piwik no script img

Polizeigewalt gegen DemonstrantenVideo zwingt Justiz zum Handeln

Zwei Jahre brauchte die Staatsanwaltschaft, um einen Polizisten wegen Körperverletzung zu belangen. Dabei ist der Einsatz aufgezeichnet worden.

Zu Boden gebracht und geschlagen: Szene aus dem Video. Bild: Aktionsnetzwerk gegen Gentrification

Das hartnäckige Nachsetzen der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft in Sachen Polizeigewalt hat nun doch zu einem Resultat geführt. Zwei Jahre nach einem Polizeiübergriff auf Teilnehmer eines "Stadtteilrundgangs" in Hamburg-St. Pauli ist der Polizeibeamte Denis H. wegen Körperverletzung belangt worden - obgleich er mit einer Geldbuße von 500 Euro glimpflich davongekommen ist.

Am 20. August 2008 veranstaltete das "Aktionsnetzwerk gegen Gentrification" im Rahmen des Klima- und Anitirassistischen Camps einen kreativen mehrstündigen "Landgang durch die Sonderrechtszone". Kurz nach dem Ende vor dem Operettenhaus in St. Pauli geht die Polizei plötzlich gegen die Teilnehmer vor. Bei dem Gerangel wird der Programmierer Daniel Z. aus dem niedersächsischen Oldenburg zu Boden gebracht und von drei Polizisten festgehalten.

Der Polizist Denis H. geht um die Gruppe herum, kniet nieder und schlägt Daniel Z. zweimal mit der Faust in den Bauch. "Ich hatte den Polizisten zuvor geboxt, nachdem er meiner Freundin grundlos einen Knüppelschlag an den Kopf und mir einen in den Bauch versetzt hatte", sagte Daniel Z. der taz. Ein Video von der Polizeiaktion wurde wenige Tage später von der Linken der Öffentlichkeit präsentiert, was für heftigen Debatten in der Bürgerschaft sorgte.

Obwohl die Linke das Video zügig an die Staatsanwälte weitergab, sahen die sich erst im Mai 2009 veranlasst, ein Verfahren einzuleiten. Die Ermittlungen dümpelten bis Anfang 2010 vor sich hin. Der Linken teilte der Senat mit, der schlagende Beamte habe nicht ermittelt werden konnte. Es seien zwar fünf Beamte ermittelt worden, sagte Justizbehördensprecherin Pia Kohorst. "Wir wissen aber nicht, wer diese Person ist."

Körperverletzung im Amt

Wer in Ausübung seines Dienstes eine Körperverletzung begeht, kann mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren bestraft werden. Auch der Versuch einer Körperverletzung ist strafbar.

248 Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung registrierte das Dezernat Interne Ermittlungen in den ersten drei Quartalen des Jahres 2010.

Keine Anklage erhoben hat die Staatsanwaltschaft bislang in den von ihr geführten 57 Ermittlungsverfahren des 2. und 3. Quartals 2010.

Vor Gericht muss sich derzeit ein Polizeibeamter verantworten, der im Juli 2009 in einer Zelle der Hamburger Davidwache einen Mann geschlagen haben soll, der zuvor bei eine Kollegin im Einsatz verletzt hatte. Als Belastungszeugen - das ist außergewöhnlich - treten auch zwei Kollegen des Angeklagten auf.

Daraufhin setzte die Linksfraktion die Behörden unter Druck. Am 1. Februar 2010 stellte die Linke das Videomaterial auf ihrem Portal "Grundrechte-Kampagne" ins Internet. Die Linke-Abgeordnete Christiane Schneider forderte den grünen Justizsenator Till Steffen auf, endlich Aufklärung zu leisten und notfalls Konsequenzen bei der Abteilung für Polizeidelikte der Staatsanwaltschaft zu ziehen, die für ihr polizeifreundliches Verhalten bekannt ist.

Nur wenige Tage später korrigierten die Behörden ihre Auskunft. Innenbehördensprecher Frank Reschreiter sagte, dass dem Dezernat Interne Ermittlungen sehr wohl die beteiligten Polizisten bekannt seien. Das bestätigte auch der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Weitere Ermittlungen folgten.

Obwohl die am Geschehen beteiligten Beamten angaben, nichts gesehen zu haben - denn dann hätten sie sich selbst der Strafvereitelung im Amt beschuldigt - kommen die Ermittler nun zu dem Schluss, dass es sehr wohl Denis H. ist, der auf dem Video zu sehen ist und Daniel Z. einen Schlag versetzt.

