AKWs in Schleswig-Holstein: Atomabschied fällt schwer
Die Atomkraftwerke in Brunsbüttel und Krümmel werden abgeschaltet. Der CDU-Landeschef ist plötzlich ein Atomfeind, die Politik vor Ort will nicht loslassen
HAMBURG taz | Die Atomkatastrophe in Japan hat der Anti-AKW-Bürgerinitiative Brunsbüttel ein unerwartetes Comeback beschert. In den vergangenen Jahren haben sich die Aktiven aus der Wilstermarsch eher um Kohlekraftwerke und Müllverbrennungsanlagen gekümmert. Jetzt fordert Anti-AKW-Aktivist Carsten Hinrichsen aus Brokdorf, dass sich die starken Bürgerinitiative "Gesundheit und Klimaschutz" auch um das Thema Atomkraft kümmern soll.
Um die Anti-AKW-Bewegung sei es in den vergangenen Jahren ruhig geworden, sagt Hinrichsen. Man habe sich an die AKWs gewöhnt - zumindest an das moderne Kraftwerk Brokdorf, nicht aber an Brunsbüttel, in dem es immer wieder zu Pannen gekommen ist.
Das AKW Brunsbüttel ist seit Sommer 2007 wegen diverser Mängel abgeschaltet, ebenso wie mit kurzen Ausnahmen das AKW Krümmel mehr als 100 Kilometer elbaufwärts. Beide sind Siedewasserreaktoren und entsprechen damit vom Konzept her den havarierten Reaktoren im japanischen Fukushima. Beide gehören zu den sieben Reaktoren, die wegen des Moratoriums der Bundesregierung vorerst abgeschaltet werden sollen.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat angekündigt, dass er sich dafür einsetzen wolle, dass beide Kraftwerke endgültig vom Netz gehen. Darüber wolle er mit den Betreibern Vattenfall und Eon demnächst sprechen. Sein niedersächsischer Kollege David McAllister (CDU) hat am Donnerstag die Abschaltung des ebenfalls vom Moratorium betroffenen AKW Unterweser angeordnet.
Die Politiker vor Ort äußern sich dagegen vorsichtig. "Es gibt eine Großzahl von Brunsbüttelern, die im Grunde kein Problem mit dem AKW haben", sagt der CDU-Landtagsabgeordnete für Dithmarschen-Süd, Jens-Christian Magnussen. Das Aus für die alten Meiler werde sich aber wohl kaum mehr aufhalten lassen. Die Stimmung der Kraftwerksbelegschaft sei gedrückt.
Atomskepsis in Geesthacht
Brunsbüttels parteiloser Bürgermeister Wilfried Hansen begrüßt den geplanten Stresstest für die europäischen Atomkraftwerke. "Man kann mit Sicherheit nicht zur Tagesordnung übergehen", findet er. Ob das Brunsbütteler AKW endgültig vom Netz gehe, werde sich am Ende des Moratoriums zeigen. Hansen wünscht sich auf Bundesebene ein von allen Parteien getragenes Energiekonzept für die nächsten 40 Jahre.
Stromaufwärts in der Gemeinde Geesthacht am AKW Krümmel überwiegt in der Bevölkerung die Atomskepsis. Das dürfte nicht zuletzt an der Häufung von Leukämie-Fällen in der Umgebung der Geesthachter Atomanlagen liegen, für die es bis heute keine Erklärung gibt. "Krümmel muss weg - auch der Kinder wegen", findet eine Kita-Mitarbeiterin. "Spielt man draußen, ist immer ein mulmiges Gefühl im Hinterkopf." Krümmel endgültig abzuschalten, sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sagt die Verkäuferin einer Bäckerei. Schließlich schössen die AKWs in China wie Pilze aus dem Boden.
Frank W., der vor Jahren aus Frankfurt zugezogen ist, hilft sich mit Sarkasmus: "Wenn es 'bum!' macht, ist es eh zu spät, da bleib ich zu Hause in meinem Wohnzimmer", sagt er. "Eine Spätbelastung wie in Tschernobyl ist fataler als ein kurzer heller Blitz."
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