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Ein 14-Jähriger Administrator bei WikipediaJugendlicher als Wissenswächter

Ein Teenager will bei Wikipedia mitarbeiten. Er wird als Autor geschätzt, ist aber rechtlich fast noch ein Kind. Wie wichtig ist das Alter für eine solche Aufgabe?

Wer darf das Wissen hüten? Bild: dpa

BERLIN taz | Er kommt aus Castrop-Rauxel, geht auf ein Gymnasium, ist Messdiener und bezeichnet sich als "gottesfürchtigen Katholik". Mit 10 Jahren ist er zur Wikipedia gestoßen. Jetzt, mit 14, hat er an die 750 Artikel für die Online-Enzyklopädie verfasst.

Seinen echten Namen möchte er unbekannt lassen, in der Wikipedia agiert er unter dem Namen "Umweltschützen". Dabei schreibt er meist über Theologen und das Videospiel "Super Mario". Durch sorgfältige Textkritik hat sich der Schüler viel Respekt erworben, obwohl er zivilrechtlich gesehen noch ein Kind ist. Und dieses Kind will jetzt an die "Knöpfe".

Die "Knöpfe" - das ist die Wikipedia-interne Metapher für das Amt des Administrators. Der darf etwa Artikel löschen oder Benutzer sperren. Administratoren werden von den Wikipedianern selbst gewählt. Unter gewöhnlichen Umständen hätte sich der Jungnutzer "Umweltschützen" die Kandidatur schenken können. Aber die Wikipedia steckt in der Krise: Vielen ist der Umgangston zu ruppig, andere stören sich an der sperrigen Software.

Zugleich steigen die Erwartungen an die Qualität der Artikel und an die Funktionsträger. Dass ein 13-Jähriger mit 90 Prozent Zustimmung zum Administrator gewählt, wie es 2005 geschah, wäre heute undenkbar. Doch der hat inzwischen auch frustriert aufgegeben. Die deutschsprachige Wikipedia hat Nachwuchssorgen. Und dieser Nachwuchs meldet sich jetzt zurück.

Erwachsener als viele Ältere

Doch seit "Umweltschützen" kandidiert, hagelt es Kritik. Viele werfen ihm mangelnde Lebenserfahrung vor, unterstellen ihm Untauglichkeit als Respektsperson, Übereifer und sogar religiösen Fundamentalismus. "Suche dir noch ein Hobby mit frischer Luft und Bewegung", empfiehlt Wikipedianer "Knoerz". Für andere zählen Verdienste und Tatendrang, nicht sein Alter. "Nur positiv, konstruktiv und ausgleichend aufgefallen, im Gegensatz zu einigen älteren Herrschaften, die sich wie 14-Jährige verhalten", lobt "GreyGeezer".

Die Mehrheit der Wikipedia-Gemeinde will "Umweltschützen" an die "Knöpfe" lassen: Am Freitag hatten 61 Prozent der Wikipedianer für den 14-Jährigen votiert. Aber zur Wahl braucht er eine Zweidrittelmehrheit. Die Abstimmung endet am Samstag.

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21 Kommentare

 / 
  • CN
    Captain Nemo

    Das (und der Name (Umweltschützen) erinnert mich an diese regelmäßig wiederkehrenden "Interviews" mit scheinbar "neunmalklugen" Dreikäsehochs, die gerade irgendwas gaaaanz tolles gemacht haben, und gefragt werden, ob sie gegen Atomkraftwerke und für Umweltschutz sind, und überhaupt, wie sie die Welt sehen.

    .

    "Neunmalklug" habe ich deswegen in Anführungszeichen gesetzt, da sie natürlich nichts dafür können: Vielmehr hört man deutlich heraus, wie sie von ihren Eltern oder eine Organisation indoktriniert und instrumentalisiert worden sind, und wie sie deren Unsinn besonders bezüglich weltanschaulicher Fragen abseits der Religion wortwörtlich wiederholen. Und die jeweiligen Fernsehsender und "Reporter" sind die willigen Komplizen dabei, die kleinen Kinder zur allgemeinen und öffentlichen Belustigung bloßzustellen.

    .

    Captain Nemo

  • M
    Manuel

    @Heidi:

     

    Völlig am Thema dabei und völlig falsch.

  • HW
    Heidi Weh

    @Nico: Wenn ich mal darauf aufmerksam machen dürfte, dass Atheismus auch eine Religion ist ....

  • T
    TmS

    Nachdem mehrere Versuche Artikel für die deutsche Wikipedia zu schrieben oder zu ergänzen daran gescheitert sind, dass diese 'irrelevant' (10000 deutschsprachige google-hits, ein halbes Dutzend Wikipedia-Artikel in anderen sprachen) oder 'nicht wissenschaftlich genug geschrieben' (der Autor ist promovierter Naturwissenschaftler)seien, schreibe ich nun lieber für die englischsprachige Wikipedia. Wer noch nie von den 'Löschnazis' der de.wikipedia gehört hat, möge danach googeln. Mit geistiger Reife haben da viele 'Argumente' von solchen wiki-Blockwarten bestenfalls in dem Sinne zu tun, dass diese ein 'ich habe recht, basta' für ein Argument halten.