Auf Nachfrage der Linken teilte der Senat jetzt mit, dass das Verfahren gegen H. gegen die Zahlung eines Bußgeldes von 500 Euro eingestellt worden sei. Da kein "Misshandlungs- und Verletzungserfolg" vorliege, sei von einer versuchten Körperverletzung auszugehen.

Für die Linke ist der Fall besonders schwerwiegend, weil Denis H. offenbar Einsatztrainer bei der Polizei ist. Zumindest gab er das der Staatsanwaltschaft zu Protokoll. Die Linkspartei fordert die Einsetzung eines Polizeibeauftragten, der unabhängig und umfassend gegen Polizeibeamte ermitteln soll.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

28 Kommentare

 / 
  • G
    Gio

    Staatsterror nimmt langsam aber sicher eine neue Bedeutung an in Deutschenlanden.

  • FB
    Felix Berlin

    Viel wichtiger, als die Bestrafung des einzelnen Polizisten in diesem konkreten Fall, wären Konsequenzen innerhalb der Polizei, die verhinderten, dass so etwas in Zukunft wieder passieren kann. Solche Verfehlungen beeinträchtigen das Vertrauen in die Polizei insgesamt.

  • TS
    Thomas St.

    Das wirklich Fatale ist ja die versuchte Vertuschung bzw. Relativierung der Straftaten seitens der Polizei durch die Staatsanwaltschaft, frei nach dem Prinzip: "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus." Kein Wunder, dass sich manche Uniformträger wie Halbgötter fühlen müssen. Sie werden ja in ihrem asozialen Verhalten geradezu bestätigt.

    Manchmal denke ich, dass die BRD trotz aller verbalen Bekundungen als autoritärer Staat agiert, wenn es sich um höhere wirtschaftliche und politische Interessen handelt.

    Letztlich kann es nicht angehen, dass man als Bürger eins auf die Mütze bekommt, nur weil man sein verfassungsgemäßes Recht ausübt. Das ist dann autoritär bzw. diktatorisch und hat aber auch nichts mehr mit Denokratie zu tun.

  • GH
    Gerd Hafer

    Die lieben Polizisten haben immer einen Freibrief wenn sie im Dienst prügeln können, viele von ihnen leben im Dienst ihre Neigungen mit Freude aus, gibt dazu genug Videobeweise, leider werden diese Straftaten kaum verfolgt. Da ist man als Falschparker schon schlimmer dran.

  • W
    wonderspa

    um es mit "Politiker-Sprech" zu sagen:

     

    "Die Polizei darf kein rechtsfreier Raum bleiben"

     

    Eindeutige Identifikationsnummern auf Uniformen wären der erste Anfang um gegen willkürliche Polizeigewalt vorzugehen. Aber das ist offensichtlich vom Gesetzgeber nicht gewünscht.

  • S
    Schoschie

    Das Problem ist das starke Machtgefälle bei so etwas. Die Kontrahenten sind ja keine Privatpersonen, sondern es ist eine Privatperson gegen einen Polizisten. Das ist ein Riesenunterschied.

     

    Die öffentliche Wahrnehmung ist die einer großen Ungerechtigkeit, was es ja offensichtlich auch ist. Das kann nicht im Interesse des Staates sein, deswegen ist es verwunderlich und niederträchtig, dass da nicht sofort und umfassend aufgeklärt wurde. Für mich spricht daraus wieder einmal die immense Verachtung unserer Regierenden gegenüber dem Volk.

  • S
    Smo

    >Obwohl die am Geschehen beteiligten Beamten angaben,

    >nichts gesehen zu haben - denn dann hätten sie sich

    >selbst der Strafvereitelung im Amt beschuldigt

    > - kommen die Ermittler nun zu dem Schluss, dass es

    >sehr wohl Denis H. ist, der auf dem Video zu sehen ist

    >und Daniel Z. einen Schlag versetzt.

     

    Nichts gesehen, soso, damit hätte man zumindest doch schon mal die 3 festhlaltenden bei den Eiern. Oder werden Polizisten nicht unter Eid als Zeugen vernommen?

     

    steve

  • MM
    Marc Mess

    "Wo sind eigentlich die Videos mit denen die linken Schlägertrupps belangt werden können?"

