die wahrheit: Neues aus Neuseeland
Kein schwules Küsschen im Flugzeug: Das Jahr ist noch jung, und ich schreibe hier schon wieder über politische Korrektheit? Man verzeihe mir. Aber was soll ich machen …
… In einem Land, in dem selten richtig Großes und Schlimmes passiert, konzentriert man sich notgedrungen auf die kleinen Dramolette. Klingt wie Damentoilette, und damit sind wir dem Thema auch schon näher. Wir müssen nur noch nach oben steigen, in die Luft, und uns an Bord einer Air-New-Zealand-Maschine versetzen.
Da saß ich nämlich zwischen WC und Notausgang, angeschnallt für den Start, und wartete gespannt auf das Aufflackern des Bordmonitors. Normalerweise ignoriert jeder Passagier die gefilmten Sicherheitshinweise. Aber nicht dieses Mal. Denn seit ein paar Wochen zeigen sie bei Air New Zealand das Video, das die Nation gespalten hat. Endlich kam auch ich in den Genuss, da ich ja nicht jede Woche fliege. Es handelt sich nämlich um das neuseeländische Pendant zu den Hetzvideos, wegen denen Kommandant Owen Honors letzte Woche aus der US-Armee gefeuert wurde.
Die Werbeabteilung von Air New Zealand hatte für ihren neuesten Trailer die Rugby-Nationalmannschaft als Darsteller angeheuert. Im Werbespot, der früher lief, war das Flugpersonal fast nackt, aber mit Körperfarbe bemalt, was man erst beim genauen Hingucken erkannte. Jetzt wurde mit den All Blacks noch eins draufgesetzt. Die kernigen Spieler erklären den Passagieren, wie man sich anschnallt und die Sauerstoffmasken aufsetzt – was für ein Coup! Endlich wird wieder hingeguckt, wenn jemand probehalber in die Schwimmweste pustet.
Ihre Rollen als Hilfsstewardessen spielten die Muskelpakete gar nicht so schlecht. Gespannt wartete ich auf die Szene, die für böses Blut gesorgt hatte. Denn am Ende des Videos hält ein feminin wirkender Steward - blond gefärbtes Stoppelhaar, rosa Schlips, enge Weste, abgeknicktes Handgelenk, noch Fragen? – dem Rugby-Hünen Richard Kahui die Wange hin, tippt darauf und verlangt somit nach einem Küsschen. Was Kahui sicher nur deshalb entsetzt ablehnt, weil es der Sicherheit an Bord wohl nicht bekommen würde, wenn Steward und Spieler, durch solch ein Bussi animiert, auf ein Techtelmechtel in der Toilette verschwinden würden. Das hat mit Homophobie wirklich gar nichts zu tun.
Die Szene war im Detail in allen Medien beschrieben worden, denn es hatte einen Aufschrei von schwulen Aktivisten gegen die Küsschen-Szene gegeben. Und so kam es, dass ich zum ersten Mal ein Sicherheitsvideo von Anfang bis Ende guckte, um endlich mal im politisch korrektesten Staat der Welt eine Unkorrektheit vor Augen zu haben. Aber was war? Nichts. Als ich flog, hatte Air New Zealand die Szene bereits herausgeschnitten. Dafür rannte am Ende des Videos eine runzlige Alte nackt durch die Gänge. Wieder so ein Hingucker. Was das mit Rugby oder Anschnallen zu tun hatte, verstand ich nicht. Aber ich bin mir sicher, dass es eine Verhöhnung geriatrischer Beschwerden war, die keiner über 70 auf sich sitzen lassen sollte. Hoffentlich hat das bald Konsequenzen.
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