piwik no script img

Mangel an StudienplätzenDann geh doch rüber!

Wegen der doppelten Abi-Jahrgänge werden Studienplätze knapper. Ministerin Schavan will daher den Hochschulpakt aufstocken und Studenten den Osten schmackhafter machen.

Nachdenklich? Hoffentlich: Annette Schavan muss beim Hochschulpakt dringend nachbessern. Bild: dpa

Für Nikita Picurin steht bereits fest, was er nach dem Abi macht: "Ich gehe erst mal ins Ausland." Seinen Studienbeginn verschiebt der 18-Jährige aus Oberfranken um ein Jahr: "Ich hoffe, so den doppelten Abiturjahrgang zu überspringen."

Im Sommer verlassen in diesem Jahr nämlich zwei Jahrgänge die bayerischen Gymnasien. Jene, die noch nach der 13. Klasse ihr Abi machen und diejenigen, die wie Picurin in nur acht Jahren zum Abitur sprinten. Alle zusammen drängeln sich dann im Herbst vor den Hochschulen. "Studienplätze und Wohnungen werden auf keinen Falll reichen", befürchtet Picurin.

Unbegründet ist diese Sorge nicht. Alle Länder haben in den vergangen Jahren die Schulzeit um ein Jahr verkürzt. Um sich für den Ansturm der doppelten Abiturjahrgänge zu rüsten, schlossen Bund und Länder zwar 2006 einen Pakt: Bis zum Jahre 2010 sollten Studienplätze für 90.000 zusätzliche Erstsemster entstehen. Doch die Halbzeitbilanz zeigt: Doppelt so viele zusätzliche Studienanfänger wie von Bund und Ländern veranschlagt schrieben sich fürs Studium ein.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) lobte den Pakt am Dienstag als optimales Mittel, um neue Studienplätze zu schaffen. Gleichzeitig räumte sie ein, dass die Situation für die Hochschulen anspruchsvoll werde. Und sie wies Abiturienten darauf hin: "In Ostdeutschland gibt es eine Menge Studienkapazitäten."

Tatsächlich drohen gerade in den großen westdeutschen Flächenländern überfüllte Hörsäle. In den nächsten vier Jahren werden noch einmal mindestens 275.000 Schulabgänger mehr als im Jahr 2005 erwartet, das von der Regierung als Vergleichsjahr zugrunde gelegt wird. Das Geld, das für deren Seminare eingeplant ist, wird aber teilweise jetzt schon für die überplanmäßigen Studienanfänger ausgegeben.

Hinter den Kulissen ringen Bund und Länder darum, um welchen Betrag sie den Hochschulpakt aufstocken. Schavan bekräftigte, dass der Bund seinen Betrag von derzeit 3,2 Milliarden Euro aufstocken werde. Die Länder, die die Hälfte der Studienplätze finanzieren, müssten nachziehen. Die Uni-Präsidenten in der Hochschulrektorenkonferenz gehen davon aus, dass jede Seite noch einmal eine Milliarde Euro draufsatteln muss.

Die Opposition mahnt rasches Handeln an. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Ernst-Dieter Rossmann, fordert die Bundesregierung auf, die Prognosen noch in diesem Jahr zu überarbeiten. Der hochschulpolitische Sprecher der Grünen, Kai Gehring, sagte: "Bund und Länder müssen Schavans Schmalspurpakt aufstocken, sonst droht der Studienplatznotstand."

Die Kultusminister wollen ebenfalls ermitteln lassen, wie viele Masterstudienplätze es gibt. Schavan kündigte eine zweite Bologna-Konferenz am 3. Mai an mit den Schwerpunkten Masterstudienplätze und Mobilität.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • M
    Maximilian

    Die Schavan-sinn bekommt doch nichts hin, das deutsche Bildungssystem ist nach Bologna und dem Modulwahnsinn so miess, wie nie. Heutige Studenten werden oberflächlich ausgebildet, echtes intellektuelles Studium wurde abgeschafft. Nach OECD-Zahlen liegen wir an nahezu letzter Stelle bei den Bildungsinvestitionen. Banken bekommen fortwährend 100e Milliarden, auch über lustige Rettungsschirmchen via Geschenküberweisungen, bei dem einzig bedeutenden Zukunftssektor für Deutschland, der Bildung, wird centfuchsend gefeilscht und fettärschig die Probleme ausgesessen. Wie dumm dürfen Politiker sein, erst recht in der Bildungspolitik?

  • T
    Tobias

    Ich war zwei Semester zum Studieren im Osten, da man immer soviel Gutes gehört hat. Ich würde es nie wieder machen. Dort (Thüringen) bin ich einem autoritären Lehrstil begegnet und KommilitonInnen vom Land, die mal so garkein Plan vom Leben hatten. Von der Humorlosigkeit der Bevölkerung dort mal ganz zu schweigen.

    Hier im Rheinland ist alles wesentlich entspannter - Frau Schavan sollte sich mit solchen Vorschlägen also mal zurückhalten.

  • K
    Koljano

    Also ich habe Bekannte welche in Leipzig und Dresten studieren und sie sind sehr zu frieden jedenfalls was das Betreungsverhältnis und Hörsaalplätze betrifft. war ich selbst aber auch war auch nicht in NRW sondern in Hessen- weiß auch gar nicht warum so viele hier bleiben wollen und nichts neues kennen lernen wollen...