piwik no script img

Debatte Nato-Einsatz in LibyenHammer und Amboss

Kommentar von Reinhard Mutz

Die Führungstroika der Nato will den Regimewechsel. Dazu setzt sie rigoros auf die militärische Karte. Der Situation wird sie damit nicht gerecht.

Rebellen kämpfen in der Nähe von Adschdabiya. Bild: dpa

D ie westlichen Militäroperationen im libyschen Luftraum, die Präsident Obama anfangs als Angelegenheit von Tagen, nicht von Wochen verstanden wissen wollte, gehen heute in ihren zweiten Monat. Ein durchschlagender Erfolg, gar das Ende des Unternehmens, sind nicht in Sicht.

Frankreichs Präsident Sarkozy und der britische Premierminister Cameron verlangten vergangene Woche in Paris die Forcierung der Angriffe auf die Stellungen Gaddafis. Alle vorhandenen militärischen Mittel müssten jetzt zur Verfügung gestellt werden. Zunehmend lauter rufen die Militärs nach mehr Flugzeugen mit Präzisionswaffen gegen Bodenziele. Unübersehbar ist: Die Zeichen stehen auf Eskalation.

Präzedenzfall Kosovo

Jochen Rasch

REINHARD MUTZ war bis 2006 geschäftsführender wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Inzwischen ist er pensioniert.

Nach der moralischen Rechtfertigung und der politischen Verantwortbarkeit der gewaltsamen Intervention gefragt, verweisen die Befürworter mit Vorliebe auf den zeitgeschichtlichen Präzedenzfall des Kosovokriegs. Da lohnt schon mal genaues Hinsehen. Damals war es die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright, die mit der Prognose irrte, ein paar energische Luftschläge würden genügen, den Kontrahenten in die Knie zu zwingen.

Die Nato zog die Schraube an, erhöhte die Angriffsfrequenz, erweiterte die Ziellisten. Trotzdem brauchte sie, ehe ihr Kriegszweck erreicht war, 78 Tage Dauerfeuer in 37.000 Lufteinsätzen mit Bomben und Raketen auf Straßen, Eisenbahnlinien, Brücken, Fabriken, Raffinerien, Rundfunksender - 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag.

Dass schließlich in der elften Kriegswoche der serbische Potentat die weiße Fahne hisste, leiht ihm noch nachträglich die Gloriole eines verantwortungsbewussten Staatsmanns. Denn "sonst hätte die Nato weitergebombt", so der damalige Oberbefehlshaber General Wesley Clark, "seine Infrastruktur pulverisiert. Wir hätten die Nahrungsmittelindustrie zerstört, die Kraftwerke. Wir hätten alles getan, was nötig gewesen wäre." So sah es aus, das Kriegsbild, für das eigens ein neuer Name erfunden wurde: humanitäre Intervention. Kein gutes Omen für die Menschen in Libyen.

Im Land mit den reichsten Ölvorkommen Afrikas herrscht je nach Blickwinkel ein exaltierter Autokrat oder ein skrupelloser Diktator. Es ist derselbe, den die Regierungen Europas in ihren Hauptstädten empfingen, mit dem sie Handel trieben und Geschäfte schlossen und dessen modernste Waffen europäischer Produktion entstammen. Anders als in Tunesien und Ägypten hat die Aufstandsbewegung den alten Machthaber bislang nicht aus dem Amt drängen können. Seine Anhänger kontrollieren den bedeutenderen, die Oppositionellen den übrigen Teil des Landes. Um Größe und Grenzen der jeweiligen Besitzstände wird gekämpft.

