Deutschland im UN-Sicherheitsrat: Auf in den Debatten-Marathon
Sudan, die Elfenbeinküste und al-Qaida stehen auf der Tagesordnung des UN-Sicherheitsrats. Im Fall von Afghanistan könnte Deutschland anecken.
GENF taz | Peter Wittig, seit Dezember 2009 Deutschlands UNO-Botschafter in New York, joggt in seiner Freizeit am liebsten durch den Central Park oder besucht die Metropolitan Opera. In den nächsten 24 Monaten wird der 56-jährige Diplomat zu diesen Vergnügen allerdings nur wenig Gelegenheit finden. Denn seit vergangenem Samstag ist die Bundesrepublik Deutschland wieder für zwei Jahre Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.
Für Wittig und seinen Diplomatenkader beginnen damit eine höchst arbeitsintensive Zeit. Bereits am Mittwoch tritt der Sicherheitsrat zu seiner ersten regulären Sitzung des neuen Jahres zusammen. 2009 tagte das höchste UNO-Gremium durchschnittlich mindestens fünfmal pro Woche auf Botschafterebene. Hinzu kommen 25 Unterausschüsse des Rates. Alle 15 Mitgliedsstaaten müssen in sämtliche Ausschüsse einen Vertreter entsenden. Zudem strebt Deutschland den Vorsitz an in den beiden voraussichtlich sehr arbeitsreichen Ausschüssen, die sich mit Afghanistan befassen und mit al-Qaida/Taliban.
Letzterer Ausschuss ist zuständig für die Überwachung der Sanktionen, die der Sicherheitsrat seit den Anschlägen vom September 2001 gegen über 500 des Terrorismus oder seiner Unterstützung verdächtige Personen verhängt hat. Botschafter Wittig und sein Stab müssen sich auf zehn- bis zwölfstündige Arbeitstage einstellen. Das jedenfalls ist die Erfahrung der Österreicher, die zum Jahresende 2010 als nichtständiges Mitglied aus dem Rat ausschieden.
Auf der Tagesordnung der ersten Ratsitzung steht zwar bislang nur die derzeit eher unproblematische UN-Mission in Nepal. Doch wahrscheinlich werden sich Krisenberatungen des Rates anschließen über die Gewalteskalation in der Elfenbeinküste. Darüber hinaus wird sich der Sicherheitsrat in den kommenden Wochen wahrscheinlich intensiv mit Sudan beschäftigen müssen. Nach der allseits erwarteten Mehrheit für eine Abspaltung des Südens beim Referendum am nächsten Sonntag befürchten viele Experten einen Bürgerkrieg.
Ein Dauerthema des Rates in den nächsten 24 Monaten wird Afghanistan sein. Nach Einschätzung von Bundesaußenminister Guido Westerwelle spielt die UNO mit ihrer Mission Unama "eine wichtige Rolle bei der Suche nach einer politischen Lösung, die den schrittweisen Transfer von Verantwortung an die Afghanen flankieren muss". Mit dem Konflikt am Hindukusch gut vertraute Diplomaten und Experten der UNO schätzen die Lage in Afghanistan sowie die Wirkungsmöglichkeiten der Unama allerdings sehr viel skeptischer ein als der deutsche Außenminister. Zumal nachdem die Unama in den vergangenen zwei Jahren auf Druck der USA die massiv zugunsten von Präsident Hamid Karsai gefälschten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen absegnen musste - und damit in der afghanischen Bevölkerung an Glaubwürdigkeit verlor.
Wenn der Sicherheitsrat im März und im Oktober über die Verlängerung der Mandate für die Unama und für die Internationale Afghanistanschutztrupppe (Isaf) entscheiden muss, könnte es durchaus zu Meinungsverschiedenheiten kommen zwischen Botschafter Wittig, dessen Chef Westerwelle schon "Ende 2011 zu einer Reduzierung des deutschen Bundeswehrkontingents kommen" will, und den Botschaftern anderer Staaten (USA, Großbritannien, Frankreich u. a.), die dieses Abzugsdatum für zu früh halten.
Im Spätsommer muss der Sicherheitsrat entscheiden, ob er UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon eine zweite Amtszeit ab Januar 2012 gewährt oder einen Nachfolger wählt. Das erfordert erfahrungsgemäß sehr intensive Konsultationen aller 15 Ratsstaaten, auch wenn die Entscheidung letzten Endes unter den fünf ständigen, mit Veto ausgestatteten Mitgliedern USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien ausgekungelt wird.
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