piwik no script img

Polizisten gegen VerkleideteBullen drehen bei Kühen durch

Polizisten gehen mit Knüppeln und Pfefferspray gegen Teilnehmer einer Performance zur Zukunft der Rindermarkthalle vor, die sich als Kühe verkleidet haben.

Schwarzbunte mal anders: verkleidete TeilnehmerInnen der Rindermarkthallenbegehung. Bild: IIndymedia

Es sollte eine tierische Almauftrieb-Performance werden. Verkleidet als Kühe machten sich mehrere hundert Wohnungssuchende am Rande des bundesweiten Kongresses "Recht auf Stadt" auf dem Weg zur ehemaligen Rindermarkthalle an der Feldstraße, um diese auf ihre Tauglichkeit für eine Nutzung zu besichtigen.

Doch angesichts von so viel Kreativität gingen die staatlichen "Bullen" durch. Mit Knüppeln und Pfefferspray wurde die Kuhherde vor dem Areal auseinandergetrieben. "Es lagen ein Hausfriedensbruch und eine Sachbeschädigung vor", sagt Polizeisprecher Mikro Streiber.

Die große Rindermarkthalle, in der zuletzt ein Real-Discounter residierte, ist seit Monaten Objekt städtebaulicher Spekulationen. Das Gebäude steht seit mehr als einem Jahr nahezu leer. Nur die Mevlana Moschee befindet sich noch in den Gemäuern.

Der Leiter des Bezirksamtes Mitte, Markus Schreiber (SPD), wollte in dem historischen Komplex gern eine mittelgroße Musikhalle untergebracht sehen. Doch der Widerstand der AnwohnerInnen brachte die Pläne zu Fall. Seit Monaten schon versucht die AnwohnerInnen-Initiative "Unser Areal", mit Hilfe einer Anwohnerbefragung die besten Ideen für eine künftige Nutzung zu sammeln.

Kein Wunder, dass sich anlässlich des Kongresses "Recht auf Stadt" Leute auf den Weg machten, in Form einer Kunstaktion die Halle als Kühe zu inspizieren und zu prüfen, wie dieser öffentliche Raum künftig genutzt werden könnte. "Ich finde es richtig und wichtig, dass solche Orte von den Menschen, die hier leben, beplant und genutzt werden - und nicht von Immobilienverwertern und ihnen hörigen Politikern", sagt eine Kuhaktivistin.

Die Polizei ließ die Herde anfangs scheinbar gewähren. "Es war von vornherein klar, dass es sich um eine temporäre Performance handelt", erzählt ein Teilnehmer. "Die Polizei wusste, dass es sich um keine klassische Besetzung handelt." Doch die Zurückhaltung der Polizei erwies sich als Falle.

"Die Lage wirkte fröhlich und entspannt", berichtet ein Teilnehmer. Plötzlich aber fühlten sich die "Bullen" doch von den Kühen angezogen und gingen mit dem Kampfstock "Tonfa" auf die Herde los, andere setzten Pfefferspray ein.

"Die sind richtig mit Anlauf durch die Menge gerockert", sagt ein Augenzeuge. "Dabei war ich schockiert, wie brutal die Beamten vorgingen", sagt ein anderer "Wie wild schlugen sie auf die Menschen ein". Einige Verletzte mussten notärztlich versorgt werden.

Der gegenüber tagende Kongress im Centro Sociale unterbrach wegen des Übergriffs sein Programm. "Viele internationale Gäste waren entsetzt von der Polizeigewalt", sagt ein Teilnehmer.

"Ich finde es skandalös, dass die Polizei ein leerstehendes städtisches Gebäude mit Knüppeln und Pfefferspray gegen interessierte Menschen verteidigt, die möchten, dass das Gebäude im Sinne der hier lebenden Menschen genutzt wird", schimpft eine Anwohnerin. Trotz der Blessuren werteten die Aktivisten die Kunstaktion als Erfolg. "Eine Kuh macht Muh - viele Kühe machen Mühe", sagt eine Kuh-Aktivistin. "Heute ist nicht alle Tage - wir kommen wieder, keine Frage."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

17 Kommentare

 / 
  • CR
    Christian Relling

    @ Marek, vielen Dank fuer den Kommentar und ich muss Dir / Ihnen natürlich bedingt recht geben, platte Parolen alleine reichen nicht, der Wiederstand muss breiter und intensiver werden. Jedoch stehe ich zu meiner Aussage ACAB, da ich über die letzten Jahre auf unzähligen Demonstrationen (nein, ich bin keine 16 und kein Krawalltourist!) in negativen Kontakt mit den Schergen gekommen bin. Meine Erfahrung mit den Bullen ist durchweg negativ, Aggro aufgeputschte Schläger, die zu nicht anderem in der Lage sind als Einsätze eskalieren zu lassen. Fuer mich sind es Kriminelle und dabei bleibe ich - sorry...