Parteinahme im Bürgerkrieg

Zum militärischen Eingreifen von außen haben Nachrichten den Anstoß gegeben, Gaddafis Armee gehe mit Luftangriffen gegen friedliche Demonstranten vor. Was daran stimmt, ist bis heute unklar. Das UNO-Generalsekretariat in New York, das Pentagon in Washington, sogar die westlichen Botschaften vor Ort in Tripolis sahen sich außerstande, die Schreckensmeldungen zu bestätigen. Gleichwohl erlaubt die einschlägige Libyen-Resolution des UNO-Sicherheitsrats "alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um von Angriffen bedrohte Zivilpersonen und von der Zivilbevölkerung bewohnte Gebiete zu schützen".

Für weitergehende Absichten, zum Beispiel einen Regimewechsel zu erzwingen, bietet die Resolution keine Handhabe. Dabei bestand von Anfang an Gewissheit, dass der Schutz unschuldiger Zivilisten nicht das einzige Ziel westlicher Kampfjets darstellt. Zugleich, wenn nicht vor allem, leisten sie Umsturzhilfe für die genehmere der beiden Konfliktparteien im libyschen Stammes- und Bürgerkrieg.

Nun ist die Katze aus dem Sack. Die alliierte Führungstroika ließ wissen, wie sie sich den Kriegsausgang vorstellt. Obama, Cameron und Sarkozy in einem gemeinsamen Zeitungsbeitrag: Solange Gaddafi an der Macht sei, werde der Nato-Einsatz weitergehen. Damit brüskierten sie ihre Bündniskollegen, die erst am Vortag auf dem Berliner Ratstreffen als Voraussetzung, die militärischen Operationen zu beenden, ausschließlich solche Bedingungen genannt hatten, die mit dem UNO-Mandat im Einklang stehen.

Jetzt wird die Sache also ausgeschossen. Zu den Opfern, die schon Gaddafis Aufbäumen gegen den doppelten Feind innerhalb und außerhalb seiner Landesgrenzen kostet, werden noch diejenigen kommen, die als "Kollateralschäden" der Luftattacken anfallen. Deshalb gehört komplexe politische Konfliktlösung nicht in die Hände von Militärallianzen. Wer nur einen Hammer im Werkzeugkasten hat, wird in jedem Problem den Amboss erkennen. Der erste Praxistest der UNO mit dem neuen Rechtsprinzip der Schutzverantwortung muss als gescheitert gelten.

Gewalt beenden

Und wie sonst kann die libysche Zivilbevölkerung ihrer Zwangslage entgehen, wie in den Genuss des bislang nur papiernen Schutzversprechens gelangen? Die Antwort ist so trivial wie plausibel: Die Waffen, und zwar alle, müssen zum Schweigen gebracht werden, besser heute als morgen, nach Kräften flankiert durch die zupackende Unterstützung der internationalen Gemeinschaft.

Zwei solcher Initiativen existieren, unterbreitet zum einen vom Nato-Mitglied Türkei, zum anderen von einer hochrangigen Abordnung der Afrikanischen Union. Sie gleichen sich in der vorgeschlagenen Schrittfolge: ein sofortiger Waffenstillstand, Beendigung der Belagerung eingeschlossener Städte, ungehinderte Bereitstellung humanitärer Hilfe und die Einleitung eines politischen Verhandlungsprozesses zwischen den libyschen Konfliktseiten.

Zusätzlich fordert der afrikanische Plan von der Nato, die Luftangriffe unverzüglich einzustellen. Hinter diesen Vermittlungsversuch haben sich die sogenannten BRICS-Länder gestellt: Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika. Das ist vordergründig eine imposante Gruppierung, doch offenbar zu leichtgewichtig, solange die Interventionsmächte keine Bereitschaft zeigen, ein anderes als ihr schlichtes Rezept von Hammer und Amboss auch nur zu diskutieren.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

17 Kommentare

 / 
  • TD
    Torsten Domenz

    @ Jürgen Kluzik

    nicht das "Kriegserlebnis" sondern der damals millionenfache Schwur- das von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgehen darf (unter welcher Demagogie auch immer). Und mindestens das hat Ihnen Max Wischmann voraus.

