfang vom Ende unserer Demokratie, und die linksorientierten Parteien helfen dabei mit, wo sie nur können ...

  • B
    Bremer

    Ich bin gegen Nazis und NPD.

     

    Die Haltung den anderen das Recht auf freie Meiningsäußerung zu enthalten finde ich unmöglich. Die sollen das "demokratische" aus ihren Namen streichen.

  • J
    Joachim

    Ich finde das Verhalten der etablierten Parteien zutiefst undemokratisch.

     

    Der Wahlomat ist ein niedrigschwelliges Angebot auch für Menschen mit geringer Bildung, Wahlabstinenz und Politikverdrossenheit. Durch den Wahlomat können diese Wahlabstinenten und Politikdistanzierten auf eine lockere Art dazu gebracht werden sich mit politischen Themen zu beschäftigen, vielleicht die eigenen Wahlabstinanz zu überwinden.

     

    Die etablierten Parteien müssen aushalten, dass es Hasadeure und Spinner gibt und müssen sich dem stellen.