  • DK
    Dr. Karl-Heinz Feldmann

    Was ist das doch für ein armseliger, bemitleidenswerter "demokratischer" Staat, der Spaßaktionen der beschriebenen Art nicht mehr aushalten kann?:

     

    Das ist der antidemokratische anti-Bürgerstaat, der von verrotteten Parteien und deren Personal übernommen wurde und okkupiert wird. Die Polizei nimmt offensichtlich vorwiegend die Funktion des Eigentumsschutzes und fungiert als Interessenvertretung "unserer" Politfuzzis, die bestenfalls noch 50 % der Bevölkerung "repräsentieren". Das staatliche Gewaltmonopol wird so zur nicht legitimierbaren Gewaltanwendung. Wer das staatliche Gewaltmonopol derart missbraucht, gehört hinter Schloss und Riegel.

     

    Dieses politische System ist am Ende und befindet sich in der Übergangsphase zum autoritären Regime. Die Wahlen sind nur noch Staffage. Freilich ist das kein Hamburger Problem allein. Die herrschenden Politchargen in ganz Europa operieren nach vergleichbaren Schemata. Das Ganze wird "ganz oben" koordiniert. Dort sitzen auch die protofaschistoiden Täter.

     

    Die haben tierische Angst, das ihnen ihre verkommene Herrschaft aus den Händen gleitet und sie dann dort landen wo sie hingehören.

  • HP
    Hamburger Pirat

    @Torge: Ist in der Tat etwas fehlend.

     

    Die "Rindermarkthalle" dürfte den meistens Hamburgern eher als ex-WALMART (gefolgt von ex-REWE) bekannt sein...

     

    http://www.facebook.com/pages/Piratenpartei-Hamburg/140218156035355

  • Y
    Yoda

    Eine vollkommen unnütz draufkloppende Rennleitung ist anachronistisch. Bepo von vorgestern, langsam sollten uch sie mal dazulernen.

     

     

    Aber "Polizeisprecher Mikro" ist ein echt schöner Freudscher Vertipper :))

  • M
    MiaMia

    Mehr Augen sehen immer mehr. Ich ergänze also mal meine Perspektive und praktische körperliche Befindlichkeit: Es wurde nicht auf Alle Anwesenden der Performance eingeprügelt. Es gab Kühe, aktive und weniger aktive, viele begleitende Einzelpersonen, Zuschauende, Essen auf Rädern rsp. mobilen Tischen, Mampf, Reden.... Viel Interaktion jenseits von Prügelei...

     

    Und die zwischen den Zeilen zu lesende Interpretation plötzlichen, wahllosen aber irgendwie mit eine Falle verbundenen (weshalb?) Prügelns ohne Motiv, Sinn, Zweck ist schon ärgerlich.

     

    Nicht weil nicht geprügelt wurde. (Das gab es auch, aber nicht überall und jederzeit). Sondern weil es sich um eine aus dem Bauch heraus hingepinte Interpretation handelt ohne irgendwie geartete Analyse, keine Transaktionsanalyse - geschweige denn Machtanalyse.

    Was hab ich von solchem Artikel außer unterkomplexer Weltbildbestätigung, dass Bullen böse sind, plötzlich kommen, Fallen stellen, weshalb auch immer - und Küke gut sind....? Oder was bringt mir ein Pseudo-Wissen, dass ich entweder mich verhauen lassen muss oder selber verhaue, wenn ich bei einer politischen Aktion bin? Und nix dagegen tun kann, weil ja immer alles unerklärte bleibt...

     

    Dies Wissen ermächtigt mich zu nix, hält mich aber - und mutmaßlich andere - mit Angstmache ab, aktiv zu werden. Obwohl es da ein Spektrum vom Möglichkeiten gibt, je nach unterschiedlichen Interssen, Einstellungen und Mut, selbstbestimmt Stadt zu gestalten, wo bisher andere uns das gern vorschreiben.

     

    Nein, es ist - entgegen dem Artikeltenor - NICHT so, dass nur solche, die ganz hart im Knüppeleinstecken sind, auch die Zukunft des exRealgeländes an der Feldstraßen mitentscheiden können.

     

    Das hätten sie wohl gern...

  • M
    marek

    Ich muss sagen, dass der Angriff, nachdem "voerst Abrücken" der Beamten, die eine von ihnen gewollte Verwirrung unter den "Kühen" stiftete, feige, unverhältnismäßig und brutal war. Die Reihe von Polizisten, die sich vor den Kühen am Eingang aufstellten zogen nach ein paar Minuten bösen Anstarrens ab, was allen Anwesenden das Gefühl vermittelte, dass die Poilizei die "Kühe" gewähren ließ. Darauf hin bewegten sich die "kühe" samt Musik-Einkaufswagen Richtung Eingang. Alle Anwesenden, inklusive mir, waren geschockt was dann geschah.

     

    @ christian relling

    Ich muss Dir/Ihnen (höflicherweise) sagen, dass platte Parolen wie "ACAB blabla" bei einem so komplexen und tiefgreifenden Thema nichts zu der Sache beitragen.