    Zumal man weiß wie ernst es die heutigen Freiheitsbringer damals mit der Beseitigung des Faschismus gemeint hatten (Rattenlinie, BKA, Org. Gehlen, AA usw).

    Und Männer wie er (zumindestens in seiner Anfangszeit) wurden vom Kapital seit jeher gehängt oder erschossen.

    Und da Sie ja das "grüne Buch" gelesen haben, sollten doch sie ihre Thesen belegen.

  • L
    Laila

    Regime-Change ist durch nichts gedeckt, keine UN-Resolution, kein Völkerrecht. D.h. ab sofort sind die Kriegsfürsten in Washington, London und Paris ein Fall für das Kriegsgericht, den Internationalen Strafgerichtshof. Aber Vorsicht, versteckt sie dort gut, die Amerikaner haben ja mit dem Sturm auf Europa gedroht, sollte jemals ein US-Amerikaner dort landen...

  • JK
    Jürgen Kluzik

    @ max wischmann

     

    Ihre "Erstickungsängste" in einem Bunker haben Sie Ihrem "Führer" und den ihm zujubelnden Massen zu verdanken.

     

    Und dies Kriegserlebnis hat Sie dazu befähigt nach Walhall hinaufzusteigen und von da auf mich herabzublicken, weil ich ein Geschöpf der Erde bin.

     

    Und so nehmen Sie sich das Recht die Freiheitskämpfer und Hungerleider dieser Erde, und die, die ihnen helfen wollen, also auch mich, zu "verachten".

     

    Schön für Sie.

  • V
    vic

    Die Westallianz tut nur wieder, was sie am besten kann: Krieg, Kieg, Krieg!

    Winkt doch am Ende eine Belohnung in Sachwerten.

  • GG
    Günter Gruse

    Fakt ist, seit die NATO das Kommando übernommen hat, hat sich die Lage der libyschen Widerstandskämpfer dramatisch verschärft. Die eingeschlossene Stadt Misrata erinnert mich immer stärker an die Tragödie von Srebrenica. Will die NATO Misrata opfern? Wie man einst Srebrenica geopfert hat, als die UNO (niederländische Blauhelm-Soldaten) den serbischen Schlächtern sogar beim Selektieren behilflich war? "Exaltierter Autokrat" - ja spinn ich denn? Was soll diese Apeasementscheisse, Herr Mutz? Lockerbie oder der Anschlag auf die Berliner Diskothek schon vergessen? Dieser Mann ist ein durchgeknallter Killer, der ehr sein eigens Volk abschlachten lässt, als sich mit seiner korrupten nicht minder mörderischen Brut vom Acker zu machen.

  • JK
    Jürgen Kluzik

    In deutschen Kommentaren zu Libyen geht es doch vorrangig darum, dass der Mehrheit die ganze derzeitige Situation in den arabischen Ländern nicht in den Kram passt. Diese Mehrheit möchte gern zurück in die Stagnation. Die Fettlebe auf ihrer Wohlstandsinsel, und hinter den Mauern ihrer Festung Europa bewahren. Daher sitzen jetzt Westerwelle, der Gaddafi-Clan, die deutsche "Friedensbewegung" und die rechtsradikalen Foristen bei "weltonline.de" in einem Boot.

    Abscheu vor Gaddafi fand ich nur bei viel Foristen des liberalen Bürgertums in der "Basler Zeitung", teilweise in der "Zeit", bei "spiegelonline.de" und natürlich auch hier.

    Und niemand von den deutschen Gaddafistiefelleckern las sein "Grünes Buch". Aus dessen Inhalt klar zu erkennen ist, dass der Mann ein brutaler Antisemit und Faschist ist. Stattdessen erzählen uns "Rechte" und "Linke", Gaddafi sei doch auch irgendwie national und sozialistisch. Männer wie er wurden aufgrund ihrer Taten und Gesinnung 1946/47 in Deutschland als Kriegsverbrecher gehängt.

