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Chemikaliencocktail schwächt SpermienKeine Kosmetika für Schwangere

Die Anzahl intakter Spermien sinkt bei finnischen Männern rapide, warnt eine Studie. Schuld daran könnten Chemikalien in der Umwelt sein, vermuten Wissenschaftler.

Spermien umschwirren eine Eizelle. Bild: dpa

STOCKHOLM taz | Eine in den letzten zehn Jahren deutlich verschlechterte Spermienqualität meldet eine jetzt im International Journal of Andrology veröffentlichte Studie aus Finnland. Dabei hatten sich finnische Männer in früheren Untersuchungen durch eine vergleichsweise gute Samenqualität ausgezeichnet.

Bei der von Jorma Toppari, Professor für Physiologie an der Universität Turku, geleiteten Studie wurde zudem eine deutlich gestiegene Hodenkrebsrate konstatiert. Zwei beunruhigende Trends, die auch in anderen europäischen und nordamerikanischen Ländern beobachtet worden sind.

Die Vermutung der finnischen Forschergruppe: Der schnelle und deutliche negative Trend weise auf die Auswirkung von Umwelteinflüssen hin. Hierbei müsse man in erster Linie Alltagschemikalien, speziell solche mit hormonbeeinflussender Wirkung in Betracht ziehen. Schon kleine Mengen von diesen könnten die Entwicklung des Fötus im Mutterleib negativ beeinflussen, warnt Toppari.

Die ForscherInnen untersuchten drei Jahrgangsgruppen, die zwischen 1998 und 2006 19 Jahre alt wurden. Männer, die Ende der 80er Jahre geboren wurden, hatten eine deutlich niedrigere Spermienanzahl, als ihre 10 Jahre zuvor geborenen Geschlechtsgenossen.

Die totale Spermienanzahl pro Messeinheit betrug in den Jahrgangsgruppen 1979-81, 1982-83 und 1987 jeweils 227, 202 und 165 Millionen. Die Anzahl morphologisch normaler Spermatozoen sank von 18 auf 11 Millionen. Ein stetiger Anstieg der Fälle von Hodenkrebs ergab sich anhand der Zahlen des finnischen Krebsregisters.

Toppari fordert, dass man versuchen müsse, die Ursachen zu finden. "Gefährliche Chemikalien" müssten identifiziert und aus der Umwelt entfernt werden. Besonderes Augenmerk sei auf die als Weichmacher verwendeten Phthalate mit ihren nachgewiesen hormonbeeinflussenden Wirkungen zu richten.

Toppari empfiehlt zum Beispiel einen Kosmetikverzicht für schwangere Frauen, zumindest in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten. Und gern hätte er einen entsprechenden zwingenden Warnhinweis auf diesen Produkten: "In dieser Zeit werden das Herz und die Geschlechtsorgane gebildet. Der Einfluss von Chemiekalien ist da besonders schädlich. Und welche Mutter will ihr Ungeborenes schon zu einem Versuchskaninchen machen?"

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2 Kommentare

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  • MM
    Müllers Meinung

    Was enthält heute keine Gifte mehr?

     

    Solange Grenzwerte in der Gesetzgebung nicht auf realistische und vor allem kritisch untersuchte Werte gesetzt werden, kann man wohl nix machen. Die Chemieindustrie handelt bekanntlich nicht von selbst und verschleiert kritische Ergebnisse nur zu oft.

    Es werden in nahezu allen Kunststoffprodukten (PET Flaschen Lebensmittelpackungen aller Art, Spielzeug wie Babypuppen, Gummistiefel etc) Weichmacher verwendet, und die Grenzwerte, die bisher vorgegeben sind, scheinen um ein vielfaches zu hoch zu sein.

     

    Ich empfehle hierzu immer wieder gerne den Film "Die Chemiefalle" von Klaus Hanischdörfer, der 2006 in der ARD Reihe "betrifft" produziert wurde. Zu finden im YouTube Dschungel oder mit Sicherheit auch als Sendemitschnitt teuer bei der ARD zu besorgen. (Auch wenn "Die Wahrheit" nicht Tagesschau heißen darf, mal was Gutes aus der öffentlich-rechtlichen Medienküche 1.0 ;)

     

    Aber Wissen reicht bekanntermaßen nicht aus. Nur die komplette Umstellung der Kaufgewohnheiten des Einzelnen, und derer viele, kann helfen. Aber wen interessiert das schon ernsthaft? Sorry für diese pessimistische Aussage, aber ich sehe seit 2006 keine Veränderung bei Verpackungen oder anderen Kunststoffprodukten.

     

    Das erinnert mich im übrigen an die Farce der Feinstaubdiskussion. (Grüne Plakette, man erinnere sich) Bei diesem Thema muß man wissen, daß die bisher genutzten Meßgeräte, die durch Partikelfilter erzeugten Nanorußpartikel nicht erkennen können, nach wie vor Stand der Meßtechnik zur Bewertung der Schadstoffemissionen bei Neuwagen sind. Neue Meßgeräte sind seit 2007!!! marktreif, werden aber von unserer wunderbaren Volksvertretung nicht zugelassen! Wieso denn bloß??? Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

     

    Schön, daß hier wieder ein Versuch unternommen wird, die Aufmerksamkeit auf die Vergiftung unseres Lebensraumes zu lenken. Wenn doch nur endlich daraus Konsequenzen im großen Stil generiert würden... - ! Ein hehrer Wunsch... aber Geld regiert, nicht die Vernunft.

     

    Sprachs und trank einen hoffnungslosen Schluck Wasser aus der Glasflasche!!!! Verzeiht, aber ich kann dazu nur zynisch Stellung beziehen.

  • F
    felix

    Wäre da nicht die Rede von den "nordamerikanischen Ländern " in denen die Hodenkrebsrate ebenfalls zugenommen hat, könnte man vermuten, die Katastrophe von Tschernobyl (1986) hätte etwas damit zutun!