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Modellprojekt für Prostituierte, die aussteigen wollen"Prostitution ist nichts für ewig"

Für Prostituierte ist es oft sehr schwierig, einen neuen Job zu finden, sagt Sozialarbeiterin Claudia Fischer-Czech. Modellprojekt für Aussteigerinnen startet heute

:Das Anstrengende ist nicht der Job als solcher, sondern das Doppelleben Bild: AP
Antje Lang-Lendorff
Interview von Antje Lang-Lendorff

taz: Frau Fischer-Czech, Sie beraten Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen. Warum ist so ein Angebot nötig?

Claudia Fischer-Czech: Weil es für Frauen, die als Prostituierte arbeiten, sehr schwer ist, sich beruflich zu verändern. Prostitution ist zwar seit Einführung des Prostitutionsgesetzes 2002 legal und gilt nicht mehr als sittenwidrig. Trotzdem wird die Arbeit weiterhin als moralisch verwerflich betrachtet. Dass Männer Prostitution nachfragen, nimmt die Gesellschaft so hin. Aber den Frauen, die diesem Beruf nachgehen, unterstellen viele nach wie vor, dass sie Flittchen sind, die nichts anderes können. Genau damit haben die Frauen zu kämpfen. Es ist schwer für sie, etwa bei Bewerbungsgesprächen darüber zu reden, was sie in den letzten Jahren gemacht haben.

Wie viele Prostituierte gibt es in Berlin?

Hydra und Diwa

Die Macher: Der Verein Hydra, der seit 30 Jahren in Berlin mit Prostituierten arbeitet, führt das Projekt gemeinsam mit dem unter anderem auf Weiterbildungsmaßnahmen für Frauen spezialisierten Beschäftigungsträger Goldnetz durch.

Die Ausstattung: Das Bundesministerium für Familie, Frauen und Jugend fördert das Modellprojekt, das Land schießt Geld dazu. Wie groß das Budget ist, wollte Goldnetz am Montag nicht öffentlich machen. Sieben Mitarbeiterinnen sind für Diwa tätig. Die Sozialarbeiterinnen von Hydra beraten die Frauen, die sich beruflich verändern wollen. Die Projektleitung liegt bei Goldnetz.

Der Start: Heute findet die offizielle Auftaktveranstaltung statt. Los gehts um 11 Uhr im Neuen Stadthaus in der Parochialstraße 3 in Mitte.

Claudia Fischer-Czech: Die 45-Jährige arbeitet als Sozialpädagogin beim Verein Hydra. In dem neuen Modellprojekt Diwa berät sie Prostituierte, die sich beruflich verändern wollen.

Wir sind uns mit der Polizei einig, dass es zwischen 8.000 und 10.000 Frauen sein müssen. Die Dunkelziffer, wie viele Frauen such von Menschenhandel betroffen sind und was es zusätzlich an sexueller Ausbeutung gibt, ist sehr schwer abschätzbar.

Heute ist die Auftaktveranstaltung Ihres Projekts. Sie haben aber schon im Januar mit der Beratung begonnen. Wie viele Frauen sind bereits zu Ihnen gekommen?

Obwohl wir das Programm erst seit Kurzem bekannt machen, haben sich acht interessierte Frauen an uns gewendet. Sie sind sowohl vom Alter wie vom Bildungsniveau ganz unterschiedlich. Zum Beispiel haben wir eine Bulgarin in der Beratung, die in Deutschland länger als Prostituierte tätig war. Sie kann nur kyrillische Buchstaben lesen und ist hierzulande daher faktisch eine Analphabetin. Gleichzeitig beraten wir auch eine promovierte Wissenschaftlerin.

Welche Gründe haben die Frauen für ihren Ausstieg?

Die Tätigkeit in der Prostitution ist körperlich und seelisch belastend und in der Regel nicht für die Ewigkeit angelegt. Wenn Frauen entscheiden auszusteigen, dann hat das oft auch damit zu tun, dass sie nicht mehr so viel verdienen. Meist kommen aber mehrere Faktoren zusammen. Das Alter spielt eine Rolle. Manche Frauen wollen auch einfach einen Wechsel. Wenn das Kind in die Schule kommt, kann es sein, dass eine Frau entscheidet: Ich brauche eine andere Tagesstruktur. Und natürlich gibt es wie überall ein Burnout-Syndrom. Wobei viele Frauen sagen: Das Anstrengende ist nicht der Job als solcher, sondern das Doppelleben. Das über Jahre durchzuhalten ist enorm belastend. Vom ersten Gedanken bis zum Ausstieg ist es oft ein langer Prozess.

Gibt es im Milieu auch Machtstrukturen, die einen Ausstieg erschweren?