  • MW
    max wischmann

    wer wie meine altersgenossen den bombenkrieg,in

    einer westdeutschen grossstadt ueberlebt hat,kann

    die befuerworter des lybieneinsatzes nur verachten.

    ihm fehlt die erfahrung im schwankenden hochbunker

    erstickungsaengste ausgehalten zu haben,wenn seine

    heimatstadt im bombenhagel verglueht.

  • A
    Antifo

    Wie soll man eigentlich glauben, dass in Misurata mit "Streubomben" gegen diese Aufständischen vorgegangen wird, wo doch bereits seit mehreren Wochen ein Flugverbot über Libyen verhängt und durchgesetzt wird?

  • N
    Niedrahos

    Zu dem Angriffskrieg auf Lybien ist schon viel gesagt. Peinlicher sind die hiesigen Journalisten von SZ usw., die sich der NATO-PROPAGANDA unterwerfen. Al Quaida, Briten, Franzosen & noch viele andere Gauner sind da unterwegs. Schöne Grüße an die Freiheit.

  • IW
    ingrid werner

    Sehr geehrter Herr Mutz. Wenn Gadaffi jetzt doch noch die Waffen strecken sollte, werden Sie ihn auch noch, neben Miloscevic, in den Heiligentempel aufnehmen? Fordergründig haben Sie recht, dass das Handeln nicht ausschließlich mit der völkerrechtlich vorgesehenen und von der NATO vorgegebenen Schutzverantwortung zusammenläuft. Die Bedrohung für die Zivilbevölkerung ist noch nicht gebannt, und es müssen noch weitere Opfer befürchtet werden. Sie wollen Verhandlungen mit ihm. Aber ist Herr Gadaffi ein glaubwürdiger Verhandlungspartner, von dem noch irgendwas zu erwarten ist, dem man den Zugang zur Bühne der geachteten Staatschefs wieder bieten sollte? Und welche Glaubwürdigkeit besitzt die Afrikanische Union mit einer Delegation angeführt von Jacob Zuma (?)(für weitere Informationen bitte sehen Sie nach einschläg. Infos zur Person Zuma und zur Politik Südafrikas gegenüber dem Regime Mugabe im Netz) und der DR Kongo? Leute, die von ihrem Weltbild ähnlich gestrickt sind wie Gadaffi sollen dann mit diesem auch einen für Europa und die USA akzeptablen Verhandlungskompromiss ausmachen? Und ähnlich wie in Jugoslawien hat auch Europa hier unmittelbare Sicherheitsinteressen,Libyen liegt in unmittelbarer Nachbarschaft. Russland oder Südafrika oder China kann das egal sein, für diese ist das nur Geostrategiepoker. Und solange die Welt so ist wie sie ist, darf sich Europa auf diesem Feld nicht unterbuttern lassen. Man darf den Glauben in das Gute, die Menschenrechte, das Völkerrecht- nicht verlieren, aber darf deshalb nicht blind werden gegenüber den Gefahren durch ihre Gegner.Oder? Das ist einfach zu existenziell, auch wenn die letzten Jahrzehnte weitestgehend eitel Sonnenschein unter dem Schutzschirm der USA waren, muss dies nicht für immer so bleiben. Ja,von Anfang an war klar es ging dem Westen zunächst einmal um Regimewechsel. Ich kann darin aber nichts per se schlechtes erkennen, manchmal müssen solche Regime eben auch konsequent zu Ende gebracht werden, das war in Jugoslawien richtig (obwohl sich auch hier der Westen erst peu a peu zu einem "konsequenten" Eingreifen entschließen konnte, bis es zu Dayton und in einem zweiten Krieg zur Abspaltung des Kosovo kam, und der Regimewechsel durch die Serben selbst erledigt wurde)und ist auch in Libyen richtig. Ja, man hat mit ihnen kooperiert auch über das moralisch vertretbare hinaus (ihnen Waffen geschickt) vllcht war dieser Ansatz total falsch und man hätte Gadaffi schon vor Jahren beseitigen müssen. Aber vllcht wollte man auch nur seinen lieben Frieden und ist gar nicht so kriegslüstern wie Sie vllcht vermuten (und hinter der NATO stehen auch immer noch zivile Regierungen)und will im Internationalen Raum ja auch gar nicht als Axt im Walde agieren, was die -konsequente- Bemühung, diesmal um ein Mandat der UN zeigt. Und der Grund warum -anders als in Ägypten oder Tunesien- die Bevölkerung G noch immer nicht hat verdrängen können liegt darin, dass sich die Auseinandersetzung auf das Schlachtfeld verlagert hat (falls Sie andeuten wollten, dass die Libyer ja vllcht doch noch was an G haben und ihn einfach behalten wollten.) Die Lösung des Ganzen, wie es hinbekommen Frieden auf beiden Seiten zu stiften und die Luftangriffe beenden: "Die Waffen müssen... zum Schweigen gebracht werden" durch die zupackende Internationale Gemeinschaft". Meinen Sie das ernst? Oder treten Sie doch für Bodentruppen ein? Oder meinen Sie UNO-Truppen? Welche Machtbefugnisse kann/soll diese Blauhelmtruppe haben um etwas bewirken zu können, und darf sie haben um auch von G akzeptiert zu werden? Würde damit dieser Konflikt nicht noch unnötig in die Länge gezogen? Und für wie menschenfreundlich und einsichtig halten Sie Herr G?