    Ich bin froh, dass die "Kühe" und die sich vor Ort versammelten Anwohner, Besucher und Teilnehmer des Recht auf Stad Kongresses in dieser Situation ruhig geblieben sind. So hatten die Medien nicht die Möglichkeit diese wunderbare und kreative Aktion als "Schanzenkrawallaktion" darzustellen. Das Verlegen der Veranstaltung im Centro Sociale zum Ort des Geschehens empfand ich ebenfalls als positiv, da so auch das Partyvolk mit dem Thema direkt auf der Straße konfrontiert wurde. Einige von ihnen blieben ja noch und machten zu lauter Elektro und Techno Musik den Vorplatz des Areal zur Tanzfläche.

    Ich freu mich auf mehr solche gelungenen Aktionen.

  • N
    nbo

    @torge

     

    die alte rindermarkthalle liegt am neuen kamp in st. pauli, neben dem u-bahnhof-feldstr, und beherbergte bis vor einem jahr den real-markt, davor walmart und andere großsupermärkte.

     

    mehr zur halle, den ad acta gelegten ideen des bezirks und der neuen planung durch die anwohner_innen selbst findest du unter www.unser-areal.de

  • HN
    HANS NIX

    "Viele internationale Gäste waren entsetzt von der Polizeigewalt", sagt ein Teilnehmer."

     

    Willkommen im SPD-Hamburg! So sieht die Stadt kurz nach dem Antritt der volksnahen Sozialdemokraten jetzt aus! Botschaft ist auch klar rübergekommen: Kein Interesse an den Anwohnern und was die bewegt.

     

    Am Ende wird ein Investor auch dieses Gebäude sich krallen und hübsch Profit machen, dass dann noch mehr PKWs, Laster, Menschen und U-Bahnen hier durchfahren müssen, interessiert Schreiber natürlich nicht, denn für die muss ja die Allgemeinheit - sprich der Steuerzahler - aufkommen.

    Wahrscheinlich baut hier auch bald einer ein Hochhaus - St.Pauli ist ja schon voll damit.

     

    Ich wünschte mir, es gebe mehr Bürger, die sich engagierten (und vor allem auch im Winter zu Wahlen gehen).

  • N
    Nils

    Inzwischen muss man vor der Polizei schon mehr Angst haben als vor Kriminellen...

  • B
    Bürger

    Polizisten sind sich anscheinend für keine Prügelei zu schade! Ich glaube die schämen sich nicht mal, sie hinterfragen ihr vorgehen nicht. Das ist kein Beruf sondern eine Charakterschwäche...

  • DO
    Dr. Oc

    @Torge - In der Feldstraße / Ecke Budapester Straße gegenüber vom Centro Sociale.

  • CR
    Christian Relling

    Wann werden die uniformierten Hooligans und Kriminellen endlich zur Rechenschaft gezogen? Wenn wir uns hier in einem rechtsfreien Raum befinden bin ich der Meinung, das unser Recht aus Selbstverteidigung auch bedeuten kann, das die Hooligans in Uniform schaden davon tragen - es REICHT!!

     

    ACAB - kein Fussbreit Faschisten und Hools, auch nicht denen in Uniform!

  • GA
    Ganz alte Schachtel

    Stammt nicht von mir, finde ich aber gut:

    Wenn sich die Polizei schon in die Niederungen des Strafrechts verirrt...

     

     

    Strafprozessrechtliches

     

    Der Hausfriedensbruch ist in der Variante des Grundtatbestandes Privatklagedelikt nach § 374 Abs. 1 StPO und bedarf des Strafantrags des Verletzten oder dessen Angehörigen. Der Hausfriedensbruch ist nebenklagefähig nach § 395 StPO.

  • WR
    Weiße Rose

    Immer wieder lassen staatliche Autoritäten durchblicken was passiert, wenn Bürger sich von dem über Jahrhunderte geprägten Untertanengeist befreien und eigene kreative Wege beschreiten wollen...

    Da geben sich nämlich polizeiliche Schlägertrupps aus Sanaa, Damaskus oder Hamburg überhaupt nichts!

  • B
    bernhard

    polizisten müssen ja auch mal ihre agressionen loswerden. warum nicht mit unverhälnismäßigen miitteln brutal gegen harmlose *kühe* vorgehen.

     

    hier hat sich die hamburger polizei mal wieder nicht mit ruhm bekleckert.

    der einzatzleiter dachte sicherlich..oh schau, die dummen *kühe* haben nicht mal knüppel und baggersteine bei sich, die machen wir jetzt mal nieder.

    alle beteiligten beamten sollten sich was schämen.

  • KB
    karl Bike

    "Es lagen ein Hausfriedensbruch und eine Sachbeschädigung vor", sagt Polizeisprecher Mikro Streiber.

     

    Komisch, dass die Bullen bei der Thessa Randale sich so zurückgehalten haben.

    Ist wohl doch noch immer etwas anderes, wenn die Leute ein politisches Anliegen haben. Da scheint der Staat und seine Erfüllungsgehilfen mehr Angst zu haben, als wenn besoffene Spießer alles kurz und klein schlagen.

  • T
    Torge

    wäre cool, wenn man dazuschreiben würde, wo diese Rindermarkthalle ist? Hab den Link auf Facebook gefunden und kein Plan wo das ganze sein soll...