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Drohende Realität

LITERATUR Viel gelobt worden ist Annika Scheffels Romandebüt „Ben“. Am Dienstag stellt sie ihren zweiten Roman „Bevor alles verschwindet“ vor

Viel gelobt worden ist die 1983 in Hannover geborene Annika Scheffel vor zweieinhalb Jahren für ihr kluges Romandebüt „Ben“. Weil sie die Geschichte um ihren versponnenen Protagonisten – der überzeugt ist, dass er seine große Liebe Lea nur viermal treffen wird, bevor sie sterben wird, und deshalb versucht, ihr um jeden Preis aus dem Weg zu gehen – nicht nur unkonventionell, mit viel Witz, verspielter Poesie und einer eigensinnigen Sprache erzählt. Sondern auch, weil die skurrilen Charaktere in ihrer Geschichte über die Liebe und die Endlichkeit, die Angst vor dem Tod und den Aufstand gegen eine Welt in Grau sich mit beeindruckendem Selbstbewusstsein gegen die Realität stemmen.

Auch in ihrem zweiten Roman „Bevor alles verschwindet“, der nun bei Suhrkamp erscheint (411 S., 19,95 Euro), verweigern sich die Bewohner_innen eines Dorfes gegen die drohende Realität. Denn plötzlich tauchen Gestalten auf, vermessen Land und Leute, einem Wasserkraftwerk soll der Ort weichen. In kurzen ineinander verwobenen Episoden erzählt Scheffel vom letzten halben Jahr im vom Verschwinden bedrohten Dorf und seinen skurrilen Bewohnern, von den Zwillingen Jula und Jules, dem größenwahnsinnigen Robert, der nun die Chance wittert, als Schauspieler groß herauszukommen, vom Bürgermeister und seinem Sohn und von unsichtbaren Gestalten, blauen Füchsen und einem steinernen Löwen, der sich nachts vom Sockel erhebt und durch die Straßen streift.

Ein anrührender literarischer Aufstand gegen eine viel zu schnelllebig gewordene Gesellschaft und die permanente Überforderungen, das Glück darin zu finden, sich ihrer Bewegung anzupassen. Am Dienstagabend stellt Scheffel das Buch beim zweiten Ausflug des Jungen Literaturhauses ans Schulterblatt vor.

Dort liest außerdem Saskia Hennig von Lange aus ihrer nicht minder zauberhaften Novelle „Alles, was draußen ist“ (Jung und Jung, 120 S., 16,90 Euro). Darin führt ein Wärter eines anatomischen Museums Buch über sein Leben und seine Gänge durchs Haus. Und über dessen zwar hör-, aber nicht sichtbare „Untendrunterwohnerin“.  MATT

■ Di, 26. 2., 20 Uhr, Kulturhaus III&70, Schulterblatt 73

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