    Vllcht gibt es ja eine Möglichkeit in Zukunft konsequent die Kooperation durch Waffenlieferungen mit solchen Regimen zu unterbinden um zukünftige derartige Kriege konsequent zu verhindern? Können wir auch China und v.a. Russland ebenfalls darauf verpflichten? Es wäre ein langer Weg. In Libyen wäre das mgl gewesen und die Lieferung v Clusterbomben absolut unnötig. Aber an anderen Orten gäbe es auf jeden Fall Dilemmata- Wen unterstützt man in Nahost gegen wen? Wer ist für uns (und ein Menschenrechtsverbrecher)und wer gegen uns (auch Menschenrechtsverbrecher)?....

  • PS
    Post Scriptum

    Eine Frage ging mir immer wieder durch den Kopf, als ich die deutschsprachige Berichterstattung (vor allem in Deutschland) zu Libyen verfolgte, und ich muss sie jetzt mal einfach loswerden so in dieser Form.

    Warum beruft man sich so oft auf den Einsatz in Kosovo? Wegen den Parallelen, lautete immer wieder die Antwort. Dabei frage ich mich: ist es für Deutsche wirklich vollkommen undenkbar, dass die Demonstrationen in der DDR damals auch in einem Blutbad hätten enden können? Ja, das ist Mitteleuropa, kein Balkan und auch nicht Nordafrika, habe ich als Antwort bekommen, überzeugt mich aber ehrlich gesagt nicht.

    Natürlich hat sich Russland damals auch anders positioniert, das war der Glücksfall, vielleicht wurden deswegen auch die Bewegungen in der DDR in der Form möglich, ist alles richtig.

    Aber, wenn es denn anders gekommen wäre, wenn man Panzer hätte Rollen lassen auf die Demonstranten damals in den ostdeutschen Städten, und Scharfschützen angewiesen, auf sie zu schießen, wenn die Führung der DDR also damals eben nicht vor einer Eskalation zurückgeschreckt hätte, weil sie Russland z.B. hinter sich gewusst hätte: glaubt man in Deutschland denn wirklich, das hätte keinen Bürgerkrieg in der DDR ergeben, wenn noch Teile der Bewegung überlebt hätten? Oder hätte man in diesem hypothetischen Fall von Glück reden können, wenn alle ostdeutschen Aufständischen damals gleich niedergemetzelt worden wären, so dass es eben keinen Bürgerkrieg gegeben hätte? Und dass nach einer Weile auch in diesem Szenario nicht eben um „Größe und Grenzen der jeweiligen Besitzstände gekämpft“ worden wäre? Wie stellt man sich denn eigentlich solche bewaffneten irrsinnigen Verhältnisse in Deutschland vor, dass das anders aussieht je nach Wetter und Breitengrad?

