piwik no script img

Kosten der EnergiewendeDie Milliardendebatte

In Berlin streiten Parteien und Umweltverbände über die Kosten des Atomausstiegs. Das Projekt rechnet sich ohnehin, sagt Ökostrom-Anbieter Greenpeace Energy.

Aktivisten protestieren mit Röttgen- und Merkel-Masken gegen AKWs. Bild: dpa

BERLIN taz | Deutschland streitet darüber, was die Energiewende kosten und wer sie bezahlen soll. Zunächst hat der Bund ein Problem, weil Einnahmen aus der Brennelementesteuer für die Betreiber von Atomkraftwerken wegfallen: Nach einem Bericht des Spiegel vom Montag will das Bundesfinanzministerium deshalb die Abgabe erhöhen.

Pro Gramm müssen die AKW-Betreiber seit dem vergangenen Herbst 145 Euro im Jahr zahlen. Im Gespräch sind nun die ursprünglich ohnehin geplanten 220 Euro. Bisher sind jährlich 2,3 Milliarden Euro aus der Steuer bis 2016 eingeplant. Zusätzlich sollten die Unternehmen bis 2017 in einen Fonds zur Förderung erneuerbarer Energien einzahlen, zunächst 300, später 200 Millionen Euro jährlich.

Sie haben die Gelder momentan allerdings eingefroren. Union und FDP sollen intern die Kosten für einen raschen Ausstieg aus der Atomenergie auf rund 16 Milliarden Euro bis 2015 für den Bund beziffert haben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel versuchte, zumindest die Verbraucher in der Kostendiskussion zu beruhigen. In ihrer wöchentlichen Videoansprache verwies die CDU-Politikerin darauf, dass Bürger durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz bereits für die Förderung grüner Energie zahlten: "Insgesamt werden Sie auf die lange Strecke nicht mehr bezahlen", sagte Merkel. Momentan wird die grüne Energie nicht vom Staat subventioniert, stattdessen zahlt der Verbraucher mit seiner Stromrechnung 3,55 Cent zusätzlich pro Kilowattstunde.

Die FDP warnte trotzdem vor möglichen Steuererhöhungen, weil der Bund Gebäudedämmung stärker fördern will, auch eine direkte Subvention der dümpelnden Offshore-Windkraft ist im Gespräch. FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger will deshalb im Bundeshaushalt kürzen. Dem schloss sich auch der designierte FDP-Vorsitzende Philipp Rösler an. "Ich bin gegen einen Energie-Soli" und eine höhere Neuverschuldung, sagte er.

Deindustrialisierung Deutschlands?

SPD und Grüne sind in der Debatte uneins. Frank-Walter Steinmeier, SPD-Fraktionschef, warnte vor einer Deindustrialisierung Deutschlands: "Wir sind nicht irgendein Land, sondern ein bedeutender Industriestandort", sagte er. Zudem könne Atomenergie nicht zeitnah durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warnte vor überzogenen Schätzungen für die Kosten des Atomausstiegs. Die Partei Die Linke verlangte soziale Stromtarife.

Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte Argumente, um die "von interessierter Seite forcierte, unseriöse Kostendebatte als Handbremse gegen die Umsetzung einer umfassenden Energiewende einzusetzen". Sie verwies darauf, dass der Einstieg in das neue Energiesystem bisher hauptsächlich auf privaten Investoren beruhe, vor allem des Mittelstandes, nicht jedoch auf einer Belastung des öffentlichen Etats.

Auch Ökostrom-Anbieter Greenpeace Energy mischt sich in die Debatte ein: "Bislang wurden die Verbraucher über den wahren Preis von Kohle und Atom getäuscht", sagte Vorstand Robert Werner. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft hat für Greenpeace Energy ermittelt, das Wind- und Wasserstrom schon heute billiger sei als Atom- und Kohlestrom, wenn alle versteckten Förderungen durch Subventionen und Klimaschäden einbezogen würden. Dann koste eine Kilowattstunde Strom aus Windenergie in der Produktion 7,6 Cent, aus Wasserenergie 6,5 Cent, aus Kohleenergie 12,1 Cent und aus Atomenergie sogar 12,8 Cent.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • RK
    Rüdiger Kalupner

    Die 'Kosten- und Milliardenthese' der Energiewende ist eine Finte des Ancien Régime-Strategen.

