Späte Reue über schnelle Privatisierung: Schöner wohnen in Dresden

Fünf Jahre nach dem Verkauf aller städtischen Wohnungen klagt Dresden gegen den Immobilienkonzern Gagfah. Der Vorwurf: Der Mieterschutz wurde ausgehebelt.

Schnell Geld in die Stadtkasse gespült, jetzt den Ärger dafür bekommen. Bild: dpa

DRESDEN taz | Die Stadt Dresden wird den Immobilienkonzern Gagfah verklagen, dem sie 2006 ihren kompletten kommunalen Wohnungsbestand verkauft hatte. Das beschloss der Stadtrat mit großer Mehrheit am Donnerstagabend. Es geht um Vertragsstrafen von rund einer Milliarde Euro, weil die Gagfah Vertragsklauseln beim Weiterverkauf von Wohnungen nicht eingehalten haben soll, darunter die bis 2016 geltende Sozialcharta zum Mieterschutz.

Mit der bis zum 31.März einzureichenden Klage ziehen auch CDU und FDP ein Geschäft in Zweifel, das vor fünf Jahren bundesweit für Aufsehen sorgte. Die Stadt hatte damals ihre 48.000 in der "Woba" verwalteten Wohnungen für knapp eine Milliarde Euro an die Gagfah verkauft, eine Tochter des US-Immobilienriesen Fortress und das größte börsennotierte Wohnungsunternehmen Deutschlands. Mit dem Erlös konnte die Stadt zwar alle Schulden begleichen, doch sorgte die Privatisierung für heftige Proteste. Die damalige PDS-Stadtratsfraktion zerbrach am Streit über den Verkauf.

Derzeit verwaltet die Gagfah nur noch 38.600 Wohnungen mit etwa 100.000 Mietern. 10.000 Wohnungen wurden abgerissen oder verkauft. In mindestens 74 Fällen sollen beim Verkauf Mieterschutzklauseln, die etwa eine maximale Miethöhe festsetzen, fallen gelassen worden sein.

Noch im Juli 2010 versicherte die Stadtverwaltung den Stadträten und dem zur Kontrolle der Sozialcharta geschaffenen "Beirat Wohnen", es habe sich ein "vertragskonformes Verhalten der Vertragspartner" gezeigt. Später wurde bekannt, dass zwei Anwaltskanzleien bereits seit 2009 im Auftrag der Stadt Vertragsverstöße prüfen. Grüne, SPD und Linke werfen Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) daher vor, den Stadtrat "systematisch hintergangen zu haben".

Die Gagfah ist verschuldet und schreibt rote Zahlen

Die Gagfah hat sich für den Dresdner Kauf mit 1,3 Milliarden Euro verschuldet und schreibt rote Zahlen. Die Dresdner Klagedrohung hat den Kurs zusätzlich stürzen lassen. Inzwischen ermittelt die Finanzaufsicht Bafin gegen Vorstandschef William Brennan wegen des Verdachts auf Insiderhandel. Brennan hatte einen Tag vor Bekanntwerden der Klageabsicht Aktien in Höhe von 4,7 Millionen Euro zum Kurs von nur 7,50 Euro verkauft.

Bei einer erfolgreichen Dresdner Klage drohe der Gagfah-Tochter Woba die Insolvenz, sagte der Dresdner Unterhändler Matthias Moser der Sächsischen Zeitung. Damit sei niemandem geholfen. Während des Rechtsstreits werde auch nicht mehr in die Wohnungen investiert. Stadträte und Mieter empfanden das als Drohung.

Die Grünen im Stadtrat aber nahmen die Argumente ernst und enthielten sich bei der Klageentscheidung. Fraktionssprecher Michael Schmelich schließt nicht aus, dass die Klage nach hinten losgehen könnte und die Stadt auf den Prozesskosten sitzen bleibe. Bei einer Zwangsversteigerung ginge auch der Schutz der Mieter verloren, befürchten die Grünen. Die Idee der SPD, die Stadt könne dann einen Teil ihrer ehemaligen Wohnungen zurückersteigern, erscheint den Grünen weltfremd.

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