     

    Wie hätte sich die BRD damals in einem solchen hypothetischen Szenario verhalten, der Rest Europas damals? Wie hätte man da die Waffen, die Menschen umbringen, zum Schweigen gebracht?

    Diese Antwort ist doch wohl mehr als klar, ich bezweifele, dass es überhaupt irgendwelche Diskussionen gegeben hätte über irgend etwas, denn das ist eben kein Balkan, auch nicht der Mittlere Osten oder Nordafrika. Irgendwie ist das aber doch pervers, wenn man dann von Menschen redet, als ob tatsächlich in solchen Diskursen ein menschliches Leben überall auf der Welt den gleichen Wert hätte – und man kann es glauben oder nicht, von Waffen niedergemetzelte Menschen sehen überall gleich aus und so ein Anblick fühlt sich überall gleich an, auch im Fernsehen lässt sich dieses Gefühl manchmal nicht abschalten, ob man von Stämmen, Bürgern, Zivilisten, von Benno, Hannah oder Mahmud spricht.

     

    Dieser Kommentar muss hier auch nicht veröffentlicht werden, ist mir egal, ist auch zu lang. Lebe zum Glück nicht in Ostzonen und es gibt diese auch zum Glück nicht mehr, auch nicht in dem, was heute die zensierte Welt ausmacht. Dort hielt man übrigens nie etwas von den „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, was nicht heißt, dass das im Westen an vielen Stellen anders war und ist, wo keine Idealisten oder Realisten, sondern Opportunisten und schlimmstenfalls Verbrecher die souveränen Staatsrepräsentanten der souveränen Staaten des Völkerrechts stellen (als ob es jemals einen Staat ohne Menschen gegen hätte, jetzt ohne Vatikan).

  • I
    Interpretator

    Mögen diesen Artikel alle lesen, die vor einem Monat Westerwelle und Merkel dafür kritisiert haben, diesen Unsinn nicht mitzumachen. Inklusive der halben der Taz-Redaktion :(.

  • DS
    dietmar st.

    das kosovo war schon allein vom gelände her,ein ganz anderes terrain. stark bewaldet, gebirge u. ganz wichtig-einen starken nationalserbischen durschhaltewillen. Deshalb dauerte das damals länger als geplant.Hier in Libyen,wüste zwischen 2 orten manchmal 100km freies schußfeld leider hat die Nato mit ihren starren kommandostukturen das zepter in die hand genommen

  • A
    AntonRedlich

    Endlich ein Bericht den man(n) oder Frau wenigstens lesen kann.

    Die ganze Presse kaut eigentlich nur noch die aberwitzigsten Propaganda der Nato, oder der sogenannten Rebellen nach.

    Beispiele: Misrata = Stalingrad;immer beliebt = Vergewaltigung von schwangeren Frauen, Scharfschützen jagen Babys; auch so beliebt ein Arzt meldet 10 000de von Toten,Streubomben..gerade hier die doppelte Moral wer hat sie den wirklich massenhaft eingesetzt die USA und Israel;

    Kapiert den niemand etwas...dieser schillernde aber durchaus noch gemäßigte Despot muß von der eigenen politischen Oposition...und nicht von Rambos und Nato Bomber weggeräumt werden.

    Mit welchen Killer und Menschenrechtsverbrechern hat die westliche Welt schon gekungelt...was für Schwerverbrecher toleriert und sogar unterstützt, wo hat die UN schon weggeschaut....wenn es nicht um Öl geht kann man schon mal mehrere 100 000 abschlachten, vergewaltigen, vertreiben.