     

    Wer die revolutionäre Fortschrittsweg-Wende in der Industriekultur kennt, der weiß, dass die Energie-Wende nur der Auslöser für den Exodus aus der 2%Wachstumszwang-der-KAPITALSTOCK-Maximierer-Tyrannei sein wird. Und dieser Exodus umverteilt über 200 Mrd. € pa von oben nach unten.

     

    Die AKW-Frage wird betriebswirtschaftlich und nicht bürokratisch beantwortet werden - durch die Umfinanzierung der staatlichen und der sozialen Leistungen von dem Faktor Arbeit auf die Faktoren Kapitalstock- und Energie-Einsatz. AKW-Strom wird einfach zu teuer werden.

     

    Diese evolutionsprozesslogische Exodusoption kennen die 2%Wachstumszwang-Tyrannei-Betreiber. Sie hoffen, dass sie es weiterhin erreichen, dass die Exodus- und EPIKUR-Projekt-Option aus der Diskussion gehalten werden kann. Es wird ihnen aber nicht gelingen. Die selbstläuferische Einfachheit des Umfinanzierungs-Ansatzes und die Umverteilungsfolgen von oben (= Zinseinkommens-Bezieher) nach unten (= Leistungs- und Arbeitseinkommens-Bezieher) betragen über 200 Mrd. € p.a. in Deutschland.

  • RK
    Rüdiger Kalupner

    Die 'Kosten- und Milliardenthese' der Energiewende ist eine Finte des Ancien Régime-Strategen.

     

    Wer die revolutionäre Fortschrittsweg-Wende in der Industriekultur kennt, der weiß, dass die Energie-Wende nur der Auslöser für den Exodus aus der 2%Wachstumszwang-der-KAPITALSTOCK-Maximierer-Tyrannei sein wird. Und dieser Exodus umverteilt über 200 Mrd. € pa von oben nach unten.

     

    Die AKW-Frage wird betriebswirtschaftlich und nicht bürokratisch beantwortet werden - durch die Umfinanzierung der staatlichen und der sozialen Leistungen von dem Faktor Arbeit auf die Faktoren Kapitalstock- und Energie-Einsatz. AKW-Strom wird einfach zu teuer werden.

     

    Diese evolutionsprozesslogische Exodusoption kennen die 2%Wachstumszwang-Tyrannei-Betreiber. Sie hoffen, dass sie es weiterhin erreichen, dass die Exodus- und EPIKUR-Projekt-Option aus der Diskussion gehalten werden kann. Es wird ihnen aber nicht gelingen. Die selbstläuferische Einfachheit des Umfinanzierungs-Ansatzes und die Umverteilungsfolgen von oben (= Zinseinkommens-Bezieher) nach unten (= Leistungs- und Arbeitseinkommens-Bezieher) betragen über 200 Mrd. € p.a. in Deutschland.

  • J
    JanG

    Greenpeace hatte bereits im letzten Jahr den sehr umfassenden Report "Staatliche Subventionierungen der Atomenergie zwischen 1950 - 2010" veröffentlicht. Hierzu habe ich etwas recherchiert und alles mal zusammengefasst. Nachzulesen hier: http://www.kerngedanken.de/?p=247

  • MA
    Moritz Arndt

    Ist doch alles absolut nachvollziehbar. Die Energie- (Atom-) Lobby ist gerade "not amused" und lässt dies wahrscheinlich auch unsere Lobbyregierung spüren. Als Versuch der Schadensbegrenzung wird jetzt wahrscheinlich so lange über angebliche Kosten gesprochen (und die werden wahrscheinlich über die nächsten Wochen auf epische Ausmaße wachsen) um die Bürger zu verunsichern und gerade diejenigen die sich uns gerade erst angeschlossen haben wieder zum Atom hinzubewegen... Fukushima vergessen wir ja auch irgendwann.

     

    Das wird wieder eine tolle Debatte. Aber die haben schon Recht, besser wir halten das Geld mal zurück... die nächste Finanzkrise kommt bestimmt, dann brauchen wir die Millarden wieder für die Banken.

