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Kommentar ÄgyptenWas kommt nach Mubarak?

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Die Ängste vor einer islamistischen Machtübernahme in Ägypten sind maßlos übertrieben. Eine Revolution wie 1979 im Iran ist nicht zu erwarten. Eher hat die Türkei Vorbildfunktion.

W ie lange wird sich Ägyptens Präsident Mubarak noch an der Macht halten? Das hängt ganz vom Willen des ägyptischen Militärs ab, das seit 1952 noch jeden Staatschef bestimmt hat. Aber der Druck der Straße lässt nicht nach, die Opposition rüstet zum neuen Massenprotest. Und das, obwohl Mubarak - wie zuvor schon sein tunesischer Amtskollege Ben Ali - seiner Bevölkerung ein Zugeständnis nach dem anderen macht. Spät, aber vernehmlich rücken seine engsten Verbündeten in Europa und seine Sponsoren in den USA von ihm ab. All das spricht dafür, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, dass Mubarak selbst endgültig das Feld räumt.

Was aber kommt nach Mubarak? Manche fürchten das Chaos. Am deutlichsten wurde Israels Präsident Schimon Peres, der vor der möglichen Machtübernahme eines radikalen Islamistenregimes in Ägypten warnte und Mubarak als Garanten der "Stabilität" pries. Aber auch Außenminister Westerwelle warnte, "radikale Trittbrettfahrer" könnten von einem Umsturz profitieren. Europas Außenminister können sich noch auf keinen klaren Kurs einigen und zögern, Mubarak offen zum Rücktritt aufzufordern.

Die Ängste vor einer islamistischen Machtübernahme, die mancherorts geschürt werden, sind allerdings maßlos übertrieben. Ägypten im Jahre 2011 ist nicht der Iran des Jahres 1979, als radikale Islamisten nach dem Sturz des Schah-Regimes die Macht im Staate an sich rissen. Zwar werden Ägyptens Muslimbrüder in einem demokratischen Ägypten sicher eine größere Rolle spielen, in einen "islamischen Staat" wird sich das Land am Nil deshalb aber noch lange nicht verwandeln. Schließlich sind die Muslimbrüder von diesem Ziel längst abgerückt. Die Taliban in Afghanistan oder der Iran sind für die meisten arabischen Islamisten schon lange kein Vorbild mehr - und al-Qaida hat ein Übriges getan, um den radikalen Islamismus zu diskreditieren. Lieber orientieren sie sich an der AKP-Regierung in der Türkei, die gezeigt hat, wie sich ein moderater Islam mit demokratischen Prinzipien und Erfolg an den Wahlurnen vereinbaren lässt.

taz

Daniel Bax ist Redakteur im taz-Meinungsressort.

Nur in einem Punkt lassen sich die Dinge vergleichen. So wie die "islamische Revolution" 1979 im Iran dem Islamismus weltweit Auftrieb gab, könnte ein demokratischer Umsturz in Ägypten die Demokraten in der ganzen Region anspornen - bis hin zum Iran, wo die Jugend gegen das Mullah-Regime aufbegehrt.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

7 Kommentare

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  • IN
    Ihr Name NaJa

    Wo will der Kaffeesatzleser dieses Wissen herhaben?

    In Persien haben linke Studenten den Schah gestürzt.

    Dann kamen die Mullahs.

    Danach waren alle Bäume in Persien mit den aufgehängten linken Studenten geschmückt.

    Glaubt jemand, daß Revolution auf schiitisch anders buchstabiert wird als auf sunnitisch?

  • DW
    Der Weise

    Man sollte ja die Moschee in der Kleingemeinde lassen. Mubarak ist/war ein totalitärer Autokrat, aber kein absurder Massenmörder wie der Schah es war. Ganz andere Voraussetzungen also,

  • H
    hto

    "Was kommt nach Mubarak?"

     

    - Mit dieser / unserer "Demokratie": die Ernüchterung in erpresserischer Kapitulation zum "gesunden" Konkurrenzdenken im "freiheitlichen" Wettbewerb um "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei", oder noch schärfere Diktator und WK III!?

  • J
    jenny

    Mubaraks Presidentschaft endet ganz regulär im September dieses Jahres!

     

    Seinen Sohn kann er nicht mehr als Nachfolger installieren; was ihm bleibt ist für einen vernünftigen, tragfähigen Übergang zu sorgen.

     

    Natürlich spielt das Militär dabei eine Hauptrolle;

     

    Mubarak war selbst Luftwaffenkommandeur, die ganze, auch zivile ägyptische Gesellschaft ist durchdrungen von Militärs u. Ex-Militärs.

    Leider hat dieses System unter dem späten Mubarak zu einer ineffizienten Feudalgesellschaft geführt, wo fast alle Pfründen u. Chancen an Regimegünstlinge

    vergeben wurden.

    Dem stehen die normalen Ägypter mit ca. 50 -100$ Monatssalär gegenüber, massive Unterbeschäftigung einer sehr jungen Bevölkerung von ca. 60% der 80 Mio.

    Einwohner.

    Was Mubarak noch leisten könnte wäre ein zurück zu den Wurzeln der jungen Offiziere unter Nasser 1952:

    eine eher sozialistisch ausgerichtete Wirtschafts u. Verteilungspolitik, die der Mehrheit der jungen Leute mehr chancen eröffnet.