  • N
    Nico

    @Rod

     

    Äh, das ist schon lange nicht mehr so. Wikipedia ist durchaus ernstzunehmen.

  • MC
    Marcus Cyron

    Man merkt dem Artikel an, daß der Autor etwas vernünftiges abliefern wollte und nicht nur irgendwo die Meinung eines Anderen abschreiben. Leider endet es am Ende mit dem wollen. Vieles im Artikel erreicht so den Status einer halben Wahrheit. Vieles stimmt nicht - oder ist falsch wiedergegeben bis hin zu völlig verdreht. Schade.

     

    Aber im Vergleich zu den zum Teil dummen Kommentaren ist der Artikel natürlich super. Allein der immer wiederkehrende dumme und falsche Vorwurf, Wikipedia würde von irgendwelchen Hobbyautoren ohne Ahnung geschrieben werden ist Quatsch. Wohl mehr als die Hälfte der Autoren sind Akademiker. Das ist sogar ein Problem, was wir mal bräuchten wären gute Autoren, die Handwerker sind. Oder Bauern. Ein Klempner wäre etwas Feines.

     

    Der Artikel gibt es selbst zu - diese "Babyadmins" sind nichts Neues. Die gibt es seit Jahren. Was sich geändert hat sind die Ansprüche an die Administratoren, die ja eigentlich nicht mehr als die Hausmeister des Projektes sind. Reichten früher 3.000 Bearbeitungen und ein halbes Jahr der Mitarbeit (neben einer gewissen zur Schau gestellten Reife, Fachlichkeit und Charakterstärke) wird heute schon verlangt, dass der Kandidat mindestens ein Jahr schwer aktiv dabei ist, 10.000 Edits getätigt hat - und wehe er ist mal irgendwo falsch abgebogen.

     

    Die Intention des Artikels, daß Wikipedia die Autoren davon laufen und deshalb jetzt der "Volkssturm" zum Einsatz kommt ist im übrigen totaler Quatsch. Wikipedia hat nur das Ende des Wachstums erreicht und ist nun in einer Konsolidierungsphase. Und fast Jeder nutzt es - vielleicht sollten ein paar Menschen mal überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben.

     

    In der akademischen Welt schafft es Wikipedia mittlerweile durchaus ernst genommen zu werden. Bei der Tagung "Wikipedia trifft Altertum" an der Universität Göttingen waren letztes Wochenende mehr als 100 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, darunter sicher die Hälfte Wissenschaftler. Eröffnungsredner war beispielsweise der Mitherausgeber des großen Lexikonprojektes "Der Neue Pauly", Helmuth Schneider, Professor für Alte Geschichte in Kassel, oder auch der Präsident der Uni Erfurt, Kai Brodersen. Man nahm Wikipedia durchaus ernst. Und an mehreren Stellen wird die Einbindung in die akademische Lehre geplant.

     

    Freies Wissen für alle! Ein unglaublicher Traum. Aber nur wenige leben ihn. Das darf nicht sein, sonst frisst irgendwann auch diese Revolution ihre Kinder.

  • I
    Ianusius

    Der Artikel ist relativ gut, er stellt die Problematik richtig da. Was fehlt, sind Lösungsansätze. Übrigens, UWS wurde nicht gewählt (60,65 %).

     

    Ianusius

  • TB
    Torsten B.

    Fehlen da nicht einige Links?

  • V
    VVVVV

    Ich bin sehr froh, dass die taz diese Adminkandidatur zumindest ansatzweise aufgezeigt hat, da diese vor allem das Problem mit dem Alter und der Lebenserfahrung deutlich macht. Die Kritik, die als Begründung für Kontrastimmen in dieser Kandidatur laut wurde, ist nicht nur "Du bist zu jung" oder "Du hast zu wenig Lebenserfahrung", sondern auch die, dass an das Amt des Administrators heutzutage nicht mehr nur Verantwortungsbewusstsein gegenüber den erweitertern, die Bearbeitungsfreiheit innerhalb des Projekts einschränkenden Fähigkeiten, gefordert wird, sondern auch die Fähigkeit, ein dickes Fell zu besitzen, Souveränität und Konsistenz innerhalb der wikipediainternen Tätigkeiten zu zeigen und sich vor allem von all den - Verzeihung - Idioten, die das Wort "Enzyklopädie" und das Ziel des Projektes, eine solche zu erschaffen, nicht verstanden haben, sondern stattdessen die ganze Webpräsenz als eine Plattform der Selbstdarstellung benutzen. Und damit meine ich nicht nur den in England arbeitenden Soziologen, der Wikipedia primär dazu benutzt, um Abgründe der sozialen Netzwerke im Rahmen des anonymen Internets zu untersuchen oder den selbsterklärten "quasi hauptamtlichen" Wikipedia-Historiker, der die Aufgabe der Selbstdarstellung innerhalb des Projektes selbst in Fachgebiete trägt, von denen er nachweislich keine Ahnung hat, während er diese dahin trägt, dass er ohne Legimitation erfolgreichen Geschichtsprofessoren im Namen des kompletten Projekts peinliche Gedenkschriften überreicht.