    Das ist eine Argumentation auf Bildzeitungsniveau. Sicher ist Gewalt grundsätzlich ab zu lehnen, aber unrechtmäßige Gewalt in Ausübung eines Amtes, als Polizist, der das Gewaltmonopol des Staates als Exekutive vertritt, ist grundsätzlich anders zu beurteilen, zu bewerten und journalistisch auf zu arbeiten.

  • N
    neox

    unglaublich was sich manche in ihrem Amt leisten oder denken leisten zu können.

    leider is dies kein einzelfall...

  • T
    tapir

    Bezüglich der Körperberletzung im Amt wurde nun ein Polizist ermittelt und für seine strafbare Handlung verurteilt. Im Artikel wird leider nur die Höhe der Geldstrafe genannt, wahrscheinlich wurde jedoch (wie häufig in solchen Fällen) eine Anzahl von Tagessätzen gewählt, die es zulässt, dass der Beamte im Dienst verbleiben kann. Damit ist der Fall anscheinend für die Staatsanwaltschaft, für den Senat und alle anderen ermittelnden Institutionen erledigt - mit einem sehr kleinen Opfer.

    Nach diesem Artikel frage ich mich allerdings, ob nicht auch Falschaussagen, Verfahrensverschleppung und Vertuschung im großen Stil vorliegen, die ggf. juristisch relevant, in jedem Fall aber politische Konsequenzen auf allen Ebenen haben sollten. Dann dürfen m.E. gerne noch andere Verfahrensbeteiligte einen Knick in der Karriereleiter verpasst bekommen.

  • S
    Stefan

    "Wo sind eigentlich die Videos mit denen die linken Schlägertrupps belangt werden können, z.B. vom Rosa Luxenburg Gedenktag ?"

    Die sind bei der Polizei, welche jeden Einsatz bzw. fast jeden Teilnehmer ausgiebig und ohne konkreten Verdacht filmt. Aber du musst, nicht nur aufgrund dieses Artikels, die Fakten annerkennen. Gerade die Hamburger Polzizei macht immer wieder Schlagzeilen mit solchen und ähnlichen Einsätzen, nicht nur gegen Linke.

    Wie so oft wird hier mit zweierlei Maß gemessen: Während es bei Gewalt gegen Polizisten allzu oft heißt: "Gleich in den Knast und nicht so schnell wieder rauslassen!" (Kann man gerade in Internet- Foren und Kommentarspalten nachlesen). Wenn aber Polizisten Gewalt ausüben wird dies Verharmlost oder, wie von dir, auf die Gegenseite verwiesen.

  • H
    hallo?

    @grefel

    Entscheidend ist in Ihrem Fall nicht der Betrag, sondern die Zahl der Tagessätze, die mit 20 nicht sehr hoch ist. Der Betrag je Tagessatz richtet sich dann nach dem verfügbaren Nettoeinkommen und kann auch noch deutlich über 80 Euro liegen.

     

    @atypixx

    Genaues Lesen hilft. Es handelt sich um eine Einstellung gegen Geldbuße (§ 153a Absatz 1 Nr. 2 StPO). Da gibt es keine Tagessätze. Ich vermute mal, dass die Staatsanwaltschaft direkt eingestellt hat und nicht erst das Gericht nach Anklageerhebung.

  • H
    Hirnrazzia

    Die Tagessätze wären hier in der Tat sinnvoll gewesen.

     

    Ansonsten ist die Aktion skandalös und auch wenn hier aktive Gewalt des Opfers vorgelegen haben mag so zeigt sich tendenziell, wie rechtsstaatlich Gewalt der Exekutive aufgearbeitet wird.

     

    @Heinzi

     

    Warum denkst Du deine Argumentation nicht zu Ende? Hätte der Polizist nicht auch mit dem Schlag klarkommen müssen, wenn er selbst schlägt?

    Auch wenn der Polizist Teil des ausübenden Gewaltmonopol ist genießt er imo keine Immunität für sein Handeln. Wer schlägt muss eben auch einstecken können. Uniform hin oder her. Darum geht´s hier gar nicht. Hier stehen sich Menschen gegenüber.

     

    @JPS

     

    Denkst du, dass der Gentrifizierungsmarsch nicht dezent mehr Menschen angeht, als die von dir umkehrend diskreditierten Linken? Sehr kategorisches Denken.Und warum erwähnst Du es überhaupt?

  • M
    Müller

    @jps

    wenns kein Video gibt, dann hat "Fakt" wohl die Gewaltausübung recht einseitig dargestellt - wie im übrigen der gesamte Hetzbeitrag nur darauf abzielte, die Linke als gewaltbereit zu diffamieren.