    Was für eine verlogene Spiegelredaktion, was für ein Zeit Dossier.

    Weiter so taz bewahrt Distanz ....kein Nato-Kriegsgeheul unterstützen

  • A
    antworter

    Lieber Herr Mutz, Sie schreiben:

     

    "Im Land mit den reichsten Ölvorkommen Afrikas herrscht je nach Blickwinkel ein exaltierter Autokrat oder ein skrupelloser Diktator"

     

    Nein, Herr Mutz. Dort herrscht ein skrupelloser Diktator. Ein Mörder. Aus, Ende. Soviel wissen wir inzwischen ziemlich sicher. Wir wissen es auch schon lange: Lockerbie, ermordete Oppositionelle im Ausland, Massaker im Inland. Seit Jahren bekannt. Ein "exaltierter Autokrat" ist ein ähnlich verlogener Euphemismus wie der bedauerliche "Kollateralschaden".

     

    Diese Verharmlosungen und Beschönigungen der libyschen Diktatur, die bizarrerweise oft von Leuten kommen, die sich scheinbar irgendwie "links" wähnen, und Genossen Gaddafi scheinbar auf einer imaginären ideologischen Weltkarte als "verbündetes" "sozialistisches" Fähnchen markiert hatten, sind widerlich. Und Ihre Formulierung ist verräterisch. Ihrem Anliegen erweisen Sie damit einen Bärendienst.

     

    Ich hätte mir gewünscht, die Friedensbewegten hätten sich bereits zu Wort gemeldet, als Gaddafi militärisch gegen eine Demokratiebewegung vorging. Dann würde ich sie ernster nehmen können. Aber sie schwiegen. Warum?

     

    Erst als die Nato eingriff, ergriffen auch sie das Wort, und kritisierten - die Nato. Glaubwürdigkeit ist etwas anderes. Dass im Übrigen natürlich politische Initiativen zu einer gelingenden Demokratie Libyen nötig sein werden, ist eine Binsenweisheit. Ohne den Natoeinsatz wären diese Initiativen aber obsolet - die Rebellen wären tot. Ich habe lange gedacht, was soll das noch mit dieser Nato, wozu brauchen wir sie. In Libyen habe ich es verstanden.

  • SS
    Soldaten s. Mörder

    Wir befinden uns mitten in den Rohstoffkriegen.

    Den Kriegen um Macht und zugriff auf Ressourcen.

     

    Dies ist einer davon. Afghanistan, Irak und (wohl bald) Iran sind andere.

     

    Stellt sich die Frage, wie lange der dumme (nicht nur Deutsche) Michel die Lügen von "Humanität" und "Demokratie" noch glaubt.

     

    Diese Kriege bezahlt DER STEUERZAHLER. Mit GELD und BLUT!

    Den Profit fahren allein die KONZERNE und ihre Marionetten aus den Regierungen ein.

     

    Wie anders ist zu erklären, dass Diktatoren auf friedliche Demonstranten schießen dürfen (siehe z.b. Barhain), ohne dass eingegriffen wird?

    Weil in dem Fall die Diktatoren vor den USA kuschen?

     

    So ein Zufall...

  • S
    Stefan

    "ein sofortiger Waffenstillstand, Beendigung der Belagerung eingeschlossener Städte, ungehinderte Bereitstellung humanitärer Hilfe und die Einleitung eines politischen Verhandlungsprozesses zwischen den libyschen Konfliktseiten"

     

    Wenn das möglich wäre, wäre es erst gar nicht zu militärischen Interventionen gekommen.

    Wer soll das bitte durchsetzen? Und wie?

     

    Ich mag Ambosse nicht - aber Naivität und Traumgebilde noch viel weniger.

     

    Manchmal ist auch der Hammer das Werkzeug der Wahl...

     

    vg, stefan