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Ocampos Haftbefehl ist - leider - HÖCHST RELEVANT. Ähnlich wie die vollmundigen Erklärungen von Guido Westerwelle: "Gaddafi muss weg!" ist er ABSOLUT KONTRAPRODUKTIV.
Es ist schön und gut, stramm Rechtsstaatlichkeit zu markieren. Die Rechnung für diese heroische Geste bezahlt das Volk in Libyen. Welchen Anreiz hat Gaddafi, am Ende zu einer wie auch immer gearteten Lösung des Bürgerkriegs zu kommen?
Wer nicht kapiert, dass politische Konflikte nicht ausschließlich mit militärischen Mitteln zu lösen sind, wird zurecht hart kritisiert. Wer nicht kapiert, dass politische Konflikte nicht mit juristischen Mitteln zu lösen sind, kommt im besten Fall mit „irrelevant“ weg.
Ihr könnt mich Opportunist schimpfen, aber für mich steht die Lösung des Konflikts an oberster Stelle. Die verbale Kraftmeierei, bevor die Bomben fielen, ließ jede Verantwortung missen. Ich bin ein bekennender „Bellizist“ und schließe den Einsatz militärischer Mittel nicht völlig aus, aber er muss Teil einer politischen Strategie sein, die Aussicht auf Lösung bietet. Lautes Schreien und die Androhung von juristischen Sanktionen, bevor jemand in der Lage ist, diese auch durchzusetzen, ersetzt keine Strategie.
Das Fehlen einer politischen Strategie IST RELEVANT.
Wie kann man ernsthaft auf die Idee kommen, mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht regieren zu wollen? Das BSW ist eine rein destruktive Kraft.
Kommentar Haftantrag gegen Gaddafi: Irrelevante Geste aus Den Haag
Der Haftantrag des Chefanklägers vom IStGH Luis Moreno-Ocampo gegen Gaddafi ist vor allem politische Ästhetik. Dass daraus nichts werden dürfte, zeigen andere Fälle.
Wenn Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) etwas in Libyen begrüßt, muss daran etwas faul sein. Der Haftbefehl, den Luis Moreno-Ocampo als Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag jetzt gegen den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi beantragt hat, ist denn auch vor allem als politische Ästhetik zu werten: wunderschön anzusehen, unmöglich umzusetzen, praktisch irrelevant. Damit haben alle Seiten ihr Gesicht gewahrt, der libysche Krieg kann weitergehen.
Knapp drei Jahre ist es her, da beantragte Moreno-Ocampo Haftbefehl gegen Omar al-Bashir, Präsident von Libyens Nachbarland Sudan. Bashir ist bekanntlich bis heute im Amt, sogar gestärkt durch Wahlen unter den Augen der größten UN-Mission der Welt. Immer wieder fährt der Sudanese zum Staatsbesuch in andere Länder Afrikas.
Die politische Klasse des Kontinents beklagt, der Strafgerichtshof würde ausschließlich gegen Afrikaner vorgehen, und steht am Rande eines förmlichen Rückzugs aus der Zusammenarbeit mit dem Weltgericht. An vorderster Front dieser Kampagne: Gaddafi. Er wird nicht zögern, dies seinen afrikanischen Kollegen jetzt erneut einzuhämmern.
Dem libyschen Terrorherrscher droht einiges, aber eine Zelle in Scheveningen gehört derzeit noch nicht dazu. Zunächst einmal ist der Antrag des Anklägers auf einen Haftbefehl zu unterscheiden vom richterlichen Haftbefehl selbst. Im Falle Bashir dauerte der Schritt zum förmlichen Haftbefehl nach Beantragung rund acht Monate.
So viel Zeit hat das libysche Volk nicht mehr. Für die Vollstreckung wären dann die libyschen Behörden zuständig. Dass sie Gaddafi verhaften, ist unwahrscheinlich, außer die Revolutionäre haben inzwischen die Macht übernommen, Gaddafi ist am Leben geblieben und nicht im Rahmen einer politischen Lösung mit der Zusicherung auf Straffreiheit dazu überredet worden, das libysche Gegenstück einer unbewohnten Insel aufzusuchen. Haftbefehle aus Den Haag, das zeigt die kurze Geschichte des Internationalen Strafgerichtshofs, werden immer nur dann vollstreckt, wenn man sie nicht vorher ankündigt.
Für Libyen bleibt alles gleich. Eine andere Lösung der Krise als der Sieg der Freiheitskämpfer ist nicht denkbar. Wie diese Lösung zu erreichen ist - dazu sagt Moreno-Ocampo nichts. Kann er auch nicht. Er ist nicht am Zug.
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Kommentar von
Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.