Plagiatsvorwürfe gegen Koch-Mehrin: Guttenbergs Nachfolgerin
Auch die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin hat in ihrer Doktorarbeit abgeschrieben. Das war eine bewusste Täuschung, sagen Experten.
BERLIN taz |Die FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin hat in ihrer Doktorarbeit in beträchtlichem Ausmaß plagiiert. Auf fast 30 Prozent der Textseiten wurden Textstellen abgekupfert, wie die Plagiatsjäger der Internetplattform VroniPlag in einem ersten Zwischenbericht bilanzierten.
Koch-Mehrin, die für die FDP im Europaparlament sitzt und dort auch als Vizepräsidentin fungiert, hatte ihre Dissertation zum Thema "Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik" 1998 bei der Universität Heidelberg eingereicht. Das Werk über die Lateinische Münzunion, eine historische Vorform der europäischen Währungsgemeinschaft, umfasst insgesamt 201 Textseiten. Auf 56 davon haben die VroniPlag-Leute, die anonym bleiben wollen, Plagiatsstellen nachgewiesen.
Im Vergleich zu den Täuschungen in der Doktorarbeit von Exverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wirkt das zwar geradezu harmlos: Hier wurden auf 370 von 393 Textseiten Zitate ungekennzeichnet übernommen. Das entspricht fast 95 Prozent der Seiten. Trotzdem stelle das Ausmaß von Koch-Mehrins Plagiaten eine "eklatante Verletzung wissenschaftlicher Standards" dar, so der Zwischenbericht.
In der Dissertation seien "in erheblichem Ausmaß fremde Quellen" verwendet worden, "die nicht oder nicht hinreichend als Zitat gekennzeichnet wurden". Zudem vermuten die Plagiatsjäger, "dass die Textübernahmen kein Versehen waren, sondern bewusst getätigt" worden seien. Dafür sprächen die "zahlreichen textuellen Anpassungen der Plagiate" und die flächendeckende Verteilung von Plagiatsstellen über die Arbeit.
Einzelne Wörter verändern reicht nicht
Auch die Berliner Plagiatsforscherin Debora Weber-Wulff bestätigte der taz: Koch-Mehrins Arbeit weise alle Merkmale eines "Bearbeitungsplagiats" auf, bei dem einzelne Begriffe gegenüber dem Original verändert werden, die Argumentationskette aber identisch bleibt. "Wenn man einzelne Wörter verändert, bleibt das ein Plagiat", so Weber-Wulff. Bislang verzeichnet VroniPlag 15 Quellen, aus denen abgeschrieben wurde, darunter vor allem Artikel aus Handbüchern der Ökonomie, Wirtschafts- und Sozialgeschichte.
Für Koch-Mehrin, die in der FDP als Hoffnungsträgerin gilt, könnte es nach den jüngsten Veröffentlichungen eng werden. In Heidelberg prüft der Promotionsausschuss der philosophischen Fakultät die Vorwürfe, bis Ende Mai soll ein Ergebnis vorliegen. Möglicherweise könnte das wissenschaftliche Fehlverhalten auch die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung beschäftigen, die Koch-Mehrin während des Studiums und der Promotion finanziell gefördert hatte. Am Mittwoch wollte die Naumann-Stiftung sich jedoch nicht dazu äußern, ob die ausgezahlten Stipendiengelder zurückgefordert werden könnten.
In der FDP hält man sich bislang bedeckt. Er habe an Koch-Mehrins Krisenmanagement nichts auszusetzen, sagt Martin Neumann, forschungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Zunächst wolle er die Untersuchung der Universität abwarten. Es sei jedoch notwendig, "dass in den nächsten Tagen Ergebnisse auf dem Tisch liegen". In der Guttenberg-Affäre war Neumann noch einer der schärfsten Kritiker des damaligen Verteidigungsministers. Im Unterschied zu Guttenberg habe Koch-Mehrin die Vorwürfe aber nicht abgestritten.
Das stimmt. Die Europaparlamentarierin äußert sich nämlich derzeit gar nicht öffentlich dazu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen