Libyen und Saudi-Arabien im Focus: Öl-Händler fürchten Demokratisierung
Öl ist teuer wie seit dem Jahr 2008 nicht mehr. Händler fürchten, die Demokratie-Bewegung von Libyen könnte auf Saudi-Arabien übergreifen. Knapp ist das Angebot nicht.
Für die Händler an den Rohstoffbörsen bedeuten die Demokratiebewegungen in Arabien erst einmal vor allem eines: Unruhe. Die US-Bank Goldman Sachs warnt vor "dramatischen Engpässen auf dem Rohölmarkt", der Preis für die Ölsorte Brent stieg am Donnerstag auf rund 119 Dollar pro Barrel und war damit so teuer wie seit dem Boom-Sommer 2008 nicht mehr.
Zwar ist trotz der Produktionsstopps in Libyen noch genügend Öl auf dem Markt – so bedeutend ist die Nummer 15 der weltweiten Ölproduzenten nicht. Doch der Preis "ist im Moment vor allem durch Befürchtungen und Stimmungen gemacht", sagt Karin Retzlaff, Sprecherin des Mineralölwirtschaftsverbandes. Der zuletzt stark gestiegene Benzinpreis – der Liter Super kostete gestern bis zu 1,53 Euro – lässt sich mit steigenden Rohölpreisen nicht erklären. "Viele Faktoren spielen in diesem harten Wettbewerb eine Rolle", sagt Retzlaff, und den größten Anteil machten die Steuern aus.
"Der Beweis, dass die Ölversorgung sichergestellt ist, steht noch aus", warnt hingegen der Rohstoffanalyst Eugen Weinberg von der Commerzbank. Zwar könne die Verknappung durch libysche Produktionsausfälle bislang durch die Freigabe von Lagerbeständen und die Ausweitung der Ölförderung in anderen Staaten ausgeglichen werden. Doch drohe das "Horrorszenario, dass die Unruhen mit Saudi-Arabien auf den größten Öllieferanten der Region übergreifen".
Ökonom zu Preisspirale: "Ein sich selbst verstärkendes System"
Was passiert nun an den Tischen der Ölhändler? Der Aufstand in Libyen wird in ihre computergesteuerten Trading-Systeme eingespeist und als Angebotsverknappung interpretiert. Das treibt die Preise. Durch steigende Preise werden Kaufanreize signalisiert - und die führen wiederum zu einem Preisauftrieb. "Das ist ein sich selbst verstärkendes System", sagt Stephan Schulmeister vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung in Wien. Die Frage, ob es genügend Öl auf dem Markt gebe, sei dabei nicht so wichtig. "Auch während der Ölpreisschocks der Geschichte hat es nie eine tatsächliche Verknappung gegeben", so der Ökonom, "sondern nur eine angenommene."
Schulmeister sieht in dem aktuellen Vorgang eine "List der Geschichte": Während es die Märkte nicht schafften, die Endlichkeit und die klimaschädlichen Wirkungen des Erdöls in einen realistischen - also viel höheren - Erdölpreis zu integrieren, sorge dafür jetzt ein sozial-psychologischer Mechanismus. Der gleichwohl in die Realwirtschaft überspringen kann.
Steigender Ölpreis kann zu Kaufkraftabfluss führen
Zwar weist Carsten Rolle, Rohstoffexperte des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), darauf hin, dass Erdöl in der Industrie heute keine so große Rolle mehr spiele wie noch in den 70er Jahren, weil es oft durch Gas als Brennstoff ersetzt worden sei. Doch ein stark steigender Ölpreis bedeute einen Kaufkraftabfluss aus Deutschland und den anderen OECD-Staaten in die erdölproduzierenden Staaten, so Rolle. Davor warnte gestern auch EU-Währungskommissar Olli Rehn und zeigte sich zudem besorgt über eine möglicherweise steigende Inflation.
Längerfristig sei auch mit steigenden Preisen an den Agrarrohstoffmärkten zu rechnen, sagt Jochen Hitzfeld von der Hypo Vereinsbank. Am Mittwoch hatte sich zwar etwa Weizen an der Pariser Börse um 7 Prozent auf ein 11-Wochen-Tief von 223,50 Euro verbilligt. Die Händler rechneten mit einer abflauenden Konjunktur, wollten daher Risiken minimieren und setzten auf Verkauf, so Hitzfeld. In einem zweiten Schritt würden die Weizen- aber den Ölpreisen folgen. "Wir essen ja praktisch Erdöl", so Hitzfeld, es stecke im Dünger, Transport und der Lagerung.
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