  • AT
    Andreas Thal

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Die Energiewende fordert auch einen Beitrag von den Konsumenten und der besteht, neben dem Wechsel zu Anbietern von regenerativen Energieformen, eben auch im Stromsparen. Selbst wenn auf den einzelnen Haushalt monatlich

    10 € höhere Kosten zu kommen, so what? Dann wird sich der einzelne Bürger vielleicht endlich darum bemühen, Strom zu sparen. Denn bekanntlich muss es oft erst im Geldbeutel "weh tun ", bevor man sein Verhalten ändert. Das Ergebnis, nämlich ein Leben ohne Atomenergie, ist es allemal wert!

  • D
    doktrinp

    Na wenn die antimodernistische Sekte Greenpeace und deren Ableger Greenpeace Energy das sagen - eine Firma, die mit Angst, Antimodernismus und Ideologie Profit macht.

     

    Reiner Oeko-Sozialismus, der sich wie jeder solcher natuerlich raechen wird.

     

    Es gibt ja viele Untergangsszenarios, Verschwoerungstheorien. Es gibt aber auch ein Handel gegen Aufklaerung, Grundlagentechnik (ist ja auch bei der Gentechnik so) ... und das raecht sich immer.

     

    Aller Aberglaube ist ein "zurueck zur Natur" Denken und Sehnsucht nach Einfachheit - primitiverer Technik und Denke.

     

    Der Ausstieg aus der Kernkraft ist ein Fehler und sonst gar nichts. Schon jetzt tauscht Deutschland immer mehr Physiker gegen subventionierte "Sozial-Oeko-XXX"-Jobs aus. Dadurch werden die Strukturen noch totalitaerer.

     

    Das wird nach hinten losgehen. Greenpeace hatte bereits munter verbreitet, dass mindestens 50 Mrd. "Umweltfluechtlinge" unterwegs seien 2010. Es ist nicht ihr einziger Irrtum. Diese voellig unserioese pseudo-wissenschaftliche Lobbysekte macht Geschaefte mit der Angst - und die ist, auch ein gemeinsames Muster jeden Rueckschrittes, ein schlechter Ratgeber.

  • V
    vic

    Deindustrialisierung Deutschlands?

    Ach, Herr Steinmeier.

    Ich glaube, langsam werden Sie zu alt um bei solchen Themen mitzureden.

    Gerade die Energiewende bietet enormes Arbeitsplatzpotenzial und technologischen Vorsprung gegenüber anderen Staaten, die die Einleitung notwendiger Schritte bereits vor langer Zeit verschlafen haben.

  • MK
    Michael Kruse

    Ja Ja die Kosten!

    Die Stromkosten steigen leider immer!

     

    Obwohl in den vergangenen Jahrzehnten "billiger" Atomstrom produziert wurde, stiegen die Preise für den Endverbraucher deutlich an.

     

    Und sie werden weiter steigen.

     

    Wenn schon die Preisteigerungen bleiben, so fällt doch ohne Atomkraftwerke zumindest das Risiko weg.

     

    Das ist ein deutlicher Gewinn!

  • JP
    Johannes Peters

    "Wir sind nicht irgendein Land, sondern ein bedeutender Industriestandort"

     

    Tja, das könnte sich aber sehr schnell ändern, wenn die Förderkapazitäten für Erdöl zu fallen beginnen. Dann wird Öl unglaublich teuer, sowie alles woraus man sonst noch Treibstoff und Heizwärme machen kann - also auch Kohle und Strom -, und die heutige PKW-Insudtrie würde eine solche Entwicklung keine fünf Jahre überleben. Die meisten Wirtschaftszweige wären dagegen froh um jeden einzelnen Euro, den man bis dann in Wärmedämmung gesteckt hat, denn dieses Geld wird über mehrere Jahrzehnte ein Vielfaches an Einsparungen bringen, die der Binnenwirtschaft zusätzlich zur Verfügung stehen. Wärmedämmung verbessert die Überlebensfähigkeit der gesamten Ökonomie im Falle einer Energiekrise, und die wird früher oder später kommen; Ihre Vorboten sind schon da.