Das Bild vom Zuhälter, der sich eine Frau sucht und sie für sich arbeiten lässt, ist eine Mär. In der Regel handelt es sich um freiwillig eingegangene Beziehungen, die sich im Laufe der Zeit verändert haben. Manche Frauen haben ein Händchen dafür, sich Männer auszusuchen, die ihnen letztlich schaden. Aber klar: Sich aus einer solchen Partnerschaft zu lösen ist oft schwierig. Es gibt viele Hindernisse bei einem Ausstieg, zum Beispiel wenn die Frauen Geld brauchen. Viele wollen nicht Hartz IV beantragen. Sie schämen sich, zum Jobcenter zu gehen. Da wird sehr häufig unterstellt, die Frauen hätten Geld zur Seite geschafft, weil sie ja angeblich so gut verdienten.

Was verdient eine Prostituierte denn?

Das kommt darauf an, ob Frauen Vollzeit arbeiten oder nebenberuflich. Es gibt das hochpreisige Segment wie den SM- oder Eskortbereich. Da verdient man besser als im Sexkino in Neukölln. Insgesamt sind die Preise eher runtergegangen. Ich habe an einer Studie mitgearbeitet, bei der bundesweit 300 Frauen befragt wurden. Da war ich doch erstaunt: Der durchschnittliche Nettoverdienst bei einer Vollzeitstelle bewegte sich zwischen 1.200 und 1.500 Euro im Monat.

Wie helfen Sie Frauen, die diesen Job nicht mehr machen wollen, konkret?

Ich höre erst einmal zu, was die Frauen sich wünschen. Es geht darum, individuell zu schauen: Wo sind die Stärken der Betroffenen? Frauen, die in der Prostitution arbeiten, erwerben ja durchaus Kompetenzen. Sie sind in der Regel selbstständig tätig. Das erfordert ein hohes Maß an Organisation, auch an Selbstdisziplin. Danach geht es in die berufliche Qualifizierungsphase. Was genau an Weiterbildungsmaßnahmen sinnvoll wäre, entscheiden wir gemeinsam mit den Frauen und unserem Partner vom Beschäftigungsträger Goldnetz. Oft ist es für die Frauen nicht leicht, einen neuen Job zu finden. Der Arbeitsmarkt ist hart. Wenn man dann noch das Stigma der Prostitution mit sich trägt, muss man auf einen sehr sozialen Arbeitgeber treffen, der das hinnimmt.

Raten Sie Frauen, offen mit ihrer Vergangenheit umzugehen?

Aus meiner langjährigen Arbeit mit Prostituierten weiß ich, wie belastend diese Lügerei sein kann. Häufig ist die Angst vor der Diskriminierung real größer als das, was dann letztendlich passiert. Aber ob sie offen darüber sprechen will oder nicht, entscheidet jede Frau selbst.

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3 Kommentare

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  • S
    Sanftherz

    Zwei meiner drei Vorredner kann ich nur bedauern. Sie haben keine Ahnung, einschließlich der Prostituierten Nina. Jeder Freierkontakt wird bezahlt - mit der Seele der Gefreiten, nicht des Freiers. Der bezahlt mit Geld, die Prostituierte merkt am Anfang nicht einmal, dass sie ihre Seele, ihre seelische Gesundheit in die Wagschale wirft und mit nichts als ihrer Person bezahlt. es gibt genug wissenschaftliche Studien die belegen, wie die Frauen langsam dabei psychisch vor die Hunde gehen. da btaucht man garnicht zu stolz daherkommen als Hure. Und die tatsache, dass mittlerweile 80% der Huren aus dem Auslang sind und 60 % Gewalterfahrungen in der Kindheit hatten spricht Bände.

    Frauen in der Prostitution haben es sehr schwer, rauszukommen, und deshalb hätte jede eine eigene Sozialarbeiterin verdient.

    agir, recht gesprochen. FAXENDICK: geh nach Hause zu mami, da ist die Welt noch in Ordnung.

  • A
    agir

    an dicke Faxe:

     

    Artikel wohl nicht richtig gelesen?

    Es geht um Stigma und Scham und die Hilfe, welche die Frauen zum Ausstieg brauchen. Von Maurern habe ich das bislang so noch nicht gehört. Es ist müßig, erklären zu wollen, warum Sozialarbeit an dieser Stelle wichtig ist.

  • F
    FAXENDICKE

    Ist schon interessant wie einfallsreich arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Sozialarbeiter sind, wenn es darum geht sich über "gemeinnützige Vereine" auf Steuerzahlers Kosten eine Vollzeitstelle zu erschleichen.

    Als nächstes kommen wohl Vereine für Dachdecker, Maurer und Stahlarbeiter die i.d.R. auch nicht bis 67 oder wie schon angedacht bis 70 arbeiten können.