DREI FRAGEZEICHEN: „Unsichtbare Glaubenssätze“
IIIHH? Pferdefleisch hat uns geschmeckt. Auch wenn wir das nicht wussten. Warum finden wir also nun Ponylasagne eklig – und Schweineschnitzel nicht?
taz: Frau Burrer, wenn die Sache mit dem Pferdefleisch nicht aufgeflogen wäre, würden wir immer noch zufrieden Ponylasagne mampfen. Stattdessen bricht jetzt der große Ekel aus. Ist die Hysterie übertrieben?
Elisabeth Burrer: Nein, ich finde die Wut nachvollziehbar. Die Konsumenten wurden getäuscht und fühlen sich extrem verunsichert. Aber paradox ist es schon. Denn eigentlich ist es ganz egal, ob wir Golden Retriever oder Kühe essen. Es bleibt ja Fleischkonsum.
Wie kommt es, dass wir das Fleisch der einen Tierart verschlingen und das einer anderen ekelhaft finden? Am Geschmack liegt es ja offensichtlich nicht.
Wir sind gesellschaftlich auf dieses Verhalten konditioniert. Pferde sind für uns keine Nutztiere. Sie gelten als sensible Geschöpfe und werden als Individuen anerkannt. Sie zu essen erscheint daher grausam. Schweinen und Kühen werden diese Eigenschaften nicht zugestanden. Hinter unserem Fleischkonsum stehen also ganz viele unsichtbare Glaubenssätze.
Denken Sie denn, dass der Pferdefleischskandal irgendetwas an unserem Fleischkonsum und unseren „Glaubenssätzen“ ändern wird?
Ja, das glaube ich. Wir als Lebensmittelorganisation kriegen das sehr deutlich mit. Bei uns melden sich gerade ganz viele Leute, die gesundheitlichen, aber auch moralischen Schutz suchen. Und wir merken, dass während solcher Diskurse die Zahl der Vegetarier deutlich steigt.
INTERVIEW: DMITRIJ KAPITELMAN
■ Elisabeth Burrer ist Sprecherin des Vegetarierbunds Deutschland (Vebu)
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