    Nur Ägypten ist ein relativ armes Land, muss für Milliarden $ Lebensmittel importieren; um da zu helfen müssten Mubarak u. seine Umgebung ihr Milliardenschweres "Privatvermögen" an das Volk zurückgeben u. die Mehrzahl der "Oligarchenfirmen"

    wie z. Bsp. ORASCOM sozialisieren !

     

    Ob er dieses Abschiedsgeschenk an sein Volk machen wird oder wie Ben-Ali mit Tonnen Gold ins (saudische)

    Exil gehen wird bleibt abzuwarten.

    Auf alle Fälle ist ein Neuanfang für das Land überaus

    schwierig, die ungelösten wirtschaftlichen Probleme

    spielen- falls keine Besserung erreicht wird- den radikalen Gruppen in die Hände, die Moslembrüder können dann mit der Religion = "Opium für das Volk"

    die Ernte einfahren !

  • H
    Hans

    Leider empfinde ich diesen Kommentar als zu optimistisch. Zum einen gab es seit Jahrzehnten keine freien Wahlen, Debatten und Medien, zum anderen sind nur wenige Parteien, Persönlichkeiten und Kräfte in Ägypten bekannt und als Opposition halbwegs anerkannt.

    Die Islamisten der Muslimbrüder und Gamaa Islamiya sind aber als radikale Gegner bekannt und sie haben auch das Rüstzeug für eine radikale Veränderung parat. Sie stehen auch für eine klare Linie gegen Israel und damit werden sie Erfolge haben.

    Wie stark, gefährlich oder positiv das sein wird, kann heute niemand vorhersagen. Noch ist Mubarak im Amt, Israel will ihn sogar weiterhin dort sehen und die USA könnten still daraufsetzen, dass Mubarak Zuckerbrot, Peitsche und Personalrochaden benutzt, um die Bewegung zu erschöpfen.

    Die USA brauchen Ägypten als Garant für Israel. Sie können im Grunde genommen mit diesem schlechten Ägypten ganz gut leben, auch wenn immer mal wieder von Wissenschaftlern auf den desolaten Zustand des Landes hingewiesen wird.

    Ein Argument für diesen Kommentar ist: Ägypten hat keine große Erdöl- oder Erdgasvorkommen mit denen sich eine islamistische Umverteilungspolitik finanzieren ließe. Und die US-Gelder sind für dieses Land lebensnotwendig.

  • B
    Beobachter

    Dann sollte unsere Politik-Kaste aber laut und vernehmlich endlich mal außerhalb von Sonntagsreden für Demokratie und Menschenrechte eintreten und die Volksbewegung in Ägypten unterstützen.

     

    Doch kaum sendet Tel Aviv "Bedenken" knicken alle ein und die Medien beginnen negativ über die Lage zu berichten und auf die "Islamisten-Alarmsirene" zu drücken.

     

    Letztlich ist es inzwischen egal, was die westlichen Regierungen und Medien sagen: Das US-Vasallenregime und indirekte Israel-Protektorat von Mubarak ist am Ende und die Ägypten werden hoffentlich eine wirklich demokratische Regierung bekommen.

     

    Nur die jetzt wieder doppelbödige Haltung des Westens....das wird man in Arabien nicht vergessen und sich daran erinnern, dass nicht zum ersten Mal in der Geschichte "der Westen" arabische Freiheitsbestrebungen behindert und verraten hat wie anno 1916 ff!

  • JV
    Jenseits von Böse

    Nö, eine "islamische Revolution" war das 1979 nicht. Die Iraner haben den Schah verjagt, eine Marionette des Westens. Erinnert sich noch jemand an die "Jubelperser", an Benno Ohnesorg, Soraya und den 2. Juni? Das war "unsere" BRD - Springer und Burda nicht zu vergessen, die immer neue Geschichten vom persischen Hofe zusammen schmierten.

     

    Die Revolution bestand darin, das jämmerliche Regime endlich abzusetzen. So weit waren sich die Iraner einig. Erst danach kamen die Religionsfürsten à la Chomeni aus der - französischen - Versenkung. Das christliche Abendland hat nach dem Umsturz alles getan, um seine öligen Interessen zu wahren, und dabei dummerweise die Fundis gepusht: Brüder im Geiste, Hauptsache mit Gebetbuch.

     

    Hier sehe ich eine gefährliche Parallele zu heute: Zwar sind die "uns" lieb gewordenen Despoten - gottlob - nicht zu halten, aber dann werden halt neue Lieblinge tatkräftig gefördert - diesmal sicher keine Tallibanesen, aber ein offener Suezkanal, billiges Öl und Gegnerschaft zum Iran dürften beim Ritterschlag durch unsere selbst gewählten Despoten ausschlaggebend sein.

     

    Kurz gesagt: das Volk macht die Revolution, die Mächtigen machen nachher ihr Geschäft unter sich aus. So gesehen ist's reine Ironie, dass der Westen sich jetzt über die Mullahs ärgert - die hat er nur inthronisiert, um das iranische Volk um die gefürchtete Selbstherrschaft zu bringen.