     

    Wenn das Projekt eine Enzyklopädie erstellen will, müssen die Mitarbeiter in der Lage sein, ihr Ego gegenüber dem Ziel, eine solche zu erschaffen, zurückzustellen. Bis dieser Punkt erreicht ist, wird Wikipedia nichts besseres sein als Twitter und Facebook, mit dem Unterschied, dass Wikipedia keine Gewinne erzielt und ihre Einnahmen von Jahr zu Jahr sinken.

     

    (Captcha: hund. FARBRAUSCH!!)

  • GD
    gib das wort wieder her.

    boah ey schon wieder. mannmann wer liest denn bei euch die texte korrektur?

     

    "Dass ein 13-Jähriger mit 90 Prozent Zustimmung zum Administrator gewählt, wie es 2005 geschah, ..."

     

    wort verschluckt, wieder hergeben bitte.

  • CA
    Christian Alexander Tietgen

    Wikipedia wird auch immer spießiger.

  • CO
    Church of emacs

    Wie bereits absehbar war, hat es nicht für eine Wahl zum Admin gereicht. Trotzdem steckt im Titel des taz-Artikels "Ein 14-Jähriger Administrator bei Wikipedia".

     

    Weitere Wikipedia-Rekorde gibt es übrigens auf:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Proofreader/Guinness_Book_of_Wikipedian_Records

  • PS
    Peter Schmelzle

    Die erweiterten Rechte als Admin der deutschsprachigen Wikipedia sollte man nicht überbewerten. Es geht nicht darum, das Wissen zu "hüten", sondern im Prinzip sind Admins lediglich Ausführungsberechtigte für Beschlüsse der Autorengemeinschaft. Falls ein Admin-Kandidat mit dem Anspruch antritt, künftig das Wissen "hüten" zu wollen, wäre das wohl ein fataler Fauxpas, der dem Kandidaten den Wahlerfolg kosten könnte. Ungeachtet dessen führen sich einige Admins natürlich tatsächlich als "Hüter" auf, aber dagegen gibt es auch Abwahl-Mechanismen. Viel schlimmer aber als Admin-Machenschaften ist der in Wikipedia allgegenwärtige Artikel-Lobbyismus, zu dem es keiner erweiterten Rechte, sondern lediglich einer enzyklopädisch fragwürdigen Motivation bedarf.

  • K
    Karen

    Schon länger wundere ich mich über die grassierende naive Zölibazillerei in der Wikipedia. Jetzt wissen wir, wo sie herkommt. Trotz Aufklärung, nach Religionskriegen, Hexenjagd und Kinderschändung, lernen manche nichts dazu.

  • N
    Nico

    "[...] gottesfürchtigen Katholik"

    - super! Und als nächtes verschwinden dann wissenschaftlich belegte, aber vielleicht den religiösen Ansichten dieses Kindes widersprechende Teile aus Artikeln...

  • R
    Rod

    Warum nicht? Wikipedia ist sowieso nur eine nicht ernstzunehmende Laienseite. Artikel schreiben und administrieren sind Hobbys, die man dann ausführt, wenn einem gerade langweilig ist.

     

    Ich schätze professionelle Fachlexika wie Gablers Wirtschaftslexikon, Konversationslexika wie den Brockhaus und Wörterbücher wie den Duden. Die werden von Leuten verfasst, die den ganzen Tag nichts anderes tun und in ihrem Bereich einen entsprechende fachliche Ausbildung vorweisen können.

  • E
    Elvenpath

    Gottesfürchtiger Katholik?

    Besser nicht an die "Knöpfe" lassen...

  • FN
    Franz Nagel

    Wer könnte diesen jungen Mann treffender ermutigen als der Apostel Paulus, der an seinen Freund Timotheus schrieb (1 Tim 4,12-13):

    "Niemand soll dich wegen deiner Jugend gering schätzen. Sei den Gläubigen ein Vorbild in deinen Worten, in deinem Lebenswandel, in der Liebe, im Glauben, in der Lauterkeit. Lies ihnen eifrig (aus der Schrift) vor, ermahne und belehre sie..."

  • L
    Linker

    >>>>"obwohl er zivilrechtlich gesehen noch ein Kind ist. >>>

     

    Ab 14 ist man ein Jugendlicher, auch im rechtlichen Sinne.

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Jugendlicher

  • U
    unexo

    Bei solchen Fällen denke ich mir meistens: das ist das Internet, da zählt nicht wer du bist, sondern was du tust. Alter, sag doch einfach nicht die Wahrheit, wenn dich jemand nach deinem Alter fragt.

  • D
    D.B.H.

    Ich weiß, dass ich hier vielleicht ungerecht bin, aber für mich verliert die Wikipedia an Glaubwürdigkeit, wenn gottesfürchtige Katholiken (vor allem in dem Alter!! Weird!!) Administratoren werden.

    Aber Ok, Toleranz ist wichtig, soll er's meinetwegen machen! :)