Skandal bei EU-Subventionen: Kühe, die im Jenseits grasen

Bauern in Italien kassieren EU-Subventionen für 300.000 Kühe, die längst tot sind. Staatliche Stellen sollen beteiligt sein – in deren Computern wurden die Kühe 999 Monate alt.

Chillig zwischen Hortensien: Kühe, fotografiert auf den Azoren. Bild: Guillaume Baviere | CC-BY

ROM taz | 83-jährige Kühe, die selbst im Methusalem-Alter noch reichlich Milch geben: Dieses zootechnische Wunder ist in Italien gelungen. Doch die Geniezüchter behielten ihren offenkundig schon vor vielen Jahren erreichten bahnbrechenden Erfolg für sich. Aufgedeckt wurde er jetzt von den Fahndern der Carabinieri, die einem offenkundig sehr weit gespannten Milchquoten-Betrugsring auf die Spur kamen.

Und im Zentrum des groß angelegten Betrugsmanövers sollen ausgerechnet zwei staatliche Behörden stehen, die mit der Überwachung der Milchbauern und mit der Ausschüttung der ihnen zustehenden Zuwendungen aus den EU-Agrartöpfen befasst sind: die Agea (Agentur für finanzielle Ausschüttungen in der Landwirtschaft) sowie das IZS (Institut für experimentelle Zoologie), das im abruzzischen Teramo sitzt.

Es waren Mitarbeiter der beiden Behörden, die den Altersfortschritt bei den Kühen per Mausklick erreichten: Statt des Höchstlebensalters 120 Monate gaben sie 999 Monate ein - und schon lebten auf dem Papier hunderttausende Kühe weiter, die schon lange im Jenseits grasten. Vor allem aber spendeten diese Kühe Milch, für die die Bauern trotz gähnend leerer Ställe Milchquoten erhielten - und auch abrechneten.

Beamte gaben einfach 999 Monate in den Computer ein

Auf diese Weise wurde der italienische Milchkuhbestand, errechneten die Carabinieri, von real etwa 1,3 Millionen auf 1,6 Millionen aufgebläht. Zwischen konservativ geschätzten 10 und 20 Prozent liegt die Menge von bloß in den Statistiken gemolkener Milch; die Rede ist mithin von mindestens 1,2 Milliarden Litern im Jahr. Und so geht es um einen Betrug von mindestens 60 Millionen Euro im Jahr.

Aufgebracht sind jetzt vor allem tausende italienische Milchbauern, die in den letzten Jahren immer wieder Strafen wegen Nichteinhaltung ihrer Höchstquoten zahlen mussten. "Geld zurück!", fordert jetzt ihr Verband, denn die Quotenüberschreitung habe ja bloß auf dem Papier stattgefunden; real produziere Italien seit Jahren weit unter seinem EU-Limit.

Der Verdacht, dass sich Betrüger mit bloß auf dem Papier existenter Milch seit Jahren bereichern, wurde nicht umsonst immer wieder von Politikern der Lega Nord geäußert: Sie fechten seit Jahren an der Seite der Quotensünder, um für sie Strafnachlässe herauszuhandeln. So sprach der Lega-Senator Sergio Agoni - im Zivilberuf selbst mit hohen Strafen belegter Milchbauer - schon im Jahr 2005 davon, dass etwa 300.000 Kühe real gar nicht in den italienischen Ställen stünden.

Unklar: Papiermilch oder Pulvermilch?

Doch noch ist völlig unklar, ob die 1,2 Milliarden Liter bloß auf dem Papier in den Handel gelangt sind - in diesem Falle hätte Italien tatsächlich seine Produktionsquoten (nicht aber die abgerechneten Quoten) unterschritten. Die andere denkbare Alternative: Die Betrüger importierten zum Beispiel Pulvermilch aus dem Ausland und brachten sie dann als "italienisch" auf den Markt.

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