  • OB
    Olaf Behrens

    Sehe das so,bin selber Atomkraftgegner und gehe auch auf Demos.Muss damit rechnen eine auf den Deckel zubekommen. Bin gegen Polizeigewallt

    und auch gegen Links gerichtete gewallt!

  • R
    Rumpelstilzchen

    Lieber Heinzi.

     

    Selbst wenn der Polizist nicht angefangen hätte. Von Polizisten kann man eine besondere Rechtstreue verlangen. Andernfalls könnte man auch Schläger- und Räuberbanden mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betrauen.

  • B
    Brechreiz

    Vorsicht, Heinzi ist Spitzel!

  • M
    Micha

    Darf man das Video überhaupt benutzen? Soweit ich weiß ist das doch verboten.

     

    Nicht das man aufgrund des Videos urteilt und dann von Grünen und Linken eins auf den Deckel bekommt weil man verbotenes Material benutzt hat.

  • T
    Tom

    Da muss es doch sofort weitere Anklagen geben. Es kann doch nicht sein, dass jeder herangezogen wird die Wahrheit zu sagen, aber Polizisten dürfen einfach so behaupten sie hätten nichts gesehen.

     

    Die Polizei/Justiz muss unbedingt kontrolliert werden.

  • M
    Matthi

    Das ist eine Schweinerei!

     

    Selbst in der DDR waere ein Polizist fuer soetwas haerter bestraft worden!

     

    Die angebliche Gewaltenteilung gibts in der BRD nur noch auf dem papier!

  • OR
    Oliver Roth

    Eine Frechheit dies mit dem Kindergarten zu vergleichen! Wenn Demonstrierende oder vielleicht eher Randalierende Sachbeschädigungen begehen oder Polizisten angreifen ist das sicher schlecht, aber ein Grossteil der Bevölkerung moniert dann "Die Linken asozialen machen wieder alles Kaputt". Geht diese Gewalt jedoch von Staatsbeamten und Trägern der Staatsgewalt aus (Erstschlag), nimmt dies eine ganz andere Dimension an. Wem soll man da noch trauen, wenn diese tun und machen können was sie wollen. Und solche Vorkommnisse dann noch als Kindergarten aburteilen, finde ich schlicht die Höhe. Und mit politischer Orientierung (links oder rechts) hat dies eigentlich gar nichts zu tun. Sondern mit Machtmissbrauch gegen über dem kleinen Bürger. Solche Ereignisse sieht man an Fussballspielen auch sehr oft, zumindest in der Schweiz! Aber das dürfte in Deutschland nicht wirklich anders sein!

  • J
    JPS

    Wo sind eigentlich die Videos mit denen die linken Schlägertrupps belangt werden können, z.B. vom Rosa Luxenburg Gedenktag ?

  • A
    atypixx

    An den Verfasser des Artikels: Bitte bei Geldstrafen immer die Anzahl der Tagessätze nennen (vgl. § 40 StGB). Eine Geldsumme alleine (hier: 500 Euro) sagt leider noch sehr wenig aus.

  • G
    grefel

    500 EUR, ich bin beeindruckt. Als vergleichendes Beispiel hätte ich da Beamtenbeleidigung: Ein angebliches "Arschloch" gegen einen Polizeibeamten (Aussage gegen Aussage, Gericht glaubt Polizist nicht verhängt aber trotzdem Strafe) kosten 20 Tagessätze, machte im konkreten Fall 1600 EUR.

     

    Polizisten haben ja laut Berufbeschreibung ein hohes Gerichtigkeitsbewusstsein. Sie könnten das ja mal unter Beweis stellen und sich gegen eine solch ungerechte Behandlung wehren ;-)

  • FN
    Felix Nagel

    Armes Deutschland.

  • H
    hans

    Zeigt mal wieder, dass die Cops machen können was sie wollen, wenn wunderts da, dass die Bevölkerung ein Hass gegen sie entwicklt? ACAB

  • F
    Fridolin

    Lieber Heinzi,

    der Polizist hat aber zuerst gehauen :(

  • H
    Heinzi

    Das ist ja wie im Kindergarten, der hat mich gehauen darum habe ich zurückgehauen - und alle haben mich geschubst.

    Wer austeilen will muss auch einstecken! Ich bin auch gegen Polizeigewalt, würde aber wenn ich einen Polizisten geschlagen haben und dann halt auch einstecken muss den Ball ganz flach halten. Die Gutlinken müssen das natürlich aufbauschen.