Ernüchterung vor dem EU-Gipfel: Nur Malta wird Effizienz-Ziele erreichen
Vor dem EU-Gipfel zeigt sich: Die EU-Mitgliedstaaten bleiben beim Energiesparen hinter ihren Plänen zurück. Deutsche Experten schlagen "Stromkundenkonten" vor.
FREIBURG taz | Wenn es um Energieeffizienz geht, bewegen sich fast alle Länder der EU im Schneckentempo. Nach einem bislang internen Papier der Europäischen Kommission werden die Mitgliedstaaten ihre Effizienz bis 2020 im Schnitt um nur knapp 10 Prozent steigern. Zugesagt hatten sie im Frühjahr 2007 unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft jedoch 20 Prozent. Deutschland wird der Kommission zufolge seine Effizienz bis 2020 lediglich um 12,8 Prozent erhöhen, sofern die Politik nicht umgehend tätig wird. Lediglich das kleine Malta wird aus heutiger Sicht das EU-Ziel erreichen.
Die Kommission fordert daher nun zusätzliche Anstrengungen der EU-Staaten. Es müsse zudem "die paradoxe Situation" beendet werden, dass Fortschritte bei der Effizienz durch die Nachfrage nach energieintensiveren oder neuen Produkten zunichtegemacht werden. Eine Lenkungswirkung könne hier auch die Energiebesteuerung entfalten. Die Kommission fordert zudem, dass Energieeffizienz "in alle relevanten Politikbereiche" einbezogen wird. Besonderes Augenmerk müsse dem Gebäudebestand und dem Verkehr gelten.
Nicht nur die Warnung der EU-Kommission, auch jüngste Forderungen aus der Gesellschaft zeigen inzwischen, dass das Thema Effizienz langsam an Bedeutung gewinnt. Im Vorfeld des EU-Gipfels am Freitag fordert ein Bündnis aus Verbraucher-, Wirtschafts-, Sozial- und Umweltverbänden sowie Gewerkschaften die EU-Kommission auf, sich für eine effizientere Nutzung der Energie und verbindliche Einsparziele einzusetzen. Die Verbände – von BUND bis Caritas – erwarten unter anderem, dass die EU verbindliche Mindeststandards für die bestehenden Gebäude festlegt und mehr Geld dafür bereitstellt. Das Bündnis kritisiert zudem, dass das europäische Effizienzziel als einziges Klimaziel bislang unverbindlich geblieben ist.
Ziele: Die EU will eine sichere Strom- und Gasversorgung, die Energiekosten niedrig halten und Energie nachhaltiger erzeugen. Dazu sollen die Stromnetze ausgebaut werden, um Strom aus dezentraler Erzeugung zu den Verbrauchszentren zu transportieren.
Energiemix: Knapp ein Drittel der in der EU produzierten Energie stammt aus Atomkraft, Kohle trägt 22 Prozent bei, Gas 20 Prozent, Öl 14 Prozent. 16 Prozent kommt aus erneuerbaren Energien.
Zukunft: Bis 2020 will die EU 20 Prozent weniger CO2-Emissionen, 20 Prozent mehr Energieeffizienz und 20 Prozent Energie aus erneuerbaren Quellen. Daneben gibt es den sehr vagen Plan, den CO2-Ausstoß bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren.
Fast zeitgleich hat die SPD-Bundestagsfraktion in einem Antrag die Bundesregierung aufgefordert, einen Plan vorzulegen, der konkrete Wege zu eine effizienteren Nutzung der Energie aufzeigt. Ziel müsse eine Verdoppelung der Energieproduktivität im Vergleich zu 1990 sein. Und die kürzlich gegründete Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (Deneff) forderte am Donnerstag mit Blick auf den Gipfel "EU-weit nationale Sanierungsfahrpläne für den Gebäudebestand".
Einen konkreten Vorschlag, wie Anreize zum effizienteren Umgang mit Strom im Haushalt gegeben werden könnten, hat unterdessen der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) präsentiert. Er nennt das Modell "Stromkundenkonten".
Hierbei erhält jedes Versorgungsunternehmen entsprechend der Anzahl seiner Haushaltskunden Zertifikate für Stromlieferungen. Ähnlich wie im Emissionshandel muss ein Versorger Zertifikate zukaufen, wenn seine Kunden zu viel Strom verbrauchen. Oder er kann mit dem Verkauf der Zertifikate Geld verdienen, wenn seine Kunden sparsam sind.
"Damit wird Energieeffizienz zum strategischen Geschäftsziel von Energieversorgungsunternehmen", folgert der SRU. Unternehmen würden sich dann verstärkt um Kunden mit niedrigem Verbrauch bemühen, etwa indem sie Geringverbrauchern besonders günstige Tarife anbieten.
Bei diesem Modell könnte der Gesamtverbrauch gedeckelt werden, ohne dem einzelnen Konsumenten konkrete Vorgaben machen zu müssen. In jedem Fall legt auch der SRU der Regierung nahe, der Energieeinsparung mehr Aufmerksamkeit zu widmen - schließlich sei die Effizienz "die wichtigste Brückentechnologie auf dem Weg zur regenerativen Vollversorgung".
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